Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung ist der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Danach kommt eine Kündigung in Betracht, wenn bei Ausspruch der Kündigung aufgrund einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Prognose davon auszugehen ist, dass zum Zeitpunkt des Kündigungstermins eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr besteht.[1] Damit wird dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt, auf zukünftige Entwicklungen schon jetzt zu reagieren und das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Prognoseentscheidung zu beenden.

 
Praxis-Beispiel

Beim Reinigungsunternehmen R läuft ein Reinigungsauftrag für eine Medizinische Hochschule Ende Juni aus. R beteiligt sich an der Neuausschreibung. Im Februar kündigt R vorsorglich die Arbeitsverhältnisse einiger älterer in der Medizinischen Hochschule eingesetzten Arbeitnehmer zum 30.6. Bei Ausspruch der Kündigung war die Neuvergabe noch offen. Bei Abwarten der Entscheidung hätte wegen längerer Kündigungsfristen diesen Arbeitnehmern nicht mehr rechtzeitig zum 30.6. gekündigt werden können. Für den Fall der Verlängerung des Reinigungsauftrags wurde die Wiedereinstellung zugesagt.

Hier war zum Kündigungszeitpunkt eine Prognose noch nicht möglich. Eine "Vorratskündigung" ist sozial nicht gerechtfertigt. Der Zwang zur Einhaltung längerer Kündigungsfristen rechtfertigt keine andere Beurteilung.[2]

Besteht allerdings in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber mit dem Wegfall des bisherigen Beschäftigungsbedürfnisses rechnen muss, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu gleichen oder zumutbaren geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen Arbeitsplatz, so kann der Arbeitgeber diese nicht dadurch zunichte machen, dass er die freie Stelle zunächst besetzt und erst dann die Kündigung ausspricht.

Im Fall eines bevorstehenden Teilbetriebsübergangs weiß der Arbeitgeber, dass das Beschäftigungsbedürfnis für die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer entfallen wird, falls sie von ihrem Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB Gebrauch machen. Da das Widerspruchsrecht an keine besonderen Gründe gebunden ist, muss der Arbeitgeber grundsätzlich jedenfalls ab dem Zeitpunkt mit dem Widerspruch rechnen, in dem er den Arbeitnehmer gemäß § 613a Abs. 5 BGB von dem bevorstehenden Betriebsübergang unterrichtet.

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitgeber hat die betroffenen Arbeitnehmer am 18.1.2004 mündlich und am 21.1.2004 schriftlich von einem bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Mit Schreiben vom 11.2.2004 widersprach Arbeitnehmer A dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses, weil er bei seinem Arbeitgeber weiterbeschäftigt werden könne. Zum 25.1.2004 hatte der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer eingestellt, auf dessen neu besetzten Arbeitsplatz A hätte beschäftigt werden können.

Hier wäre eine Kündigung des A sozial ungerechtfertigt.[3]

Entfallen die betrieblichen Gründe nach Zugang der Kündigung, z. B. wegen Verbesserung der Auftragslage, Wegfall der Stellenstreichung, Betriebsfortführung durch einen Erwerber bei ursprünglich beabsichtigter Stilllegung des Betriebs, – so bleibt die Kündigung dennoch wirksam.[4] Aufgrund einer nachwirkenden Fürsorgepflicht des Arbeitgebers besteht jedoch ein Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. Wiedereinstellung.[5] Dieser Wiedereinstellungsanspruch besteht jedoch nicht uneingeschränkt. Er unterliegt einer zeitlichen wie inhaltlichen Grenze. Die zeitliche Höchstgrenze ist der Ablauf der Kündigungsfrist.[6] Inhaltlich besteht ein Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nur, wenn unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles die schutzwerten Interessen des Arbeitnehmers, die des Arbeitgebers überwiegen.[7] Dies wäre zu verneinen, falls der Arbeitgeber in gutem Glauben an den Fortbestand der Kündigungsgründe bereits anderweitige Dispositionen über den Arbeitsplatz getroffen hat, wie etwa die Neubesetzung oder Wegrationalisierung des Arbeitsplatzes während der Kündigungsfrist. Der Arbeitgeber darf aber durch die Neubesetzung nicht den Wiedereinstellungsanspruch treuwidrig vereiteln.[8] Der Arbeitgeber ist insoweit darlegungs- und beweispflichtig. Auch externe Faktoren können dem Wiedereinstellungsanspruch entgegenstehen. Das BAG benennt hier ausdrücklich das Beispiel, dass nach einer beabsichtigten Stilllegung ein potenzieller Betriebsübernehmer die Fortführung des Betriebs von Rationalisierungsmaßnahmen oder Änderungen der Arbeitsbedingungen abhängig macht.[9] Damit hat es ein potenzieller Übernehmer in der Hand, Wiedereinstellungsansprüche abzuwehren. Hierauf wird sich die Praxis bald einstellen. Übernahmeangebote werden in der Zukunft regelmäßig wohl nur noch unter Rationalisierungsvorbehalt abgegeben werden.[10]

Ein weiterer Fall, der einen Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis begründen kann, ist der, wenn sich vor Ablauf der Kündigungsfrist herausstellt, dass ein Betrieb oder Betriebsteil entgegen der ursprünglichen Planung nicht stillgelegt, sondern von einem neuen...

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