Gegen die Berechnung der rentenfernen Startgutschriften wurden zahlreiche Widersprüche und Klagen erhoben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 14.11.2007 die Umstellung vom Gesamtversorgungssystem auf das Versorgungspunktemodell grundsätzlich gebilligt, aber einzelne Satzungsregelungen für die Berechnung der rentenfernen Startgutschriften für unwirksam erklärt. Beklagte dieses Verfahrens war die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL).

In der Umstellung auf das Versorgungspunktesystem sah der BGH prinzipiell keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG erkannte er aber darin, dass pro vollendetem Beschäftigungsjahr nur 2,25 % der Vollrente erworben werden kann, so dass insgesamt mehr als 44 Jahre erforderlich sind, um den höchstmöglichen Versorgungssatz zu erreichen. Daneben hatte das Gericht auch Zweifel, ob bei den Startgutschriften die ausschließliche Anwendung des pauschalen Näherungsverfahrens zur Berechnung der gesetzlichen Rente – ohne die Möglichkeit, eine konkrete Rentenauskunft vorlegen zu können – verfassungskonform und mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei.

Aufgrund der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie konnte der BGH selber keine Neuregelung treffen. Die Erarbeitung einer verfassungskonformen Neuregelung blieb den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes vorbehalten.

Mit Änderungstarifvertrag Nr. 5 vom 30.5.2011 haben die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes sich auf eine Neuregelung der Startgutschriften geeinigt. Danach sollen die Startgutschriften für rentenferne Versicherte mittels eines Vergleichsmodells überprüft und gegebenenfalls verbessert werden. Hierzu wird der bisherigen Berechnung der Startgutschriften eine zweite Berechnung gegenübergestellt, die sich nach § 2 BetrAVG richtet. Diese Vorschrift enthält Regelungen für Betriebsrenten außerhalb des öffentlichen Dienstes. Ergibt die Vergleichsberechnung eine um mindestens 7,5 Prozentpunkte höhere Differenz gegenüber der bisherigen Startgutschrift, wird ein Zuschlag in entsprechender Höhe zur bisherigen Startgutschrift ermittelt.

Damit bleibt also die bisherige Höhe der Startgutschriften bestehen. Allenfalls wird die Startgutschrift noch durch einen sog. Differenzbetrag erhöht.

Von dieser Startgutschrift können insbesondere Beschäftigte profitieren, die bei erstmaligem Beginn der Pflichtversicherung mindestens 25 Jahre alt waren. Nach gemeinsamer Einschätzung der Tarifvertragsparteien wird damit die vom Bundesgerichtshof kritisierte Benachteiligung von Beschäftigten, die erst mit höherem Lebensalter erstmals in den öffentlichen Dienst eingestellt und zusatzversichert wurden, hinreichend ausgeglichen.

Keine Änderung gab es bezüglich des Näherungsverfahrens, dessen ausschließliche Anwendung der Bundesgerichtshof ja in Frage gestellt hatte. Die Tarifvertragsparteien haben sich entsprechend des Prüfauftrags des Bundesgerichtshofes mit der Anwendung des Näherungsverfahrens beschäftigt, aber keinen Anlass dafür gefunden, das Näherungsverfahren nicht im Rahmen der Startgutschriftberechnung anzuwenden.

Der Bundesgerichtshof hat in 2 Revisionsverfahren am 9.3.2016 entschieden, dass die Regelung zu den Startgutschriften für rentenferne Versicherte nach dem Vergleichsmodell unwirksam ist (IV ZR 9/15 und IV ZR 168/15). Auch die Neuregelung durch den Änderungstarifvertrag Nr. 5 zum ATV beseitige nicht die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 14.11.2007 festgestellte Ungleichbehandlung. Hauptkritikpunkt ist der um 7,5 Prozentpunkte verminderte Unverfallbarkeitsfaktor, der Versicherte in bestimmten Altersgruppen von einem Zuschlag ausschließe.

Durch Tarifbeschluss vom 8.6.2017 erfolgte eine nochmalige Neuregelung der Startgutschriften. Der bisherige Faktor 2,25 (pro Jahr der Versicherung) soll in Abhängigkeit vom Beginn der Pflichtversicherung verändert werden. Dabei wird zunächst die Zeit vom erstmaligen Beginn der Pflichtversicherung bis zum Ende des Monats ermittelt, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird. Anschließend werden 100 % durch diese Zeit in Jahren geteilt (100 % / Zeit in Jahren). Der so ermittelte Faktor beträgt mindestens 2,25 und höchstens 2,5 % pro Pflichtversicherungsjahr.

 
Praxis-Beispiel

Eine Versicherte war zum Zeitpunkt der erstmaligen Beschäftigung im öffentlichen Dienst 23 Jahre alt.

Mögliche Zeit bis 65. Lebensjahr = 42 Jahre (65 – 23)

Daraus ergibt sich ein Prozentsatz von 2,38 % (100 % : 42 = 2,38 %)

Der Prozentsatz muss mindestens 2,25 % betragen und darf 2,5 % nicht übersteigen

→ Die Versicherte erhält für jedes Versicherungsjahr 2,38 % ihrer Voll-Leistung.

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