Vor Ausspruch der Kündigung ist nicht nur der Betriebs- bzw. Personalrat ordnungsgemäß zu beteiligten, sondern nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX auch die Schwerbehindertenvertretung. Die unterlassene Beteiligung war bisher folgenlos; zwar konnte die Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX verlangen, die Durchführung oder Vollziehung der Maßnahme auszusetzen und die Beteiligung innerhalb von 7 Tagen nachzuholen, bevor sodann endgültig entschieden wurde. Zur Durchsetzung dieses Beteiligungsanspruchs konnte die Schwerbehindertenvertretung ggf. das Arbeitsgericht anrufen und – ggf. im Wege der einstweiligen Verfügung – geltend machen, die Durchführung oder Vollziehung der Entscheidung auszusetzen, bis die Beteiligung nachgeholt war.

All das hatte jedoch auf die Wirksamkeit einer vom Arbeitgeber gleichwohl ausgesprochenen Kündigung keine Auswirkungen. Privatrechtliche Sanktionen, insbesondere die Unwirksamkeit einer trotzdem durchgeführten Maßnahme waren bei Unterlassung der Anhörung und Unterrichtung nicht vorgesehen.[1] Allerdings handelt es bei der unterlassenen Beteiligung um eine Ordnungswidrigkeit (§ 238 Abs. 1 Nr. 8 SGB IX).

Durch Art. 2 des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 ist dies seit dem 30.12.2016 anders; § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX (seit 1.1.2018 § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX) lautet nunmehr: "Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam."

In der Begründung für diese erst am Vorabend des Bundestagsbeschlusses durch den Ausschuss für Arbeit und Soziales in das Gesetz eingefügte Änderung heißt es dazu[2]:

"Vonseiten der Vertrauenspersonen schwerbehinderter Menschen wird beklagt, dass sie vom Arbeitgeber oftmals nicht beteiligt werden, obwohl sie zu beteiligen wären. Die Informationen erreichen die Schwerbehindertenvertretung in diesen Fällen dann erst über den Betriebsrat. Gerade im Zusammenhang der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist aber die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung besonders wichtig, weil gerade für schwerbehinderte Menschen die Aufrechterhaltung ihrer Arbeitsverhältnisse von herausragender Bedeutung ist. Um in diesem besonders wichtigen Zusammenhang die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zu sichern, wird deshalb festgelegt, dass eine Kündigung, die ohne die erforderliche Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausgesprochen wird, unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis nicht beendet."

In der Regelung fehlt jedes Detail zu der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor einer Kündigung. Insbesondere gibt es keine der Anhörung der Betriebs- oder der Personalräte vergleichbare Regelung über Stellungnahmefristen.

Was der Arbeitgeber zu tun hat, ergibt sich zunächst aus § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX – er muss die Schwerbehindertenvertretung umfassend informieren und vor einer Entscheidung anhören. Insoweit gilt nichts anderes als bei der Anhörung von Personal- oder Betriebsrat vor einer Kündigung. Es sind die Gründe für die Kündigung in gleicher Weise mitzuteilen. Der Arbeitgeber hat darüber hinaus auch eine Anhörung durchzuführen. Anhörung bedeutet, dass der Arbeitgeber mit der Schwerbehindertenvertretung zwar nicht beraten muss, also nicht verpflichtet ist, in einen Diskussionsprozess einzutreten. Er muss der Schwerbehindertenvertretung aber die Gelegenheit zu einer Stellungnahme geben und diese dann auch vor Ausspruch der Kündigung zur Kenntnis nehmen. Geht man vom Zweck der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung aus, dieser eine Einflussmöglichkeit auf die Entscheidung des Arbeitgebers zur sichern und dass die Schwerbehindertenvertretung nicht erst durch den Betriebs- oder Personalrat von der beabsichtigten Kündigung, sondern schon vorher eigenständig davon erfährt, ist es geboten, die Anhörung parallel zur Anhörung des Betriebs- oder Personalrates durchzuführen und die dortigen Fristen einzuhalten. Der erforderliche Inhalt der Anhörung und die Dauer der Frist für eine Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung richten sich nach den für die Anhörung des Betriebsrats geltenden Grundsätzen (§ 102 BetrVG).[3] Nicht erforderlich ist, die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung vor Abschluss des Verfahrens vor dem Integrationsamt durchzuführen.[4]

Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist formfrei möglich, sollte aber aus Gründen der "Beweissicherung" schriftlich – wie auch die der Arbeitnehmervertretungen – erfolgen.

Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung hat vor jeder Kündigung zu erfolgen, also auch vor einer Änderungskündigung. Sie ist auch erforderlich, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer noch gar nicht den Kündigungsschutz für Schwerbehinderte genießt, also noch keine 6 Monate im Arbeitsverhältnis steht. Auch wenn der Arbeitgeber nichts von der Schwerbehinderung weiß, ist die Kündigung bei unterbliebener Beteiligung unwirksam. Der Arbeitnehmer muss sich darauf aber innerhalb der Frist nach § 4 Satz 1 KSchG berufen. § 173 Abs. 3 SGB IX gilt e...

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