Der Beschäftigte hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er sich die Krankheit vorsätzlich oder grob fahrlässig zugezogen hat (§ 22 Abs. 1 TVöD i. V. m. der Protokollerklärung zu Abs. 1). Vorsatz liegt vor, wenn der Beschäftigte den Eintritt der Erkrankung direkt anstrebt oder zumindest billigend in Kauf genommen hat. Grob fahrlässig handelt der Beschäftigte, wenn er gegen das von einem Menschen im eigenen Interesse gebotene Verhalten in "gröblicher Weise" verstößt.[1] Ausreichend ist auch, wenn eine unverschuldete Erkrankung durch grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten erschwert oder verlängert und dadurch die Arbeitsunfähigkeit erst eintritt oder ihre Dauer verlängert wird.[2] Insofern trifft den Beschäftigten eine Verpflichtung zu einem gesundheitsförderlichen Verhalten.[3] Verhält sich der Beschäftigte genesungswidrig, macht er sich schadensersatzpflichtig.[4]

Geht der Beschäftigte Freizeitaktivitäten nach, die mit seiner Arbeitsunfähigkeit nur schwer in Einklang zu bringen sind, kann darin ein pflichtwidriger, zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Verstoß gegen die vertraglichen Rücksichtnahmepflichten liegen[5] (im konkreten Sachverhalt Skiurlaub bei bestehender Arbeitsunfähigkeit wegen Hirnhautentzündung mit Konzentrationsschwächen).

Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für das schuldhafte Verhalten des Beschäftigten. Zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nach den Regeln des Anscheinsbeweises kann es kommen, wenn Umstände vorliegen, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf ein schuldhaftes Verhalten des Beschäftigten im Zusammenhang mit der Entstehung der Arbeitsunfähigkeit schließen lassen.

 
Praxis-Beispiel
  • Nebentätigkeit

    Eine Erkrankung, wozu auch ein Unfall gehört, während einer genehmigten oder aber auch ungenehmigten Nebentätigkeit schließt grundsätzlich den Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht aus.[6] Ausnahmsweise kann jedoch in besonders gelagerten Einzelfällen die Geltendmachung des Anspruchs von Entgeltfortzahlung eine unzulässige Rechtsausübung darstellen. Dies wäre z. B. denkbar, wenn eine ungenehmigte Nebentätigkeit besonders gefährlich, risikobehaftet war oder die Kräfte des Beschäftigten erkennbar überstieg.

  • Alkohol/Drogen

    Erkrankungen und Unfälle, die auf eine Alkoholabhängigkeit oder Drogensucht zurückzuführen sind, werden im Regelfall als unverschuldet angesehen.[7] Allerdings trifft den Beschäftigten, der Fortzahlung seines Entgelts im Krankheitsfall bei Alkohol- oder Drogenabhängigkeit fordert, eine Mitwirkungspflicht an der Aufklärung aller für die Entstehung der Erkrankung erheblichen Umstände. Er hat auf Verlangen des Arbeitgebers nach bestem Wissen die fraglichen Umstände zu offenbaren. Erst danach kann sich der Arbeitgeber darüber schlüssig werden, ob den Beschäftigten ein Verschulden an der Sucht trifft. Bis zur Offenbarung der Krankheitsursachen darf der Arbeitgeber die Krankenbezüge zurückbehalten[8] vgl. im Übrigen "Alkohol").

Demgegenüber sind Unfälle, insbesondere Verkehrsunfälle, die auf Alkoholgenuss zurückzuführen sind, ohne dass eine Alkoholabhängigkeit vorliegt, in der Regel als verschuldet anzusehen.[9]

  • Fehlverhalten im Straßenverkehr, z. B.:

    • Benutzung eines nicht verkehrssicheren Fahrzeugs[10]
    • Mitfahren in einem Kraftfahrzeug, wenn der Fahrer erkennbar unter Alkohol- oder Drogeneinfluss steht[11]
    • Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes, wenn die Verletzungen gerade hierauf zurückzuführen sind[12]
    • Unfall aufgrund abgefahrener Reifen
    • zu schnelles Fahren bei Glatteis, bei Nebel, bei Dunkelheit und starkem Regen oder sonstigen Umständen, die besonders vorsichtige Fahrweise erfordern
    • verkehrswidriges Überqueren einer Straße[13]
    • Überanstrengung wegen zu langen Fahrens
    • falsches Überholen
    • grobe Vorfahrtsverletzung
    • Einnahme eines die Reaktionsfähigkeit herabsetzenden Medikaments
    • Überfahren eines Rotlichts
  • Verletzung von Arbeitsschutzvorschriften

    wie z. B. Verletzung der Pflicht zum Tragen eines Schutzhelmes, sonstiger Sicherheitsbekleidung, Sicherheitsschuhe oder bei Nichtbeachtung von Sicherheitsanordnungen

  • sportliche Betätigung

    Sportliche Betätigungen sind in aller Regel zu akzeptieren, sofern der Beschäftigte korrekt ausgerüstet und bei der Ausübung der Sportart nicht offensichtlich überfordert ist. Von der Rechtsprechung bisher akzeptiert sind z. B. das Amateurboxen[14] das Drachenfliegen[15], Amateurfußball[16], Boxen[17], Fallschirmspringen[18], Karate, Motorradrennen[19], Skifahren, Skispringen[20], Crossbahnrennen.

    Verschulden kann hingegen angenommen werden bei mangelnder Eignung zur ausgeübten Sportart.[21] Des Weiteren bei Ausübung des Sports trotz schlechter, aber notwendiger Ausrüstung oder schlechten Zustands der Sportanlage oder bei Ausübung einer außergewöhnlich gefährlichen Sportart wie z. B. Kickboxen[22] oder Bungee-Springen.[23]

    Bei einer sportlichen Betätigung gegen Entgelt widerspricht es nach Auffassung des BAG Treu und Glauben, wenn der Beschäftigte bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Sportverletzung Krankenen...

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