Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsversagung. Nichterscheinen zu einem psychologischen Untersuchungstermin. keine Anwendung des § 66 SGB 1. sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage. Erlass einer Regelungsanordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Widerspruch und Klage gegen eine Leistungsversagung wegen fehlender Mitwirkung gem § 66 SGB 1 haben aufschiebende Wirkung gem § 86a Abs 1 S 1 SGG. Um effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, kann eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 S 2 SGG ergehen, obwohl in der Hauptsache allein die isolierte Anfechtungsklage die richtige Klageart darstellt.

2. Verweigert ein SGB 2-Empfänger es, sich ärztlich oder psychologisch untersuchen zu lassen, kann eine Sanktion nach § 31 Abs 2 SGB 2 ergehen. Der Gesetzgeber hat in § 59 SGB 2 iVm § 309 Abs 1 S 1 SGB 3 eine spezielle Regelung getroffen, die die Anwendung des SGB 1 ausschließt.

2. Ist nicht geklärt, ob derjenige, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende begehrt, erwerbsfähig ist, hat der SGB 2-Träger nach § 44a Abs 1 SGB 2 bis zu einer Entscheidung der Einigungsstelle über die Erwerbsfähigkeit Leistungen zu erbringen.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13.12.2010 abgeändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig vom 11.11.2010 bis zum 31.07.2011, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in den Hauptsachen (Az.: S 7 AS 909/10 und Antrag v. 23.12.2010), Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin trägt 1/2 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch, 2. Buch -SGB II- im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die 1968 geborene Antragstellerin bezog von 1988 bis Ende 2004 Leistungen nach dem BSHG. Vom 01.01.2005 bis 31.12.2008 gewährte die Antragsgegnerin ihr Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 22.12.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2009 versagte die Antragsgegnerin eine Leistungsgewährung ab dem 01.01.2009 wegen fehlender Mitwirkung der Antragstellerin, da diese sich geweigert habe, an den Feststellungen zu ihrer gesundheitlichen Leistungsfähigkeit (Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens) mitzuwirken. Das Verfahren ist vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main unter dem Az.: S 7 AS 562/09 anhängig. Auf einen weiteren Antrag vom 18.03.2009 versagte die Antragsgegnerin mit gleicher Begründung mit Bescheid vom 31.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 (Klage vor dem Sozialgericht Az.: S 7 AS 1411/09) Leistungen. Auch auf den Antrag vom 11.11.2009 versagte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 12.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2010 die Leistungen. Zur Begründung führte sie aus, wie bereits mit den vorangegangenen Bescheiden mitgeteilt, sei zur Beurteilung der Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin eine ärztliche Untersuchung erforderlich. Nach Aktenlage ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin beabsichtige, ihrer Mitwirkungspflicht nachzukommen. Aus diesem Grund verbleibe es bei der in den vorangegangenen Bescheiden ausgesprochenen Leistungsversagung auf der Grundlage der §§ 60, 62 und 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch -SGB I-. Die Antragstellerin erhob hiergegen Klage, die beim Sozialgericht Frankfurt am Main unter dem Az.: S 7 AS 909/10 anhängig ist.

Am 11.11.2010 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Sie trägt - wie bereits in der Vergangenheit - vor, erwerbsunfähig krank zu sein. Die Versagungsbescheide seien rechtswidrig, da sie zum Zeitpunkt des anberaumten Untersuchungstermins am 11.12.2008 arbeitsunfähig krank gewesen sei und dies durch Vorlage eines ärztlichen Attestes nachgewiesen habe.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, es läge kein aktueller Leistungsantrag der Antragstellerin vor. Daraufhin hat das Sozialgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 13.12.2010 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Die Antragstellerin habe nicht dargelegt, für welchen Zeitraum sie Leistungen begehre und die Antragsgegnerin habe unwidersprochen vorgetragen, dass kein Antrag auf SGB II-Leistungen gestellt worden sei.

Gegen den ihr am 16.12.2010 zugestellten Beschluss hat die Antragsstellerin am 22.12.2010 Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. In ihrer Antragsschrift vom 11.11.2010 habe sie klar gemacht, SGB II-Leistungen zu benötigen. Der Antrag beziehe sich eindeutig auf alle drei Ablehnungsbescheide -...

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