6.6.2.1 Kündigung als Ultima Ratio

Unabhängig von der Art des Kündigungsgrundes gilt allgemein der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine Kündigung kommt nur als äußerstes Mittel dann in Betracht, wenn eine weniger einschneidende Maßnahme, wie z. B. Abmahnung, Versetzung, Änderungskündigung, nicht möglich oder unzumutbar ist. Der Arbeitgeber hat also vor Ausspruch der Beendigungskündigung zu prüfen, ob sich die Kündigung durch eine anderweitige Beschäftigung, u. U. zu schlechteren Arbeitsbedingungen, vermeiden lässt. Dabei ist eine anderweitige Beschäftigung dem Arbeitgeber nur zumutbar, wenn der Arbeitnehmer die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für die neue Tätigkeit aufweist oder sie zumindest in angemessener Zeit durch Umschulung oder Fortbildung erwerben kann. Liegt der Kündigungsgrund im Verhalten des Arbeitnehmers, braucht der Arbeitgeber eine anderweitige Beschäftigung nur anzubieten, wenn davon auszugehen ist, dass am neuen Arbeitsplatz die bisherigen Störungen und Belastungen vermieden werden. Dies ist insbesondere denkbar bei Unverträglichkeiten mit den Arbeitskollegen. Bei erheblichen Pflichtverstößen kann vom Arbeitgeber i. d. R. nicht verlangt werden, den Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen.

Voraussetzung für derartige Umsetzungen oder Versetzungen ist in jedem Fall, dass ein anderer freier Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Der Arbeitgeber braucht nicht etwa einen anderen Arbeitsplatz neu zu schaffen oder einen Arbeitsplatz auf einer unteren Ebene durch Kündigung eines anderen, vielleicht weniger sozial schutzbedürftigen Arbeitnehmers freizumachen. Auch braucht der Arbeitgeber keine freie Beförderungsstelle anzubieten.

6.6.2.2 Handlungsanleitung bei Vorhandensein eines freien zumutbaren Arbeitsplatzes

Dem Arbeitnehmer ist der freie Arbeitsplatz anzubieten. Ist das nach dem Arbeitsvertrag durch Weisung möglich, kann der Arbeitgeber – ggf. nach Beteiligung von Betriebs- oder Personalrat – diese Weisung erteilen und dem Arbeitnehmer einseitig den geänderten Arbeitsplatz zuweisen. Lässt der Arbeitsvertrag eine solche Weisung nicht zu, ist eine Änderungskündigung erforderlich. Im Vorfeld kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die einvernehmliche Änderung des Arbeitsverhältnisses anbieten. Das Änderungsangebot muss klar und eindeutig gefasst sein. Der Arbeitnehmer ist darauf hinzuweisen, dass im Ablehnungsfall eine Beendigungskündigung beabsichtigt ist. Des Weiteren ist ihm eine Überlegungsfrist von mehreren Tagen einzuräumen.

  • Nimmt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot an, gilt ab diesem Zeitpunkt der geänderte Arbeitsvertrag.
  • Lehnt der Arbeitnehmer das Angebot endgültig ab, kann der Arbeitgeber die Beendigungskündigung aussprechen.
  • Nimmt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter Vorbehalt an oder äußert er sich nicht abschließend, muss der Arbeitgeber eine Änderungskündigung mit diesem Inhalt aussprechen. Der Arbeitnehmer hat dann die Möglichkeit, die Wirksamkeit dieser Änderungskündigung gerichtlich überprüfen zu lassen.
 
Praxis-Tipp

Prüfen Sie vor jeder Beendigungskündigung, ob nicht ein anderer freier Arbeitsplatz, möglicherweise auch zu schlechteren Bedingungen, vorhanden ist. Sollte dies der Fall sein, bieten Sie dem Arbeitnehmer diesen Arbeitsplatz an. Das gilt auch dann, wenn der neue Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer einen erheblichen Abstieg bedeutet. Ob ihm die neue Tätigkeit zumutbar ist, hat der Arbeitnehmer selbst zu entscheiden. Aus Beweisgründen ist das Änderungsangebot immer schriftlich abzufassen.

Hat der Arbeitgeber es versäumt, eine zumutbare anderweitige Beschäftigung dem Arbeitnehmer anzubieten, folgt hieraus nicht automatisch die Unwirksamkeit der Kündigung. Hätte der Arbeitnehmer diesen Arbeitsplatz ohnehin abgelehnt – was aber der Arbeitgeber nachzuweisen hat –, wäre ein Änderungsangebot bzw. eine Änderungskündigung nicht erforderlich gewesen.

6.6.2.3 Darlegungs- und Beweislast im Prozess

Es besteht eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Im Prozess genügt zunächst der Hinweis des Arbeitgebers, dass eine anderweitige Beschäftigung nicht möglich oder zumutbar war. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, substantiiert vorzutragen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Daraufhin hat der Arbeitgeber vorzutragen und zu beweisen, weshalb eine derartige Beschäftigung nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre.

Unterbreitet der Arbeitgeber erst nach der Kündigung ein Änderungsangebot und lehnt dies der Arbeitnehmer vorbehaltlos ab, ist dies ein Indiz dafür, dass ein Änderungsangebot vor der Kündigung nicht erforderlich war. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers zu erläutern, wieso er ein derartiges Änderungsangebot vor Ausspruch der Kündigung doch angenommen hätte.

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