"In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt."

Dies entspricht der früheren gesetzlichen Regelung vom 1.10.1996 bis 1.1.1999. Nach der bisherigen Regelung konnten nur dann bestimmte Arbeitnehmer aus dem Kreis der Vergleichbaren herausgenommen werden, wenn "berechtigte betriebliche Bedürfnisse" die Weiterbeschäftigung dieser Arbeitnehmer "bedingten". Aus diesen Worten "betriebliche Bedürfnisse" und "bedingen" wurde gefolgert, dass die Weiterbeschäftigung der betreffenden Arbeitnehmer zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Betriebsablaufs oder zur Leistungsfähigkeit des Betriebs notwendig sein müsse.

Diese engen Voraussetzungen sind nunmehr entfallen. Der Arbeitgeber hat jetzt (wieder) die Möglichkeit, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, ohne dass die Leistungsfähigkeit des Betriebs beeinträchtigt werden muss. Unerfreulich ist allerdings in diesem Zusammenhang, dass die Regierungsbegründung davon spricht, diese Voraussetzungen lägen "insbesondere" vor, wenn die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers unter den genannten Voraussetzungen "notwendig" sei. Vom Wortlaut der Änderung ist aber gerade nicht die "Notwendigkeit" der Weiterbeschäftigung entscheidend, sondern das "berechtigte betriebliche Interesse".

Nachdem die Vorschrift schon einmal Gesetz war, kann zu ihrer Interpretation auch die alte Kommentierung und sogar vereinzelte Rechtsprechung hinzugezogen werden.

Nach der Entscheidung des BAG[1] hat der Arbeitgeber für das Vorliegen der Tatbestandskriterien die Darlegungs- und Beweislast.

Mit den nicht abschließend aufgezählten Begriffen "Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen" werden die sogenannten Leistungsträger des Betriebs erfasst. Hierbei ist zu beachten, dass es nur um Leistungsträger auf vergleichbaren Arbeitsplätzen geht. Soweit der Arbeitsplatz ein anderes Anforderungsprofil aufweist, das diese besonderen Anforderungen verlangt, liegt grds. schon keine Vergleichbarkeit vor, weshalb eine Sozialauswahl bereits im ersten Schritt scheitert. Als besondere Kenntnisse im Sinne der Vorschrift kommen z. B. erweiterte Kenntnisse nach Teilnahme an Schulungen, Sprachkenntnisse oder Kenntnisse, die durch langjährige Berufserfahrung erworben wurden, in Betracht. Fähigkeiten betreffen die Eignung des Arbeitnehmers, die vertraglich übernommenen Aufgaben zu erfüllen. Besondere Fähigkeiten im Sinne der Vorschrift sind besondere fachliche Qualifikationen für die Durchführung u. U. nur selten anfallender Spezialarbeiten, vielseitige Verwendbarkeit, Fähigkeit zur Wahrnehmung von Führungsaufgaben oder zur Lösung von Konflikten unter den Arbeitskollegen. Zu den Fähigkeiten zählt auch die körperliche Eignung. Das bedeutet, dass bei einer erheblich geringeren Krankheitsanfälligkeit[2] bestimmter Arbeitnehmer deren Weiterbeschäftigung im betrieblichen Interesse liegen kann. Leistungen beziehen sich auf den Umfang und die Güte der erledigten Arbeit. Besondere Leistungen im Sinne der Vorschrift liegen vor, wenn ein Arbeitnehmer wesentlich leistungsstärker ist als der gekündigte Arbeitnehmer.

Streitig ist, was der Gesetzgeber mit dem Begriff der "Personalstruktur" meint. Etzel[3] versteht darunter die Zusammensetzung der Belegschaft nach jeweils bestimmten Eigenschaften, wie z. B. nach Alter, Leistung, bestimmten Verhaltensweisen (Pflichtverletzungen), nach Fehlzeiten, nach dem Geschlecht. Preis[4] vertritt die Auffassung, der Gesetzgeber könne damit nur eine Altersstruktur meinen, was man dann auch so im Gesetz benennen solle. Es gehe darum, "kontraproduktive Effekte der Sozialauswahl hinsichtlich der Altersstruktur der Betriebe zu vermeiden. Der Betrieb solle nach einer betriebsbedingten Kündigung nicht schlechter stehen als vorher." In seinem Urteil vom 23.11.2000[5] zur inhaltlich gleichen Regelung verwies das BAG darauf, dass insbesondere bei Massenentlassungen die soziale Auswahl nach Sozialkriterien dazu führen könne, dass sich die bisherige Personalstruktur nachhaltig verschlechtere. Vor allem die betriebliche Altersstruktur ändere sich in der Regel durch eine Sozialauswahl nach den Sozialkriterien des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Ohne die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ließe sich bei Kündigung eines erheblichen Teils der Arbeitnehmerschaft eine "den berechtigten betrieblichen Interessen zuwiderlaufende Überalterung der Belegschaft kaum vermeiden".

Die Diskrepanz zu § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO fällt auf. Jene Regelung spricht bei der betriebsbedingten Kündigung durch den Insolvenzverwalter davon, dass eine ausgewogene Personalstruktur "erhalten oder geschaffen" werde, während hier nur von "Sicherung" die Rede ist. Nach Löwisch[6] muss geklärt werden, ob das Gleiche gemeint ist oder nicht. Bauer[7] verlangt, dass es bei der ausgewogenen Personalstruktur auch um die ...

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