Unter denjenigen, die im Kreis der sozialen Auswahl übrig bleiben, ist der zu entlassen, den die Kündigung am wenigsten hart trifft.

§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG lautet seit dem 1.1.2004:

"Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben."

Dies entspricht bis auf die zusätzliche Berücksichtigung der Schwerbehinderung der früheren gesetzlichen Regelung vom 1.10.1996 bis 1.1.1999.

Die Regelung dient der Rechtssicherheit, weil sie für den Arbeitgeber die Ungewissheit beendet, welche sozialen Gesichtspunkte im Kündigungsrechtsstreit Berücksichtigung finden. Der Arbeitgeber ist allerdings nicht gehindert, zur Vermeidung unbilliger Härten im Einzelfall zusätzliche Momente bis zur Grenze der ausreichenden Beachtung der 4 Grundkriterien zu berücksichtigen, er muss dies aber nicht.[1]

Die 4 gesetzlichen Sozialkriterien, wobei es zumindest bei den ersten 3 keinen generellen und absoluten Vorrang gibt, sind:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit:

    Je länger das Arbeitsverhältnis dauert, umso mehr richtet sich der Arbeitnehmer darauf ein und vertraut auf dessen Fortbestand. Dem soll bei der Sozialauswahl nach dem Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen werden. Daraus ergibt sich wiederum, dass trotz des missverständlichen Wortlauts der Begriff der Betriebszugehörigkeit nicht die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Betrieb, sondern die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber bzw. dessen Rechtsvorgänger meint. Das Gesetz selbst hat dieses Kriterium bei der Bemessung einer Abfindung besonders berücksichtigt (§ 1a Abs. 2 sowie § 10 Abs. 2 KSchG).[2] Daraus ergibt sich zugleich, dass diesem Kriterium – obgleich grundsätzlich gleichrangig – tendenziell ein stärkeres Gewicht als dem Lebensalter zukommt.[3]

    Bei der Betriebszugehörigkeit sind auch Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses (Wehrdienst, Zivildienst) zu berücksichtigen, da das Arbeitsverhältnis in dieser Zeit fortbesteht.

    War das Arbeitsverhältnis in der Vergangenheit unterbrochen, werden die früheren Zeiten nur mitberücksichtigt, wenn sie auch bei der Ermittlung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG mitzuberücksichtigen wären.

  • Lebensalter des Arbeitnehmers:

    Dieses (meist unproblematische) Kriterium ist ebenfalls gleichrangig zu berücksichtigen.

  • Bestehende Unterhaltsverpflichtungen:

    Unter Unterhaltspflichten sind aus Gründen der Rechtssicherheit die gesetzlichen Unterhaltspflichten im Familienverband und bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft zu verstehen. Die dadurch für den Arbeitnehmer bestehenden Belastungen sind bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen. Wenn mehrere Personen auf das Einkommen einer Person angewiesen sind, trifft ein Einkommensausfall besonders hart und verdient damit besondere Berücksichtigung. Das bedeutet aber, dass die Unterhaltspflicht gegenüber einem Ehepartner nicht berücksichtigt wird, wenn dieser seinen Unterhalt durch eigene Einkünfte selbst bestreiten kann. Dafür dürfte jedoch eine geringfügige oder Halbtagsbeschäftigung grds. nicht ausreichen. Im Hinblick auf die bis 31.12.1998 geltende Formulierung "Unterhaltspflichten" vertritt Etzel[4] zu Recht die Auffassung, es komme auf die Anzahl der Personen und die Höhe der Unterhaltsleistungen an.

  • Schwerbehinderteneigenschaft:

    Dieses Kriterium wurde neu aufgenommen. Dies deshalb, weil wie oben dargestellt, der schwerbehinderte Mensch im ersten Schritt der Sozialauswahl dann in den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer aufzunehmen ist, wenn die Zustimmung des Integrationsamtes nach § 168 SGB IX zur beabsichtigten Kündigung vorliegt. Man war der Auffassung, aus verfassungsrechtlichen Gründen (Sozialstaatsprinzip) sei dann eine Berücksichtigung bei Sozialkriterien erforderlich. Dies erscheint im Hinblick auf die eingeschränkte Ermessensentscheidung des Integrationsamtes nach § 172 SGB IX sachgerecht. Abgestellt wird allein auf das Vorliegen der Schwerbehinderung, sodass es auf eine förmliche Feststellung nach § 152 SGB IX nicht ankommt. Bei einem Grad von unter 50 % ist jedoch die förmliche Feststellung der Gleichstellung nach § 152 SGB IX erforderlich. Da die Schwerbehinderung als sozialer Gesichtspunkt im Rahmen der Kündigung zu berücksichtigen ist, hat eine weitere Berücksichtigung im Zustimmungsverfahren nach § 168 SGB IX nicht zu erfolgen.[5] Eines entsprechenden Schutzes bei der schwangeren Frau bedarf es nicht, weil § 17 Abs. 2 MuSchG die Zulässigerklärung des Gewerbeaufsichtsamtes als echte Ausnahme gestaltet.

    Ob der Schwerbehinderteneigenschaft das gleiche Gewicht zukommt, wie den anderen o. g. Kriterien, ist frag...

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