Eine Kündigung wegen Krankheit ist bei einer nur symptomlosen Infektion nicht gerechtfertigt, denn in diesem Stadium ist die Arbeitsfähigkeit nicht herabgesetzt. Eine Ausnahme kann allenfalls dann bestehen, wenn aufgrund besonderer Umstände der Tätigkeit bereits jetzt schon Übertragungsgefahr, die sich nicht durch Schutzmaßnahmen abwenden lässt, vorliegt.

Dabei sind die Anforderungen aber hoch: Das Bundesarbeitsgericht sieht selbst in symptomlosen HIV-Infektion eine Behinderung i. S. d. §§ 1, 7 AGG und begründet das mit dem weiten Behinderungsbegriff in § 2 SGB IX und in diesem Zusammenhang damit, dass das mit einer HIV-Infektion verbundene Vermeidungsverhalten der Umgebung des Infizierten und die damit verbundene immer noch vorhandene Stigmatisierung die Merkmale einer Behinderung – nämlich insbesondere die Einschränkung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben – erfüllt.[1] Auf eine Anerkennung als behinderter Mensch oder die Feststellung eines Grads der Behinderung kommt es nicht an.

Eine Kündigung ist deshalb bereits dann sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam, weil sie gegen die Wertungen des § 7 Abs. 1 AGG als eine Benachteiligung verstößt, wenn der Arbeitgeber die Beschäftigung des symptomlos HIV-infizierten Mitarbeiters nicht durch geeignete Schutzmaßnahmen ermöglichen kann. Das BAG verlangt vom Arbeitgeber unter Berufung auf die UN- Behindertenrechtskonvention, dass er mögliche angemessene Schutzmaßnahmen ergreift, die eine Übertragung sicher ausschließen. Ein "Restrisiko" braucht der Arbeitgeber nicht in Kauf zu nehmen.

Zur Frage, was für den Arbeitgeber zumutbare Maßnahmen sind, hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass es sich um "wirksame und praktikable, den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belastende Maßnahmen" handeln muss. Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Kosten und ggf. zu veranlassenden Maßnahmen kommt es neben der Finanzkraft des Arbeitgebers und der Frage, ob er öffentliche Mittel in Anspruch hätte nehmen können, darauf an, wie lange der Arbeitnehmer bereits beschäftigt ist und dass der Arbeitgeber für seine Behinderung nicht verantwortlich ist. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verlangt nicht, dass die Einstellung und Beschäftigung eines Behinderten für den Arbeitgeber zum "Zuschussgeschäft" wird.[2]

Eine personenbedingte Kündigung wegen Ansteckungsgefahr kommt nur in Betracht, wenn die übertragene Tätigkeit mit einer Verletzungsgefahr verbunden ist, etwa bei medizinischen Arbeiten. Sofern einer – wenn auch nur geringen – Ansteckungsgefahr durch Schutzmaßnahmen nicht wirksam begegnet werden kann, ist eine personenbedingte Kündigung wegen der Gefährlichkeit dieser Krankheit gerechtfertigt.

In der 2. und 3. klinischen Phase kommt es zunächst zu Infektionen, die jeweils zu krankheitsbedingten kurzzeitigen Fehlzeiten führen. In diesem Stadium ist nun eine negative Gesundheitsprognose gegeben. Wie lange diese Fehlzeiten dem Arbeitgeber zumutbar sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die dargelegten Grundsätze zur krankheitsbedingten Kündigung finden uneingeschränkt Anwendung. Durch die Entwicklung effizienter Medikamente, die den Ausbruch der Erkrankung mildern, ist eine krankheitsbedingte Kündigung nicht immer erforderlich.

Falls Arbeitskollegen oder Kunden aus irrationalen Ängsten heraus die Entlassung eines AIDS-infizierten Arbeitnehmers verlangen und für den Fall der Weigerung mit für den Betrieb nachteiligen Maßnahmen drohen, kommt eine Druckkündigung in Betracht. Der Arbeitgeber hat zunächst alles in seiner Macht Stehende zu versuchen, um die Drucksituation zu beseitigen. Scheitert dies und würden bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber unzumutbare Nachteile entstehen, kommt eine Kündigung in Betracht. Sollte jedoch der Arbeitgeber durch sein eigenes Verhalten – z. B. Bekanntgabe der AIDS-Infektion an Mitarbeiter – die Drucksituation verursacht haben, scheidet eine Kündigung aus.

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