LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 6.3.2019, 4 Sa 73/18

Amtlich Leitsätze:

1. Der Urlaub ist gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG zusammenhängend zu gewähren. Jedenfalls ein Urlaubswunsch, der auf eine Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in Kleinstraten gerichtet ist, muss nicht erfüllt werden. Eine solche Urlaubsgewährung wäre nicht geeignet, die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers zu erfüllen.

2. Das Bundesurlaubsgesetz kennt keinen Rechtsanspruch auf halbe Urlaubstage oder sonstige Bruchteile von Urlaubstagen.

3. Von obigen Grundsätzen kann für die Urlaubsansprüche, die den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigen, durch vertragliche Vereinbarung abgewichen werden.

Sachverhalt

Dem Kläger, der zusammen mit seiner Familie nebenberuflich ein Weingut betreibt, wurden im Jahr 2015 antragsgemäß an insgesamt 18 Tagen und im Jahr 2016 an insgesamt 13 Tagen von der beklagten Arbeitgeberin halbe Urlaubstage gewährt. Im August 2017 teilte diese dem Kläger jedoch mit, dass sie ihm künftig maximal 6 halbe Urlaubstage pro Jahr gewähren wolle, mit der Begründung, dass das BUrlG keine halben Tage bei der Urlaubsgewährung vorsehe und auch ihr eine halbtägige Urlaubsgewährung aufgrund der damit verbundenen Zusatzkosten und Dispositionsprobleme nicht mehr zumutbar sei.

Die Entscheidung

Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Arbeitgeber zwar grds. gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. BUrlG bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen habe, er jedoch zur gewünschten Urlaubsgewährung nur verpflichtet sei, wenn ihm kein Leistungsverweigerungsrecht zustehe. Solch ein Leistungsverweigerungsrecht könne dann bestehen, wenn der gewünschten Urlaubsgewährung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstünden, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienen.

Vorliegend begehrte der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte zur Urlaubsgewährung verpflichtet sei, ohne dass sie sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen dürfe. Einen solchen weitreichenden Anspruch gewähre das Gesetz nach Auffassung des LAG jedoch nicht. Des Weiteren berief sich das Gericht auf die Systematik des § 7 Abs. 2 BUrlG, wonach der Urlaub grundsätzlich zusammenhängend zu gewähren sei. Eine Ausnahme greife nur dann, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung erforderlich machen würden. Hierzu führte das Gericht aus, dass es bereits fraglich sei, ob allein der Wunsch eines Arbeitnehmers, einen geteilten Urlaub zu erhalten, einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund darstellen könne, zumindest dann, solange eine zusammenhängende Gewährung von mindestens 2 Wochen gem. § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG nicht verhindert werde. Allerdings könne ausgehend von der gesetzgeberischen Grundwertung, dass der Urlaub grundsätzlich dem Erholungszweck zu dienen habe, selbst auf Wunsch des Arbeitnehmers eine Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in viele kleine Einheiten nicht gefordert werden. Eine solche Gewährung in Kleinstraten wäre keine ordnungsgemäße Erfüllung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers gemäß dem BUrlG. Zwar könne der Arbeitgeber auf sein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. BUrlG verzichten, da dies für den Arbeitnehmer eine, vom Gesetz abweichende, günstigere Regelung darstelle und § 13 BUrlG nur vor Verschlechterungen schütze. Auch sei es denkbar, für den – den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigenden – Urlaub eine von § 7 Abs. 2 BUrlG abweichende Regelung zu treffen, da diesbezüglich ebenfalls die Vorschrift des § 13 BUrlG nicht greife, da diese nur für den gesetzlichen Urlaubsanspruch gelte. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien war vorliegend jedoch nicht feststellbar.

Anmerkung:

Grds. bestätigt das LAG die bisherige Rechtsprechung des BAG (vgl. u. a. BAG, Urteil v. 19.6.2018, 9 AZR 615/17: hier hatte das BAG entschieden, dass die Urlaubsgewährung von Bruchteilen eines Urlaubstages ausgeschlossen sei; einzige Ausnahme sei der Fall, dass es sich um einen Bruchteil von unter 0,5 handele, der sich aus der Teilurlaubsberechnung nach § 5 Abs. 2 BUrlG ergebe).

Zu der Aussage des LAG, dass es grds. möglich sei, dass Arbeitgeber auf ihr Leistungsverweigerungsrecht verzichten und halbe Urlaubstage gewähren könnten, ist eine BAG-Entscheidung aus dem Jahre 1965 zu beachten (29.7.1965, 5 AZR 380/64); denn danach stelle die Aufteilung von Erholungsurlaub in einzelne Halbtags- und Stundenteile keine wirksame Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindesturlaub dar, mit der Folge, dass der Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindesturlaub in zusammenhängender Form nochmals nachfordern könne. Auch wenn sich dieses Urteil nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub bezieht, besteht trotz allem keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gewährung von halben Urlaubstagen bzw. Bruchteilen von Urlaubstagen auch i...

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