Obwohl diese Regelung nach ihrem ursprünglichen Wortlaut ganz allgemein für "Betriebe" galt, war nach der Zielsetzung des TV-V bislang davon auszugehen, dass damit vor allem Versorgungsbetriebe gemeint sind, die die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht erfüllen. Schließlich handelt es sich um einen Spartentarifvertrag für kommunale Versorgungsbetriebe, und auch die Eingruppierungsmerkmale (= Anlage 1 zum TV-V) sind auf Versorgungsbetriebe zugeschnitten. Als Fallgestaltungen kamen deshalb insbesondere in Betracht:

  • rechtlich unselbstständige Versorgungsbetriebe,
  • Versorgungsbetriebe mit in der Regel bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern,
  • Versorgungsbetriebe, die aufgrund ihrer Rechtsform (z. B. Zweckverband) dem Geltungsbereich eines Landespersonalvertretungsgesetzes unterliegen,
  • Versorgungsbetriebe, die weniger als 90 v. H. ihres Gesamtpersonalbestandes im Energie- und/oder Wasserversorgungsbereich einsetzen.
 

Beispiel 7

Die Stadtwerke A GmbH hat die Bereiche Strom, Gas, Wasser und Freibad. Sie beschäftigt insgesamt 90 Arbeitnehmer, davon 10 Arbeitnehmer im Freibad. Damit sind weniger als 90 v. H. des Gesamtpersonalbestandes im Versorgungsbereich eingesetzt, sodass es sich bei der X GmbH um einen Betrieb im Sinne von Absatz 2 handelt, der nicht unmittelbar unter den Geltungsbereich des TV-V fällt.

Ab 1. Januar 2009 gilt diese engere Betrachtungsweise nicht mehr. Die Tarifvertragsparteien haben mit der Neufassung von Absatz 2 deutlich gemacht, dass sie den Geltungsbereich des TV-V auch für solche Betriebe öffnen wollen, die nach ihrem Betriebszweck nicht originär oder zumindest partiell der Versorgungssparte zuzurechnen sind. Demnach könnten z. B. auch Entsorgungseinrichtungen, Bäderbetriebe oder sonstige Freizeiteinrichtungen in den Geltungsbereich des TV-V einbezogen werden. Dies war nach der ursprünglichen Fassung von Absatz 2 zwar nicht ausgeschlossen, aber in der Praxis nicht unumstritten.

Ein deutlicher Beleg für die gewollte Ausweitung des möglichen Anwendungsbereichs des TV-V ist die ebenfalls mit dem 4. Änderungstarifvertrag vom 31. März 2008 zum TV-V mit Wirkung vom 1. April 2008 eingeführte Regelung, wonach bei versorgungs- bzw. entsorgungstypischer Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit eine höhere Zulage zu zahlen ist (§ 10 Abs. 7 bis 9). Abgesehen davon hat bereits die von Anfang an zu § 22 Abs. 9 vereinbarte Protokollerklärung die Geltung des TV-V auch für Entsorgungsbetriebe vorausgesetzt. Diese Regelung ist mit dem 6. Änderungstarifvertrag vom 20. November 2009 zum TV-V inhaltsgleich als Protokollerklärung zu § 22a Abs. 9 übernommen worden, und zwar mit Wirkung vom 1. Januar 2010.

Da Betriebe nach Absatz 2 "ganz oder teilweise" nach wie vor in den Geltungsbereich des TV-V einbezogen werden können, hat im Beispielsfall 7 die A GmbH die Möglichkeit, den TV-V entweder auf alle 90 Arbeitnehmer ("ganz") oder nur auf die im Versorgungsbereich tätigen 80 Arbeitnehmer ("teilweise") anzuwenden.

Die praktische Bedeutung von § 1 Abs. 2 hat durch die Neugestaltung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes und das Inkrafttreten des TVöD am 1. Oktober 2005 erheblich zugenommen. Die mit dem TV-V eingeleitete Spartenorientierung im öffentlichen Dienst ist nämlich durch die Systematik des TVöD – Allgemeiner Teil – und seine 6 Besonderen Teile fortgesetzt worden. Die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes haben sich darüber hinaus in der Weise zur Spartenorientierung bekannt, dass Arbeitnehmer mit Tätigkeiten, die dem fachlichen Geltungsbereich des TV-V zuzuordnen sind, ausdrücklich vom Geltungsbereich des TVöD ausgenommen und am 1. Oktober 2005 nicht in diesen Tarifvertrag übergeleitet worden sind, sofern sie in einem rechtlich selbständigen, dem Betriebsverfassungsgesetz unterliegenden Versorgungsbetrieb mit in der Regel mehr als 20 zum Betriebsrat wahlberechtigten Arbeitnehmern beschäftigt sind (§ 1 Abs. 2 Buchst. d TVöD).

Sofern also Betriebe, für die der TV-V der "richtige" Tarifvertrag ist, sich bis zum 30. September 2005 nicht für die Einführung des TV-V gemäß § 1 Abs. 2 entschieden haben, bleiben die Arbeitnehmer, die dem fachlichen Geltungsbereich des TV-V zuzuordnen sind, weiterhin auf der Grundlage des BAT bzw. BMT-G II beschäftigt (§ 2 Abs. 4 TVÜ-VKA in der ab 1. März 2017 geltenden Fassung; bis zum 28. Februar 2017 war dieselbe Regelung in § 2 Abs. 5 TVÜ-VKA enthalten). Für sie gilt nicht das neue Tarifrecht des TVöD und auch nicht "zwangsweise" der TV-V. Diese Rechtslage hat dazu geführt, dass zahlreiche Versorgungsbetriebe entweder zum 1. Oktober 2005 oder zum 1. Januar 2006 den TV-V eingeführt haben.

Soweit Versorgungsbetriebe nach wie vor den BAT / BMT-G anwenden, haben die Tarifvertragsparteien ausdrücklich vereinbart, dass die Tarifeinigung vom 31. März 2008 auch auf die Arbeitnehmer dieser Betriebe zu übertragen ist. Konkret ist hierzu im 4. Änderungstarifvertrag vom 31. März 2008 zum TV-V festgelegt worden, dass hinsichtlich der

  • Städtische Werke Überlandwerke Coburg GmbH,
  • Stadtwerke Heidenhei...

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