Von entscheidender Bedeutung ist hier das kirchliche Selbstbestimmungsrecht. Es ermöglicht den Kirchen, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und die spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer verbindlich festzulegen. Dabei haben die Arbeitsgerichte die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde zu legen, wobei es den Kirchen überlassen ist, verbindlich zu bestimmen, was "die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündung erfordert", was "spezifisch kirchliche Aufgaben" sind, was "Nähe" zu ihnen bedeutet, welches die "wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre" sind und was als – ggf. schwerer – Verstoß gegen sie anzusehen ist. Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine Abstufung der Loyalitätspflichten eingreifen soll, ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit.[1]

In folgenden Fällen wurde eine soziale Rechtfertigung einer Kündigung bejaht:

  1. Heirat eines geschiedenen Mannes mit der katholischen Leiterin eines katholischen Pfarrkindergartens.[2]
  2. Heirat eines nicht laisierten katholischen Priesters mit der Leiterin eines Pfarrkindergartens an der katholischen Kirchengemeinde.[3]
  3. Verschweigen des Kirchenaustritts bei der Einstellung einer Fachlehrerin für Gymnastik und Textilgestaltung an einer katholischen Privatschule in kirchlicher Trägerschaft.[4]
  4. Heirat einer geschiedenen katholischen Arbeitnehmerin, die in einer Caritas-Geschäftsstelle zu einem nicht unerheblichen Teil ihrer Tätigkeit unmittelbar caritative Aufgaben wahrnimmt.[5]
  5. Im außerdienstlichen Bereich ausgeübte homosexuelle Praxis eines im Dienst des diakonischen Werks einer evangelischen Landeskirche stehenden im Bereich der Konfliktberatung eingesetzten Arbeitnehmers.[6]
  6. Heirat eines geschiedenen Mannes mit einer an einem katholischen Missionsgymnasium beschäftigten katholischen Lehrerin.[7]
  7. Austritt aus der katholischen Kirche eines an einem katholischen Krankenhaus beschäftigten Assistenzarztes.[8]
  8. Austritt eines Mitarbeiters aus der katholischen Kirche, der bei einer von einem katholischen Caritasverband getragenen Kinderbetreuungsstätte als Sozialpädagoge tätig war.[9]

Demgegenüber hat das BAG offen gelassen, ob der Kirchenaustritt eines bei einer kirchlichen Einrichtung beschäftigten Arbeitnehmers auch dann eine kündigungsrechtlich relevante Verletzung der Loyalitätspflicht darstellt, wenn der Arbeitnehmer Tätigkeiten wahrnimmt, die keine Nähe zu spezifisch kirchlichen Aufgaben aufweisen (hier: Buchhalter in einem katholischen Jugendheim).[10]

Auch hier gilt: Kündigungsrecht ist Einzelfallbetrachtung. Im Rahmen einer Interessenabwägung fragt das BAG mittlerweile auch im Bereich der kirchlichen Selbstbestimmung, ob dem Arbeitgeber unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Auch bei Kündigungen wegen Enttäuschung der berechtigten Loyalitätserwartungen eines kirchlichen Arbeitgebers kann die stets erforderliche Interessenabwägung im Einzelfall zu dem Ergebnis führen, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zumutbar und die Kündigung deshalb unwirksam ist. Abzuwägen sind das Selbstverständnis der Kirchen einerseits und das Recht des Arbeitnehmers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens andererseits.[11] So hat das BAG im Fall eines wiederverheirateten Chefarztes die Wirksamkeit der Kündigung wegen Verstoßes gegen das AGG scheitern lassen.[12] Die Kirche hatte in diesem Fall insbesondere auch andere, nicht katholische wiederverheirate Chefärzte mehrfach beschäftigt und auch keine Maßnahmen ergriffen, nachdem sie von dem nicht ehelichen Zusammenleben des Klägers mit seiner späteren Frau erfahren hatte.

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