Entscheidungsstichwort (Thema)

Überwachung der fachlichen Eignung der mit der Durchführung der betrieblichen Ausbildung beauftragten Person durch den Betriebsrat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem Betriebsrat obliegt die ihm von § 98 Abs. 2 BetrVG anvertraute Überwachung der fachlichen Eignung einer mit der Durchführung der betrieblichen Berufsbildung beauftragten Person eigenständig. An eine Bejahung der fachlichen Eignung durch die Industrie- und Handelskammer sind weder er noch die Gerichte für Arbeitssachen gebunden.

2. Die fachliche Eignung iSv. § 98 Abs. 2 BetrVG eines Ausbilders iSv. § 28 Abs. 2 BBiG richtet sich nach § 30 BBiG. Der Ausbilder muss unter anderem die beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, die für die Vermittlung der Ausbildungsinhalte erforderlich sind.

3. Die eigene Ausbildung des Ausbilders betrifft eine "entsprechende Fachrichtung" iSv. § 30 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, wenn sie dem Ausbildungsberuf, für den er ausbilden soll, inhaltlich so weit angenähert ist, dass davon auszugehen ist, dass der Ausbilder auch die berufliche Handlungsfähigkeit dieses Ausbildungsberufs vermitteln kann.

4. Eine dem Ausbilder eines ausbildenden Unternehmens teilweise fehlende fachliche Eignung kann durch eine Verbundausbildung iSv. § 10 Abs. 5 BBiG nicht kompensiert werden, wenn nicht geregelt ist, für welchen Ausbildungsabschnitt das andere Verbundunternehmen statt des ausbildenden Unternehmens die Verantwortlichkeit trägt, und wenn nicht in dem anderen Verbundunternehmen ein insoweit fachlich geeigneter weiterer Ausbilder für das Ausbildungsverhältnis bestellt ist.

5. Eine Vernachlässigung der Aufgaben einer mit der Durchführung der betrieblichen Berufsbildung beauftragten Person iSv. § 98 Abs. 2 BetrVG liegt vor, wenn der Aufgabenträger seine Aufgaben nicht mit der erforderlichen Gewissenhaftigkeit ausführt und deshalb zu befürchten ist, dass die Auszubildenden das Ziel der Ausbildung nicht erreichen, ohne dass es auf Verschulden des Aufgabenträgers ankommt.

6. Der Tatbestand der Vernachlässigung der Aufgaben eines Ausbilders iSv. § 98 Abs. 2 BetrVG ist zu bejahen, wenn der Ausbilder ohne sachlich vertretbaren Grund von einem vorhandenen betrieblichen Ausbildungsplan abweicht oder wenn er seiner Tätigkeit keinen vollständigen, nachvollziehbaren Ausbildungsplan zugrunde gelegt und nicht nachweisbar ist, dass aus besonderen Gründen kein Plan erforderlich war, um das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit zu erreichen.

7. Allein der Umstand, dass in einem Betrieb bisher alle Auszubildenden die Prüfung überhaupt bestanden haben, schließt nicht aus, dass eine das Ausbildungsziel gefährdende Vernachlässigung der Aufgaben des Ausbilders iSv § 98 Abs. 2 BetrVG vorliegt.

 

Normenkette

BetrVG § 98 Abs. 2, 5, § 2 Abs. 2; BBiG § 5 Abs. 1 Nr. 4, § 10 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 16.11.2016; Aktenzeichen 6 BV 2/16)

 

Tenor

  1. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 16.11.2016 - 6 BV 2/16 - abgeändert.

    Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, die Abberufung des Herrn Y. X. als Ausbilder für die gewerblichen Auszubildenden durchzuführen.

  2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

Der zu 1 beteiligte Betriebsrat will mit dem vorliegenden Beschlussverfahren erreichen, dass das Gericht der zu 2 beteiligten Arbeitgeberin aufgibt, die Abberufung des mit der Durchführung der betrieblichen Berufsbildung beauftragten Mitarbeiters durchzuführen.

Die Beteiligte zu 2 (künftig: Arbeitgeberin) entwickelt und produziert Lagertechnikfahrzeuge im Schmalgang- und Hochregalbereich.

Der Beteiligte zu 1 ist der im Betrieb R./M. (350 Arbeitnehmer) gewählte neunköpfige Betriebsrat (künftig: Betriebsrat). Bei der Arbeitgeberin werden Auszubildende in den Berufsbildern Industriekauffrau, Mechatroniker, Fachkraft für Metalltechnik (in der Ausprägung Konstruktionstechnik) und Industriemechaniker im sogenannten R. Modell ausgebildet. Zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung (16.11.2016) gab es 16 Auszubildende. Diese verteilten sich folgendermaßen auf die Berufsbilder: Industriekauffrau (2), Mechatroniker (7), Fachkraft für Metalltechnik (4) und Industriemechaniker im R. Modell (3). Ein Teil der betrieblichen Ausbildung findet im Verbund mit einem anderen Unternehmen, der Firma W. (ebenfalls in R.), bei diesem Unternehmen statt. So werden beispielsweise diejenigen Auszubildenden der Arbeitgeberin, die zu Mechatronikern ausgebildet werden, im mechanischen Teil des Berufsbilds bei der Firma W. ausgebildet, im elektronischen Teil bei der Arbeitgeberin.

Herr X. wurde aufgrund krankheitsbedingten Ausfalls des vorherigen Ausbilders im September 2014 zunächst vorübergehend, ab dem 01.01.2015 kommissarisch, mit der Aufgabe der Ausbildung der gewerblichen Auszubildenden betraut. Er ist ausgebildeter Elektroinstallateur und hat die Ausbildereignungsprüfung erfolgreich abgeschlossen. Auf das Prüfungszeugnis vom 23.08.1988 wird Bezug genommen (Anlage AG 3, Bl. 171 Arb...

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