Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehr Urlaubstage für ältere Beschäftigte. Ungleichbehandlung und Diskriminierung. Sachliche Rechtfertigung für Ungleichbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

§ 5 Abs. 1 der Hessischen Urlaubsverordnung in der Fassung vom 12. Dez. 2006 ist wirksam, soweit die Vorschrift für Beschäftigte über 50 Jahren 3 Urlaubstage mehr vorsieht, als für Beschäftigte, die das 50ste Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Diese Differenzierung verstößt nicht gegen Art. 6 der RL 2000/78/EG oder § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG, weil sie gem. Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 der RL 2000/78/EG und gem. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt ist. Sie dient dem Schutz älterer Beschäftigter, gleicht nämlich deren erhöhtes Erholungsbedürfnis und ihre längeren Regenerationszeiten aus.

 

Normenkette

UrlV HE § 5 Fassung: 2006-12-12; EGRL 78/2000; AGG §§ 10, 1, 7; BUrlG § 7 Abs. 3 S. 1; HUrlVO 2006 § 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Entscheidung vom 24.04.2013; Aktenzeichen 8 Ca 355/12)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 24. April 2013 - 8 Ca 355/12 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der zweiten Instanz noch um die Frage, ob dem Kläger für das Jahr 2012 ein weiterer Urlaubsanspruch in Höhe von drei Urlaubstagen zusteht, sodass sich sein Gesamturlaubsanspruch für dieses Jahr auf 33 Urlaubstage beläuft.

Der beklagte Verein ist Träger von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen in der Region A. Der am ... geborene Kläger ist seit dem 01. November 1996 bei dem beklagten Verein auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26. September 1996 (Bl. 5 d.A.) als Gruppenleiter beschäftigt.

§ 5 des Arbeitsvertrags vom 26. September 1996 lautet:

"§ 5

Der Jahresurlaub wird entsprechend der Urlaubsverordnung für das Land Hessen oder den an deren Stelle tretenden Vorschriften gewährt. Bei der Terminierung des Jahresurlaubs ist auf die Gegebenheiten der Einrichtungen Rücksicht zu nehmen."

Im Jahr 2012 gewährte der Beklagte dem Kläger einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen.

Der im Jahr 2012 maßgebliche § 5 Abs. 1 der Hessischen Urlaubsverordnung in der Fassung vom 12. Dezember 2006 (künftig HUrlVO 2006) lautete:

"§ 5

Urlaubsdauer

(1) Der Urlaubsanspruch richtet sich nach dem Lebensalter, das im Laufe des Kalenderjahres erreicht wird. Er beträgt bei einem Lebensalter von

bis zu 30 Jahren

26 Arbeitstage,

über 30 bis 40 Jahren

29 Arbeitstage,

über 40 bis 50 Jahren

30 Arbeitstage,

über 50 Jahren

33 Arbeitstage,

wenn die regelmäßige Arbeitszeit auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt ist."

Der Kläger hat mit seiner am 20. November 2012 beim Arbeitsgericht Gießen eingegangenen, dem Beklagten am 21. November 2012 zugestellten Klage die Feststellung begehrt, dass ihm für das Jahr 2012 ein weiterer Urlaubsanspruch von drei Urlaubstagen zusteht sowie Zahlung von 439 Euro brutto Vergütungsdifferenz für die Zeit von Mai 2008 bis Februar 2099 gefordert.

Er hat die Ansicht vertreten, § 5 HUrlVO 2006 verstoße mit der dort enthaltenen Bemessung des Urlaubs nach Altersstufen gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. Die Staffelung des Urlaubsanspruchs nach dem Alter des Arbeitnehmers sei deshalb insgesamt unwirksam, was eine Anpassung seines Urlaubsanspruchs auf 33 Tage, nämlich auf den Umfang des für die über 50-jährigen Beschäftigten vorgesehenen Urlaubsanspruchs zur Folge habe.

Betreffend den Zahlungsantrag zu 2) haben die Parteien im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 24. April 2013 einen Teilvergleich geschlossen.

Der Kläger hat soweit für die Berufungsinstanz von Interesse zuletzt beantragt,

festzustellen, dass ihm für das Jahr 2012 ein weiterer Urlaubsanspruch von drei Urlaubstagen zusteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, § 5 HUrlVO 2006 sei jedenfalls insoweit wirksam, als die Staffelung des Urlaubsanspruchs zwischen den über und den unter 50-jährigen Beschäftigten differenziere. Insoweit liege keine verbotene Diskriminierung vor, weil es für den Personenkreis der über 50-jährigen Beschäftigten einen die längere Urlaubsdauer rechtfertigenden Grund gebe, nämlich den des Gesundheitsschutzes wegen eines gesteigerten Erholungsbedürfnisses.

Das Arbeitsgericht Gießen hat mit seinem Urteil vom 24. April 2013 - 8 Ca 355/12 - (Bl. 35- 43 d.A.) die Klage abgewiesen und angenommen, sie sei zwar zulässig, aber unbegründet. Insoweit geht das Arbeitsgericht davon aus, dass die für den Urlaubsanspruch 2012 gültige Urlaubsregelung des § 5 HUrlVO 2006 keine unzulässige Altersdiskriminierung iSd. § 1 AGG i. V. m. § 3 Abs. 1 AGG enthalte, soweit den über 50-Jährigen ein Urlaubsanspruch von 33 Tagen eingeräumt werde. Die Steigerung des Urlaubsanspruchs für Beschäftigte über 50 Jahre um drei Tage sei sowohl im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG als auch im Sinne des § 10 AGG sachlich gerechtfertigt. Insoweit sei davon auszugehen, dass ältere Arbeitnehmer auf Grund längerer ...

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