Rz. 9

Die Satzung kann angesichts des Normzwecks Unternehmer mit besonderem sozialen Schutzbedürfnis, insbesondere wirtschaftlich schwache Unternehmer und vor allem Kleinunternehmer, schützen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 30.7.1985, 1 BvR 282/85, SozR 2200 § 543 Nr. 6), unter Beachtung des sozialen Schutzbedürfnisses in typisierender Weise auch die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes näher bestimmen und differenzieren. Anknüpfungspunkte können beispielsweise sein:

  • die Unternehmensgröße (Zahl der Beschäftigten),
  • der Jahresarbeitsverdienst,
  • das Gefährdungsrisiko oder
  • die Art und der Umfang der unternehmerischen Mitarbeit (vgl. die Zusammenstellung in HVBG Rundschreiben VB 24/98).

Die Satzung kann den Versicherungsschutz auch auf einzelne Tätigkeiten beschränken (vgl. Schmitt, SGB VII, § 3 Rz. 4). Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, die ausdrücklich "die auf Veranlassung des für sein Unternehmen zuständigen Unfallversicherungsträgers an Schulungsmaßnahmen für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz teilnehmenden Unternehmer" nennt (vgl. BT-Drs. 13/2204 S. 76 zu § 3).

Umstritten ist, ob eine Differenzierung nach berufsständischen Gesichtspunkten, wie die Eintragung in die Handwerksrolle, zulässig ist. Während das LSG Baden-Württemberg die Differenzierung nach berufsständischen Gesichtspunkten für zulässig erachtet hat (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 10.5.1961, L 2a Ua 1474/59, Breithaupt 1961 S. 998; auch Leube, in: Kater/Leube, SGB VII, § 3 Rz. 7; Lauterbach/Schwerdtfeger, SGB VII, § 3 Rz. 8), wird dies von einer starken Ansicht in der Literatur verneint (vgl. Ricke, in: KassKomm, § 3 Rz. 2, und Ziegler, in: LPK-SGB VII, § 3 Rz. 5). Soweit die Satzung allein auf formale Gesichtspunkte wie z. B. die Eintragung in die Handwerksrolle abstellt, erscheint dies problematisch, da nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift das soziale Schutzbedürfnis den zentralen Anknüpfungs- und Differenzierungsgesichtspunkt bildet.

 

Rz. 10

Die Satzung kann nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 3.4.1958, 2 RU 44/54, SozR Nr. 5 zu § 537 RVO a. F.) eine Befreiungsmöglichkeit vorsehen. § 5 bestätigt dies (a. A. noch zur RVO: Schulin, Handbuch des Unfallversicherungsrechts, § 19 Rz. 8). Die Befreiung muss allerdings aufgrund des genossenschaftlichen Prinzips einheitlich für das Mitglied und dessen Ehegatten erfolgen (ebenso Ricke, in: KassKomm, § 3 Rz. 3a). Sieht der Unfallversicherungsträger eine Befreiungsmöglichkeit vor, obliegt ihm eine Informationspflicht hinsichtlich der Befreiungsmöglichkeit. Nach der Ansicht des 2. Senats des BSG (BSG, Urteil v. 9.12.1993, 2 RU 49/92, SozR 3-2200 § 543 RVO Nr. 1 mit zustimmender Anm. Steinmeyer, EWiR 1994 S. 705) begründet die Verletzung der Informationspflicht einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Ob dieser auf den Zeitpunkt eines Antrages zurückwirkt, wurde vom BSG in der Entscheidung offengelassen. Die Frage ist jedoch zu bejahen, soweit kein Versicherungsfall eingetreten ist, wie sich aus dem Vergleich mit § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB V und § 6 Abs. 4 SGB VI ergibt (vgl. im Ergebnis auch Ricke, a. a. O.). Infolgedessen sind die Beiträge gemäß § 26 Abs. 2 zu erstatten. Ist die Meldung des Unternehmers unterblieben, hat dieser die Folgen unterlassener Information des Unfallversicherungsträgers selbst zu tragen. Im entschiedenen Rechtsstreit war die Gewerbeanmeldung nach den Vorschriften der Gewerbeordnung nicht als ausreichend angesehen worden (BSG, Urteil v. 9.12.1993, a. a. O.; ebenso Steinmeyer, a. a. O.).

 

Beispiele:

  • Die BG Nahrungsmittel und Gaststätten nimmt Kleingewerbetreibende des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes und deren Ehegatten vom Versicherungsschutz aus.
  • Die BG der keramischen Industrie beschränkt die Versicherungspflicht auf Unternehmer mit mehr als 5 Beschäftigten.
  • Die Bau-Berufsgenossenschaften erstrecken die Versicherung kraft Satzung nur auf die Unternehmer gewerbsmäßiger Bauarbeiten, nehmen aber deren Ehegatten aus (vgl. z. B. Württ. Bau-BG, § 43 Abs. 1). Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten und deren im Unternehmen tätige Ehegatten können sich nur gemäß § 6 durch schriftlichen Antrag freiwillig versichern (BSG, Urteil v. 5.5.1998, B 2 U 23/97, SozR 3-2200 § 543 Nr. 3 = NZS 1999 S. 38, 39, mit Anm. Seewald, SGb 1999 S. 195; vgl. auch Württ. Bau-BG, § 68).

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