1. Allgemeines Streikverbot für Beamte nach deutschem Verfassungsrecht

    Zwischen Beamten und ihren Dienstherrn besteht kein privatrechtliches Arbeitsverhältnis, sondern ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, das durch Gesetz inhaltlich bestimmt wird. Es fehlt daher die Möglichkeit, durch Tarifverträge das Beamtenverhältnis oder einzelne Teile davon zu regeln. Beamte haben deshalb kein Arbeitskampfrecht. Das Streikverbot für deutsche Beamte gehört nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zu einem in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums.[1] Die Teilnahme an Arbeitskampfmaßnahmen oder ihre Unterstützung stellt eine Dienstpflichtverletzung dar. Auf einen "Verbotsirrtum" können sich weder Beamte noch Verbände oder Gewerkschaften berufen.

  2. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Streikrecht und neuere obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung zum verfassungsrechtlichen Streikverbot für Beamte

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass auch Angehörige des öffentlichen Dienstes ein Streikrecht besitzen, welches nach Art. 11 Abs. 2 EMRK zwar eingeschränkt, aber nicht generell ausgeschlossen werden könne.[2] Zuvor hatte der EGMR bereits in einer anderen Entscheidung Art. 11 EMRK erstmals dahin ausgelegt, dass auch Angehörige des öffentlichen Dienstes das Recht hätten, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen und dass die Gewerkschaften ein Recht auf Kollektivverhandlungen hätten.[3]

    Das OVG Münster hat in einem neueren Urteil die Ansicht vertreten, dass sich aus den genannten Entscheidungen des EGMR bereits kein Streikrecht für deutsche Beamte ableiten lasse.[4] Ebenso hat das OVG Lüneburg ein Streik-recht für deutsche Beamte aufgrund der Rechtsprechung des EGMR abgelehnt.[5]

    Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 7. März 2012 im Wesentlichen bestätigt und klargestellt, dass das beamtenrechtliche Streikverbot weiterhin zunächst vollumfassend Geltung beanspruche.[6] Das Bundesverwaltungsgericht bekräftigt in seinem Urteil, dass Beamte nicht berechtigt seien, sich an kollektiven Kampfmaßnahmen zu beteiligen oder diese zu unterstützen. Insoweit sei das umfassende Verbot kollektiver Kampfmaßnahmen, das die Koalitionsfreiheit der Beamten nach Art. 9 Abs. 3 GG beschränke, sowohl in den grundlegenden, durch Art. 33 Abs. 5 GG vorgegebenen Beamtenpflichten als auch in dem Strukturprinzip der hoheitlichen Gestaltung des Beamtenverhältnisses verankert. Dieses Verbot gelte aufgrund seiner inhaltlichen Bestimmtheit unmittelbar für alle Beamten gleichermaßen auch ohne gesetzliche Verbotsregelungen. Unter Würdigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in den Fällen "Demir und Baykara" sowie "Enerji Yapi-Yol Sen" führt das Bundesverwaltungsgericht weiter aus, dass Art. 11 EMRK denjenigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes ein Recht auf Tarifverhandlungen und kollektive Kampfmaßnahmen einräume, die nach ihrem Aufgabenbereich nicht an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse, wie Streitkräfte, Polizei und Staatsverwaltung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK beteiligt seien. Damit bestehe ein Kollisionsfall zwischen den inhaltlich unvereinbaren Anforderungen des Art. 33 Abs. 5 GG und des Art. 11 EMRK. Hier einen Ausgleich herbeizuführen sei Aufgabe des Bundesgesetzgebers. Bis dahin verbleibe es bei der Geltung des umfassenden beamtenrechtlichen Streikverbots nach Art. 33 Abs. 5 GG.

    Mit Urteil vom 12. Juni 2018 hat das Bundesverfassungsgericht[7] entschieden, dass das Streikverbot für Beamte verfassungsgemäß ist und vier Verfassungsbeschwerden darunter auch gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2014 und gegen das Urteil des Oberverwaltungsgericht Lüneburg vom 12. Juni 2012 zurückgewiesen. Die Beschränkung der Koalitionsfreiheit durch das Streikverbot sei gerechtfertigt, da das Verbot als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums verfassungsrechtlich geschützt und untrennbar mit dessen Kernprinzipien verbunden sei. Es stehe auch im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention.

[1] BVerwG, 19.9.1984, BVerwG 1 D 38.84; BVerwG, 3.12.1980, BVerwG 1 D 86.79; BVerfG, 19.9.2007, 2 BvF 3/02; BVerfG, 30.3.1977, 2 BvR 1039/75; BVerfG, 11.6.1958, BvR 1/52.
[2] EGMR, 21.4.2009, 68959/01, NZA 2010, 1423 – Enerji Yapi-Yol Sen.
[3] EGMR, 12.11.2008, 34503/97, NZA 2010, 1425 – Demir und Baykara.
[4] OVG Münster, 7.3.2012, 3 d A 317/11.0.
[5] OVG Lüneburg, 12.6.2012, 20 BD 7/11.
[6] BVerwG, 27.2.2014, BVerwG 2 C 1.13, PersR 2014, 269.
[7] BVerfG, 12. Juni 2018, 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15.

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