Bei Trunk- oder Drogensucht handelt es sich um eine Krankheit. Es gelten daher die Grundsätze der krankheitsbedingten Kündigung (vgl. unter 7.6). Diese Suchterkrankung als solche ist kein Kündigungsgrund, sondern die daraus entstehenden Folgen für das Arbeitsverhältnis wie z. B. Fehlzeiten, fehlende Einsetzbarkeit unter den konkreten betrieblichen Bedingungen (alkoholkranker Ergotherapeut in Suchtklinik[1]) auch unter Sicherheitsgesichtspunkten oder Fehlerhäufigkeit. Diese Folgen sind zu dokumentieren. Eine Kündigung ist nur möglich, wenn die Prognose hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Sucht negativ ausfällt (negative Zukunftsprognose). Dabei ist von besonderer Bedeutung die Bereitschaft des Arbeitnehmers zu einer Entziehungsmaßnahme. Weigert er sich oder hat er in jüngster Zeit an einer Entziehungskur ohne Erfolg teilgenommen oder diese abgebrochen, ist i. d. R. eine negative Zukunftsprognose gegeben, eine Kündigung daher sozial gerechtfertigt.[2] Erklärt der Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung, er sei nun bereit, an einer Entziehungskur teilzunehmen, vermag dies nichts mehr am Vorliegen der negativen Zukunftsprognose zu ändern. Maßgebend ist der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. In der gerichtlichen Praxis hat sich allerdings durchgesetzt, dass in solchen Fällen der Arbeitnehmer einen Entziehungsversuch hat. Im Hinblick auf die Notwendigkeit eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM), das jedenfalls bei Fehlzeiten durch die Suchterkrankung durchzuführen ist[3] vor Ausspruch einer Kündigung, ist die Therapiewilligkeit grundsätzlich vorab innerbetrieblich zu klären.

Erklärt sich hingegen der Arbeitnehmer vor Zugang der Kündigung bereit, an einer therapeutischen Maßnahme teilzunehmen, ist es im Regelfall geboten, den Erfolg dieser Maßnahme abzuwarten.

Ist dem Arbeitgeber die krankhafte Alkoholabhängigkeit nicht bekannt, darf er davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten steuern kann und eine Sucht nicht vorliegt. Trifft er den Arbeitnehmer während der Dienstzeit wiederholt alkoholisiert an, kann er nach vorheriger Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Trägt allerdings der Arbeitnehmer im anschließenden Kündigungsschutzprozess substantiiert vor, dass bei ihm eine Krankheit vorliegt, und entbindet er insoweit den Arzt von der Schweigepflicht, entfällt der disziplinäre Aspekt einer verhaltensbedingten Kündigung. Erklärt sich darüber hinaus der Arbeitnehmer noch zu einer Entziehungskur bereit, ist der Kündigung im Regelfall der Boden entzogen. Zur Eingrenzung des Prozessrisikos sollte der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung Ursachen und Ausmaß des Alkohol- oder Drogenmissbrauchs in einem Gespräch mit dem Arbeitnehmer aufklären. Weigert sich der Arbeitnehmer in diesem Gespräch, die Fragen des Arbeitgebers zu beantworten, empfiehlt sich eine betriebsärztliche Untersuchung (§ 3 Abs. 4 TVöD bzw. § 3 Abs. 5 TV-L). Allein die Weigerung zur Aufklärung rechtfertigt eine Kündigung nicht.

Merkpunkte Kündigung wegen Alkoholsucht

  1. Genaue Dokumentation der alkoholbedingten Auffälligkeiten des Arbeitnehmers. Alkoholtests auf Atemalkohol können mit Zustimmung des Arbeitnehmers durchgeführt werden. Weigert er sich, sind die Anzeichen für eine Alkoholisierung und die Weigerung zu dokumentieren.
  2. Gespräch mit Arbeitnehmer über Ursachen – wenn Arbeitnehmer Einsicht in Suchtkrankheit zeigt, verbindlich Therapiemaßnahmen vereinbaren.
  3. Bei fehlender Einsicht oder Unklarheit, ob Suchtkrankheit vorliegt: Abmahnungen aussprechen. Abzumahnen ist nicht die Alkoholisierung als solche, sondern die daraus entstehenden Folgen für die Tätigkeit. Die Zahl der erforderlichen Abmahnungen richtet sich nach der Schwere der betrieblichen Auswirkungen des Alkoholmissbrauchs.
  4. Bei erfolglosen Abmahnungen und ggf. weiteren erfolglosen Gesprächen: Kündigung – ggf. mit Wiedereinstellungsangebot –, wenn Therapie erfolgreich abgeschlossen wird.

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