Der Kündigungsgrund ist nicht die Krankheit, auch nicht die krankheitsbedingte Ausfallzeit, sondern die daraus entstehenden betrieblichen Belastungen für den Arbeitgeber. Die aufgrund der negativen Gesundheitsprognose prognostizierten Fehlzeiten vermögen eine krankheitsbedingte Kündigung nur zu rechtfertigen, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Derartige Beeinträchtigungen können in Betriebsablaufstörungen oder in erheblichen wirtschaftlichen Belastungen oder in der unabsehbaren Dauer des Ausfalls bestehen.[1]

Betriebsablaufstörungen

Betriebsablaufstörungen können vielgestaltig sein. Sie sind sowohl bei den häufigen Kurzerkrankungen als auch bei Langzeiterkrankungen relevant. Beispiele hierfür sind Maschinenstillstand, Produktionsausfall, Nichtausführung der Arbeit, Unkalkulierbarkeit des Arbeitseinsatzes, zusätzlicher Arbeitsaufwand und Produktionsverlust durch die Neuverteilung der Arbeit, Leistungsverdichtung bei den Arbeitskollegen, die die Arbeit miterledigen, dadurch verursachte Unzufriedenheit, Verärgerung und Unruhe unter den Arbeitskollegen. Derartige Störungen eignen sich als Kündigungsgrund nur, wenn sie nicht durch mögliche Überbrückungsmaßnahmen vermieden werden können. Mögliche Überbrückungsmaßnahmen sind u. a. Einstellung einer Aushilfe, Einsatz eines Arbeitnehmers aus einer vorgehaltenen Personalreserve[2], Anordnung von Über- und Mehrarbeit. Der Arbeitgeber ist allerdings nicht verpflichtet, eine Personalreserve vorzuhalten. Gelingt es dem Arbeitgeber, durch Überbrückungsmaßnahmen Betriebsablaufstörungen zu vermeiden, so können die hierdurch entstehenden zusätzlichen Kosten bei den wirtschaftlichen Belastungen Berücksichtigung finden.

 
Hinweis

Ein typischer Fehler im Kündigungsschutzprozess bei einer Langzeiterkrankung ist, dass der Arbeitgeber nicht zuvor die Möglichkeiten von Überbrückungsmaßnahmen ausgelotet hat und auf Frage des Gerichts hierzu keine konkreten Angaben machen kann. Daher empfiehlt es sich, vor der Kündigung wegen Langzeiterkrankung immer bei der Agentur für Arbeit nach geeigneten Vertretungskräften für ein befristetes Arbeitsverhältnis (Sachgrund Krankheitsvertretung) zu fragen und die entsprechenden erfolglosen Bemühungen auch sorgfältig zu dokumentieren.

Unabsehbare Dauer der Erkrankung

Insbesondere bei einer lang andauernden Erkrankung kann allein eine Ungewissheit über die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit wie eine feststehende dauernde Arbeitsunfähigkeit eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen darstellen. Maßgeblich ist die zuletzt zugewiesene Tätigkeit (zur Frage des Anspruchs auf Zuweisung eines anderen leidensgerechten Arbeitsplatzes siehe Stichwort Betriebliches Eingliederungsmanagement S. 15 ff.). Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer bereits längere Zeit arbeitsunfähig ist und im Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit noch völlig ungewiss ist[3] oder in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann.[4]

Die krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfähigkeit, bei der der Arbeitnehmer dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, stellt grundsätzlich ebenfalls eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen dar. Hier braucht der Arbeitnehmer keine Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, weil diese sinnlos sind.

Wirtschaftliche Belastungen

Eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen kann sich auch aus einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers ergeben. In erster Linie sind zu nennen außergewöhnlich hohe Entgeltfortzahlungskosten, die jährlich für jeweils einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen aufzuwenden sind. Maßgeblich ist dabei ein vergangenheitsbezogener Referenzzeitraum von 3 Jahren.[5] Bei einem ordentlich unkündbaren Beschäftigten, wo ohnehin ein strenger Maßstab anzulegen ist, hat das BAG eine erhebliche wirtschaftliche Belastung bei zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten für durchschnittlich für mehr als ein Drittel der Arbeitstage pro Jahr bejaht. Bei den Entgeltfortzahlungskosten sind allerdings die Kosten, die auf einen Krankengeldzuschuss nach § 22 TVöD entfallen, nicht zu berücksichtigen.[6]

Diesen Kosten dürfen die gesetzlichen und tariflichen Personalzusatzkosten zugerechnet werden. Dabei lehnt es das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung ab, feste Grenzwerte festzulegen.

Sondervergütungen wie beispielsweise Zuschüsse zum Krankengeld, aber auch Leistungen, mit denen die erbrachte und/oder künftig zu erwartende Betriebstreue und nicht eine konkrete Arbeitsleistung honoriert werden soll, stellen als nach § 4a EFZG zu leistende Zahlungen nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts keine für die Kündigung relevante wirtschaftliche Belastung für den Arbeitgeber dar. Bei der Prüfung der wirtschaftlichen Belastung zieht das Bundesarbeitsgericht lediglich die Kosten der Entgeltfortzahlung gemäß §§ 3, 4 EFZG heran.[7]

Vielmehr ist jeweils auf die konkrete...

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