Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung des Betriebsrats bei organisatorischer Einplanung eines Mitarbeiters zur Verwirklichung des arbeitstechnischen Betriebszwecks durch auswärtige Steuerung über elektronische Kommunikationsmittel. Aufhebung einer ohne Zustimmung des Betriebsrats erfolgten Einstellung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Bei unternehmensübergreifenden Matrixstrukturen kann allein die organisatorische Maßnahme der Bestellung eines Mitarbeiters zum Vorgesetzten zur Eingliederung des Vorgesetzten in den Betrieb führen, dem die Mitarbeiter zugeordnet sind, die dieser Vorgesetzte zu führen hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Vorgesetzten eine Arbeitsaufgabe im Konzern zugewiesen ist, die zumindest teilweise dem arbeitstechnischen Zweck, der in diesem Betrieb verfolgt wird, zu dienen bestimmt ist.

2) Ob ein solcher Vorgesetzter leitender Angestellter ist, ist unternehmensbezogen zu ermitteln und nicht konzernbezogen.

 

Normenkette

BetrVG § 99 Abs. 1, § 101 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 12.11.2013; Aktenzeichen 7 BV 80/13)

 

Tenor

  1. Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 12.11.2013 (7 BV 80/13) wird zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur Aufhebung einer Einstellung.

Der Beteiligte Ziffer 1 ist der im Betrieb S. der Beteiligten Ziffer 2 gebildete Betriebsrat.

Bei der Beteiligten Ziffer 2 handelt es sich um eine der deutschen Gesellschaften des A.-Konzerns, deren Hauptanteilseignerin die französische A. SE ist. Der A.-Konzern ist ein internationaler Anbieter von IT-Dienstleistungen. Der Konzernjahresumsatz beträgt fast 9 Milliarden Euro. Im Konzern werden weltweit über 76.000 Mitarbeiter beschäftigt, davon allein 10.000 Mitarbeiter in Deutschland. Als weiteres größeres deutsches Unternehmen des A.-Konzerns existiert neben der Beteiligten Ziffer 2 die 2011 übernommene und aus der vormaligen S. GmbH entstandene AIS GmbH (nachfolgend: AIS). Sowohl die Beteiligte Ziffer 2 als auch die AIS unterhalten in Deutschland mehrere Betriebe unter anderem jeweils in M. und in S.. Die M. Betriebe der Beteiligten Ziffer 2 und der AIS befinden sich am selben Standort. Die S. Betriebe haben unterschiedliche Standorte. Die Beteiligte Ziffer 2 beschäftigt in Deutschland ca. 4.000 Mitarbeiter, davon wiederum 98 Mitarbeiter im Betrieb S.. Die AIS beschäftigt deutschlandweit ca. 2.000 Mitarbeiter. In beiden Unternehmen ist jeweils ein Gesamtbetriebsrat gebildet.

Es war geplant, die Beteiligte Ziffer 2 mit der AIS bereits mit Wirkung zum 01.01.2014 miteinander zu verschmelzen. Aus steuerlichen Gründen wurde die Verschmelzung jedoch verschoben und soll nun voraussichtlich 2016 erfolgen. Im Vorgriff auf diese Planung treten die Beteiligte Ziffer 2 und die AIS aber bereits seit 01.07.2011 auf dem Markt gegenüber ihren Kunden nur noch unter einer einheitlichen Marke (A.) auf. Die beiden obersten Führungsebenen in beiden Unternehmen (nach dem internem Sprachgebrauch: Führungsebenen N-1 und N-2) sind von denselben Personen besetzt und nehmen die jeweiligen Managementaufgaben in beiden Unternehmen wahr. Wegen der engen Verzahnung der Aktivitäten der beiden rechtlich verschiedenen, inhaltlich aber eng verbundenen Unternehmen nehmen auch zahlreiche weitere Führungskräfte des unteren und mittleren Managements Aufgaben für beide Gesellschaften wahr. Das gemeinsame Auftreten erfolgt über eine Group Business Unit (GBU-GER) genannte virtuelle Organisationseinheit, die jedoch die gesellschaftsrechtlichen Strukturen der beiden beteiligten Unternehmen unverändert lässt. Innerhalb dieser GBU-GER wurden für die einzelnen Dienstleistungszweige diverse (ebenfalls virtuelle) sogenannte Service Lines gebildet. Ca. 6.500 Mitarbeiter aus unterschiedlichen Betrieben beider Unternehmen sind über solche Service Lines unternehmensübergreifend tätig. Sie arbeiten in Teams an gemeinsamen Projekten. Sie bleiben jedoch ihren jeweiligen Betrieben zugehörig. Die bedeutendsten Service Lines sind die Service Line System Integration (SI) und die Service Line Managed Services (MS).

Die Leitung der Beteiligten Ziffer 2 und auch der AIS in unternehmerischer Hinsicht erfolgt durch den (personenidentischen) Geschäftsführer und CEO Herrn H., sowie durch ein sogenanntes "Operational Board", welches einmal wöchentlich zusammentritt und die strategischen Entscheidungen für das Unternehmen trifft. Diesem gehören neben dem Geschäftsführer einzelne Führungskräfte diverser Service Lines an, die der Hierarchieebene N-2 zugeordnet sind. Unterstützt wird dieses "Operational Board" durch ein sogenanntes "Management Board", welchem auch die übrigen Führungskräfte der Hierarchieebene N-2 angehören. Dieses tritt einmal im Quartal zusammen.

Die Beteiligte Ziffer 2 schloss mit ihrem Gesamtbetriebsrat und mit den 17 örtlichen Betriebsräten aus Anlass dieses virtuellen Zusammenführungsprozesses unter dem 19.12.2011 eine "Gesamtbetriebsvereinbarung zu...

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