Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliches Urlaubsgeld gem. allgemeinverbindlichem MTV Einzelhandel Baden-Württemberg (MTV 1994). Änderungstarifvertrag 1997. Nachwirkung der alten Urlaubsgeldregelung gem. MTV 1994 und „andere Abmachung” i. S. § 4 Abs. 5 TVG durch sog. dynamische Verweisungsklausel

 

Leitsatz (redaktionell)

Enthält ein Arbeitsvertrag eine Regelung, wonach sich der Urlaub nach den tariflichen Regelungen richtet und ändert ein späterer Tarifvertrag, der lediglich im Wege der arbeitsvertraglichen Bezugnahme zur Anwendung kommt, einen zuvor allgemeinverbindlichen Tarifvertrag im Hinblick auf das Urlaubsgeld ab, so liegt in der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel i.V.m. dem Änderungstarifvertrag eine andere Abmachung i.S.v. § 4 Abs. 5 TVG.

 

Normenkette

TVG § 4 Abs. 5; BGB § 305c Abs. 2; MTV Einzelhandel Baden-Württemberg 1994 § 19

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Urteil vom 09.03.2004; Aktenzeichen 2 Ca 658/03)

 

Tenor

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 09.03.2004 – 2 Ca 658/03 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

II.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf restliches Urlaubsgeld für die Jahre 2002 und 2003, insoweit um insgesamt der Höhe nach unstreitige Euro 188,60 brutto.

Die Beklagte ist ein in Karlsruhe ansässiges Einzelhandelsunternehmen, welches Möbelhäuser betreibt. Der Kläger wird seit 1978 in Karlsruhe beschäftigt. Es existiert ein schriftlicher Arbeitsvertrag, welcher dem seinerzeit betriebseinheitlich verwendeten Formularvertrag entspricht. § 4 dieses Vertrages bestimmt: „Der Urlaub richtet sich nach den tariflichen Regelungen des örtlichen Einzelhandels”.

Nach dem ab 01.01.1994 gültigen Manteltarifvertrag für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer/innen des Einzelhandels in Baden-Württemberg (MTV 1994), der mit Wirkung ab dem 01.11.1996 für allgemeinverbindlich erklärt wurde, erhielten die Arbeitnehmer seit dem 01.01.1996 ein zusätzliches Urlaubsgeld i. H. von 55 % des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruches für das letzte tariflich vereinbarte Berufsjahr eines Verkäufers/einer Verkäuferin mit abgeschlossener Berufsausbildung (§ 19 A. Ziffer 1 a MTV 1994). Mit Tarifvertrag vom 26.11.1997 (ÄndTV 1997) haben die am Abschluss des MTV 1994 beteiligten Tarifpartner Änderungen zum MTV 1994 vereinbart. § 2 ÄndTV 1997 bestimmt, dass das Urlaubsgeld gem. § 19 A. Ziffer 1 a MTV 1994 ab 01. Januar 2000 50 % des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruches für das letzte tariflich vereinbarte Berufsjahr eines Verkäufers/einer Verkäuferin mit abgeschlossener Berufsausbildung beträgt.

Der MTV 1994 ist zu dem in § 1 ÄndTV 1997 geregelten frühesten Termin 31.01.2000 gekündigt worden.

Die Beklagte, die in dem hier interessierenden Zeitraum nicht Mitglied des Einzelhandelsverbandes war, zahlte an ihre Arbeitnehmer, mithin auch an den Kläger, seit 2001 nur noch das auf 50 % der maßgeblichen Bezugsgröße abgesenkte tarifliche Urlaubsgeld.

Der Kläger hat bereits beim Arbeitsgericht die Auffassung vertreten, er habe unverändert, mithin auch ab dem Jahr 2001, Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld gem. MTV 1994. Dem hat sich das Arbeitsgericht angeschlossen und der auf Zahlung des – nach Abzug des gewährten Urlaubsgeldes – verbleibenden Differenzbetrages gerichteten Klage stattgegeben. Im Wesentlichen ist ausgeführt, dass die Urlaubsgeldregelung gem. § 19 A. Ziffer 1 a MTV 1994 aufgrund von § 4 Abs. 5 TVG nachwirke. Eine die nachwirkende tarifliche Regelung ersetzende „andere Abmachung” i. S. des § 4 Abs. 5 TVG liege nicht vor. Insoweit sei auch aus § 4 des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien und der dortigen IInbezugnahme tariflicher Bestimmungen zugunsten der Beklagten nichts herzuleiten. Nach dem Inhalt von § 4 des Arbeitsvertrages sei fraglich, ob die Inbezugnahme tariflicher Urlaubsregelungen auch das zusätzliche Urlaubsgeld umfasse. Die nach § 305 c Abs. 2 BGB maßgebliche für den Kläger günstige Auslegung besage, dass die Regelungen zum tariflichen Urlaubsgeld nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages der Parteien geworden sind.

Zur näheren Sachdarstellung wird im Einzelnen auf das arbeitsgerichtliche Urteil vom 09.03.2004 Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Arbeitsgericht zugelassenen Berufung. Die Beklagte ist weiterhin der Meinung, dass sich das dem Kläger zustehende Urlaubsgeld nach der Neuregelung gem. ÄndTV 1997 richte. Sie ist der Auffassung, dass § 19 A. Ziffer 1 a MTV 1994 keineswegs eine isolierte Nachwirkung habe entfalten können. Jedenfalls handle es sich in § 4 des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien um eine verdrängende Abmachung i. S des § 4 Abs. 5 TVG.

Die Beklagte beantragt:

  1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 09.03.2004, Az.: 2 Ca 658/03, wird abgeändert.
  2. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt:

Kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

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