Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitanteilige Berechnung des tariflichen Urlaubsanspruchs einer teilzeitbeschäftigten Erzieherin öffentlichen Dienst. Klage auf Gutschrift weiterer Urlaubstage auf dem Urlaubskonto

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 4 TVöD erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche "entsprechend"; diese Regelung bezieht sich auch auf solche Urlaubsansprüche, die bei einer Änderung der Verteilung der Arbeitszeit auf mehr oder weniger Tage im Verlauf eines Kalenderjahres bereits entstanden waren.

2. Da der Wortlaut des § 26 Abs. 1 Satz 4 TVöD nur davon spricht, dass bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage sich der Urlaubsanspruch "entsprechend" erhöht oder vermindert, ist lediglich ein Verhältnis zu bilden zwischen Urlaubstagen bei einer Fünf-Tage-Woche und Urlaubstagen bei einer anderen Tage-Woche; wie dieses Verhältnis zu bilden ist, und wie insbesondere genommene Urlaubstage berücksichtigt werden müssen, sagt die Vorschrift nicht.

3. Eine "entsprechende" Erhöhung oder Verminderung des Urlaubsanspruchs gemäß § 26 Abs. 1 Satz 4 TVöD kann so berechnet werden, dass bei einem unterjährigen Wechsel von einer 4-Tage-Woche in eine 5-Tage-Woche sich der Urlaubsanspruch von 24 Urlaubstagen auf 30 Urlaubstage erhöht und davon bereits genommene Urlaubstage so abgezogen werden, dass diese ins Verhältnis zum Gesamtjahresurlaubsanspruch bei einer Fünf-Tage-Woche von 30 Tagen gesetzt werden um festzustellen, wie viel Bruchteile des Jahresanspruchs bereits durch Urlaubsgewährung in der Vier-Tage-Woche erfüllt sind, wobei dann aus dem verbleibenden Bruchteil der noch offene Restanspruch bezogen auf die Fünf-Tage-Woche festgestellt wird; zu diesem Ergebnis kommt man auch, wenn die "neue" Tage-Woche durch die "alte" Tage-Woche dividiert und mit dem noch vorhandenen Resturlaubsanspruch multipliziert wird.

4. Eine "entsprechende" Erhöhung oder Verminderung des Urlaubsanspruchs gemäß § 26 Abs. 1 Satz 4 TVöD kann auch pro-rata-temporis (zeitanteilig) ermittelt und vom Ergebnis die tatsächlich genommenen Urlaubstage abgezogen werden; aufgrund der Formulierung "entsprechend" verschließt sich die tarifvertragliche Regelung nicht einer Betrachtungsweise nach dem pro-rata-temporis Grundsatz, da auf diese Weise insbesondere Ungleichbehandlungen von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten zulasten der Vollzeitbeschäftigten vermieden werden.

5. Hat im Einzelfall die Urlaubsplanung bereits am Jahresbeginn zu erfolgen und ist dabei auch zu berücksichtigen, dass für das Jahresende Betriebsurlaub feststeht, kann die Teilzeitbeschäftigte nicht so wie eine Vollzeitbeschäftigte bereits zu Jahresanfang über den vollen Urlaub verfügen, da sie damit rechnen muss, dass durch eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitstage die Urlaubsplanung nicht mehr verwirklicht werden kann; unter diesen Bedingungen kann die Berechnung des tariflichen Urlaubsanspruchs nur pro-rata-temporis (zeitanteilig) erfolgen.

 

Normenkette

BGB § 249 Abs. 1, § 275 Abs. 1, 4, § 280 Abs. 1, 3, § 283 S. 1, § 286 Abs. 1, § 287 S. 2; TVöD § 26 Abs. 1 S. 4, Abs. 2; BUrlG § 7 Abs. 3; TzBfG § 4 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 24.02.2015; Aktenzeichen 7 Ca 401/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.03.2017; Aktenzeichen 9 AZR 7/16)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kn. Villingen-Schwenningen - vom 24.02.2015 - 7 Ca 401/14 - abgeändert.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Urlaubskonto der Klägerin zwei Tage Urlaub gutzuschreiben.
  3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anzahl der der Klägerin für das Jahr 2013 zustehenden Urlaubstage.

Die am 0.0.1958 geborene Klägerin ist bei der beklagten Stadt seit 29. Juli 1992 als Erzieherin tätig. Sie ist teilzeitbeschäftigt und verdient monatlich durchschnittlich € 2.443,00 brutto.

Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes kraft beidseitiger Tarifbindung Anwendung. § 26 TVöD regelt:

"§ 26 Erholungsurlaub

(1) Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

...

Nach dem vollendeten 40. Lebensjahr 30 Arbeitstage.

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, dass im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungs...

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