BAG, Urteil v. 26.1.2017, 8 AZR 73/16

Die Verwendung der Begriffe „erste Berufserfahrung” und „auch Berufsanfänger” in Stellenanzeigen lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass der Arbeitgeber nur Personen eines bestimmten Lebensalters ansprechen und andere ausschließen wollte.

Sachverhalt

Der im Jahre 1953 geborene Kläger ist promovierter Einzelanwalt mit den Schwerpunkten Arbeitsrecht, Arztrecht, Arzthaftungsrecht, Medizinrecht, Erbrecht, Familienrecht, Forderungsbeitreibung, Mietrecht, Strafrecht und Zivilrecht. Er hatte in den Jahren 1979 und 1983 in Baden-Württemberg befriedigende juristische Staatsprüfungen (7 Punkte) abgelegt. Er bewarb sich – erfolglos – bei der Beklagten, einem Prüfungsverband im Sinne des Genossenschaftsgesetzes, auf eine Stellenanzeige mit u. a. folgendem Inhalt:

"… für diese Aufgabe suchen wir eine/n Volljuristin/en mit mindestens einem Prädikatsexamen, und ersten einschlägigen Berufserfahrungen. Aber auch Berufsanfänger, die in den genannten Rechtsgebieten ihre Interessensschwerpunkte wiedererkennen, sind willkommen; mindestens gute Kenntnisse der englischen Sprache sind jedoch in jedem Falle notwendig. …"

Der Kläger war der Meinung, er sei wegen seines Alters benachteiligt worden. Dies ergebe sich aus der Stellenanzeige, die an Bewerber mit ersten einschlägigen Berufserfahrungen oder Berufsanfänger gerichtet gewesen sei, was die Vermutung begründe, dass er wegen seines höheren Lebensalters benachteiligt worden sei. Er machte eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung geltend.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Kläger nicht dargetan habe, dass er eine Benachteiligung wegen seines Alters erfahren hat. Insbesondere habe er keine Indizien i. S. d. § 22 AGG vorgetragen, sondern hat sich nur auf die Stellenausschreibung der Beklagten gestützt. Gemäß § 22 AGG, welche für den Rechtsschutz bei Benachteiligungen und den Kausalzusammenhang zwar eine Erleichterung der Darlegungslast für den Anspruchsteller, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vorsieht, müsse der Kläger Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG benannten Gründe vermuten lassen. Erst dann trage die andere Partei, die Beklagte, die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz von Benachteiligungen vorgelegen habe. Zwar könne, so das Gericht, auch eine Stellenausschreibung, die entgegen § 11 AGG unter Verstoß gegen § 7 AGG erfolge, die Vermutung im Sinne des § 22 AGG begründen. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall; denn die Auslegung der Stellenausschreibung ergebe, dass diese weder unmittelbar noch mittelbar an das Alter anknüpfe. Zwar könnten die Formulierungen "ersten Berufserfahrungen" und "Berufsanfänger" Begriffe sein, die mit dem Kriterium "Alter" verknüpft sein könnten, insbesondere dann, wenn damit signalisiert werde, lediglich Interesse an der Gewinnung jüngerer Mitarbeiter/innen zu haben. Im vorliegenden Fall ergab jedoch die Auslegung der Stellenanzeige, dass die Beklagte nicht Personen eines bestimmten Lebensalters ansprechen und andere ausschließen wollte; denn sie hatte nicht eine/n Volljuristin/en mit erster Berufserfahrung als solcher und "Berufsanfänger" an sich gesucht, sondern die Bewerber bzw. die Bewerberinnen sollten entweder erste einschlägige Berufserfahrungen haben oder als Berufsanfänger in den genannten Rechtsgebieten ihre Interessensschwerpunkte wiedererkennen. Die Beklagte habe somit jemanden gesucht, der entweder erste Berufserfahrung in dem genannten Rechtsgebiet oder eine nähere Befassung mit diesen Rechtsgebieten ausweisen konnte. Die Anforderung bereits vorhandener erster einschlägiger Berufserfahrung in einem bestimmten Rechtsgebiet sei jedoch altersunabhängig, da entsprechende Berufserfahrung in jedem Alter gemacht werden könne. Des Weiteren liege, wenn die Stellenausschreibung auch Berufsanfänger anspreche, darin allenfalls eine Öffnung des Bewerberverfahrens für Jüngere, aber keine Benachteiligung Älterer.

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