0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist durch das RRG v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) mit Wirkung zum 1.1.1992 in Kraft getreten. Durch das RÜG v. 25.7.1991 (BGBl. I S. 1606) ist § 300 mit Wirkung zum 1.1.1992 um die Abs. 3a und 3b erweitert worden. Das RÜ-ErgG v. 24.6.1993 (BGBl. I S. 1038) änderte rückwirkend zum 1.1.1992 Abs. 3a, der dann durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit v. 20.12.2000 (BGBl. I S. 1927) mit Wirkung zum 1.1.2001 aufgehoben wurde; gleichzeitig erfolgte eine Neufassung von Abs. 3.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift enthält im Wesentlichen den Grundsatz, dass nach Inkrafttreten des SGB VI und bei künftigen Rechtsänderungen nur noch das neue Rentenrecht anzuwenden ist. Nach herrschender Meinung ist Abs. 1 jedoch nur bei der Erbringung von Leistungen anwendbar; eine Anwendbarkeit auf versicherungsrechtliche Tatbestände ist zu verneinen (zuletzt BSG, Urteil v. 21.10.2021, B 5 R 23/21 R, unter Bezugnahme auf BSG, Urteil v. 16.11.2000, B 4 RA 55/99 R; Niesel, in: KassKomm, SGB VI, § 300 Rz. 7; Dankelmann, in: jurisPK-SGB VI, § 300 Rz. 16). Die Anwendbarkeit des alten oder neuen Rechts richtet sich also nicht mehr nach dem Zeitpunkt des Versicherungsfalls. Damit ist das bis dahin geltende Versicherungsfallprinzip durch das "Rentenbeginnprinzip" abgelöst worden. Dies hat den großen Vorteil, dass nicht ständig geprüft werden muss, inwieweit altes, bereits aufgehobenes Recht noch weiter anwendbar sein könnte (BT-Drs. 11/4124 S. 296). Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Einführung des SGB VI, sondern auch für alle folgenden Rechtsänderungen (BT-Drs. 11/4134 S. 206). Abs. 2 enthält eine Ausnahmeregel zugunsten des jeweils "alten Rechts", wenn ein Anspruch vor dem Zeitpunkt der Rechtsänderung beginnt und der Rentenantrag innerhalb einer Frist von 3 Monaten (nach der Rechtsänderung) gestellt worden ist. Dabei muss der Rentenanspruch dem Grunde nach bestanden haben (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 21.8.2021, L 3 R 486/18). Welches Recht Anwendung findet bei der Neufeststellung einer bindend festgestellten Rente, regelt Abs. 3 für den Fall, dass sich die persönlichen Entgeltpunkte neu bestimmen. Abs. 3b betrifft als Sonderregelung die Rentenneufeststellung von Renten aus dem Beitrittsgebiet. Nachzahlungen dürfen in diesen Fällen nicht für Zeiten vor dem 1.1.1992 erbracht werden. Eine klarstellende Regelung trifft Abs. 4; Abs. 5 bestimmt den Vorrang der Ausnahmeregelungen in §§ 301 bis 319b gegenüber den Bestimmungen in den Abs. 1 bis 4. Diese Regelung ist im Zusammenhang mit § 306 zu sehen, wonach das Inkrafttreten neuer Vorschriften kein Grund für eine Neufeststellung ist.

2 Rechtspraxis

2.1 Grundregel

 

Rz. 3

Das SGB VI ist vom Grundsatz her vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens (1.1.1992) auf alle Sachverhalte anzuwenden, soweit das Gesetz nichts anderes regelt (Abs. 5). Damit vollzieht der Gesetzgeber einen Wechsel vom "Versicherungsfallprinzip" zum "Rentenbeginnsprinzip". Bei Anwendung der Norm ist von dem konkret entstandenen Einzelanspruch und nicht vom abstrakten Stammrecht auszugehen. Betroffen sind Renten aus eigener Versicherung sowie Hinterbliebenenrenten, für die jedoch § 99 zu beachten ist; für Zeitrenten enthält § 101 die wesentliche Bestimmung. Diese Grundregel hat nur Bedeutung für leistungsrechtliche Inhalte (zu Anrechnungszeiten: Hess. LSG, Urteil v. 24.2.2017, L 5 R 173/14). Sie betrifft aber auch Vormerkungsverfahren, die vor Inkrafttreten des neuen Rechts noch nicht abgeschlossen waren. Für Rehabilitations- und Teilhabeleistungen gilt sie nicht; hier ist § 301 anzuwenden. Bei versicherungsrechtlichen Sachverhalten ist jeweils das Recht anzuwenden, das im maßgeblichen Zeitpunkt galt (§§ 229ff.).

2.2 Anwendung alten Rechts

 

Rz. 4

Abs. 2 stellt eine Ausnahme von der Grundregel des Abs. 1 dar. Für die Anwendung alten Rechts ist entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Rentenantrag gestellt wurde und welcher Rentenbeginn sich daraus ergibt. Wurde der Antrag bis zum 31.3.1992 gestellt und ergab sich ein Rentenbeginn vor dem 1.1.1992, so ist für die Rentenbezugszeiten insgesamt das alte Recht anzuwenden (BSG, Urteil v. 8.9.2005, B 13 RJ 10/04 R). Führt die bis zum 31.12.1991 erfolgte Rentenantragstellung zu einem Rentenbeginn ab 1.1.1992, ist nur das neue Recht anzuwenden. Für Hinterbliebenenrenten gilt nach § 99 Abs. 2 neues Recht auch für Rentenbezugszeiten vor dem 1.1.1992, wenn der Antrag auf eine Hinterbliebenenrente in der Zeit vom 1.4. bis 31.12.1992 gestellt wurde. Eine Besonderheit ergibt sich für den Fall, dass der Versicherte das für die Altersrente maßgebliche Alter im Dezember 1991 erreicht und bis zum 31.3.1992 den Rentenantrag gestellt hat. Obwohl die Rente am 1.1.1992 beginnt, ist noch das bis zum 31.12.1991 geltende Recht anzuwenden (BSG, Urteil v. 23.6.1994, 4 RA 70/93). Dies betrifft aber alleine die Rechtsänderung zum 1.1.1992; für spätere Rechtsänderungen ist das im Zeitpunkt des Rentenbeginns geltende Recht anzuwenden (BSG, Urteil v. 24.2.1999, B 5 RJ 28/98 R). § 300 Abs. 2 gilt nicht nur für Rentenansprüche, sondern...

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