Im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung ist zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls vom Arbeitgeber noch hinzunehmen sind oder ein solches Ausmaß erreicht haben, dass sie ihm nicht mehr zuzumuten sind.[1]

Aufseiten des Arbeitgebers sind insbesondere zu berücksichtigen: das Ausmaß der Auswirkungen der Fehlzeiten auf den Betrieb. Dabei fallen ins Gewicht z. B. die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb; Größe und wirtschaftliche Lage des Unternehmens; Umfang der Fehlzeiten; Einrichtung einer Personalreserve und deren Kosten; Umfang der zukünftig zu erwartenden Lohnfortzahlungskosten, wobei dem Grundsatz nach auch alleine das Entstehen von erheblichen Lohnfortzahlungskosten zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung führen kann.[2] Eine feste Grenze, wie viel insbesondere Entgeltfortzahlungskosten dem Arbeitgeber (noch) zuzumuten sind, gibt es nicht. Diese korrelieren insbesondere mit der Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen bisherigem Verlauf in Bezug auf krankheitsbedingte Ausfallzeiten.

Aufseiten des Arbeitnehmers ist die Ursache der Erkrankung zu berücksichtigen; ist die Erkrankung auf betriebliche Ursachen zurückzuführen, steigert sich das Ausmaß der Zumutbarkeit erheblich. Dabei muss der Arbeitnehmer lediglich detailliert vortragen, dass die Erkrankung mit der betrieblichen Arbeit zusammenhängt. Es ist dann Sache des Arbeitgebers darzulegen und zu beweisen, dass die Erkrankung mit der betrieblichen Tätigkeit nicht in Zusammenhang steht.

Insbesondere ist von Bedeutung, ob und wie lange das Arbeitsverhältnis zunächst ungestört verlaufen ist, vor allem ob der Arbeitnehmer erst nach langen Jahren häufiger in relevantem Ausmaß krank geworden ist, sowie das Alter, der Familienstand, Unterhaltsverpflichtungen oder eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers.

 
Praxis-Beispiel

Ein Arbeitnehmer war in den letzten 3 Jahren im Schnitt etwa 40 Arbeitstage pro Jahr bei voller Entgeltfortzahlung erkrankt. Er kann nichts dazu vorbringen, dass diese Fehlzeiten in der Zukunft weniger würden, sodass die Prognose auf der 2. Stufe ergibt, dass damit zu rechnen ist, dass er auch weiterhin 40 Arbeitstage entgeltfortzahlungspflichtig krank sein wird. Damit liegen erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen vor. Ob der Arbeitgeber diese auch in der Zukunft noch hinnehmen muss – sodass eine Kündigung unwirksam ist – oder nicht, hängt von weiteren Faktoren in der Interessenabwägung ab:

Der Arbeitnehmer (45 Jahre) ist seit 20 Jahren dort beschäftigt und war in den ersten 17 Jahren so gut wie nie krank – die Kündigung ist unwirksam, weil die Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers ausfällt.

Wie zuvor, aber der Arbeitnehmer ist in den vergangenen 12 Jahren in 8 Jahren mehr als 30 Tage bei Entgeltfortzahlungspflicht arbeitsunfähig gewesen – die Kündigung ist wirksam, weil das Arbeitsverhältnis seit vielen Jahren durch Entgeltfortzahlungskosten belastet ist (wegen der Besonderheiten von "unkündbaren" Mitarbeitern – siehe dort).

Der Arbeitnehmer ist erst seit 4 Jahren beschäftigt und 30 Jahre alt – die Kündigung ist wirksam.

Wie zuvor, aber die Fehlzeiten beruhen zur Hälfte auf den irreparablen Folgen eines Arbeitsunfalls im Betrieb – die Kündigung ist unwirksam.

Der Arbeitnehmer ist erst seit 4 Jahren beschäftigt und 55 Jahre alt – Grenzfall.

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