Die meisten Arbeitsverträge enthalten eine sog. Bezugnahmeklausel, d. h. im Arbeitsvertrag wird die Anwendung eines Tarifvertrags vereinbart, unabhängig davon, ob der Beschäftigte Gewerkschaftsmitglied ist oder nicht. Die Arbeitsvertragsmuster des öffentlichen Dienstes enthalten die Formulierung "bestimmt sich nach der durchgeschriebenen Fassung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) für den Dienstleistungsbereich … und den ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung". Hierdurch werden die nicht tarifgebundenen Beschäftigten den tarifgebundenen gleichgestellt und es gilt im Betrieb ein einheitlicher Tarifvertrag für alle.

Bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern war damit nach alter Rechtsprechung ein Tarifvertrag grundsätzlich dynamisch vereinbart. Ebenso bei tarifgebundenen Arbeitgebern, bei diesen wandelte sich jedoch die Verweisung im Falle eines Austritts aus dem Arbeitgeberverband in eine statische um, d. h. nach einem Austritt aus dem Arbeitgeberverband wurden keine weiteren Entgelterhöhungen und Tarifvertragsänderungen umgesetzt.

Das BAG hatte im Jahr 2005 angekündigt, diese Klausel aufgrund des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes streng wörtlich auszulegen, denn die Unklarheitsregelung des § 305c Abs. 2 BGB findet auch auf Arbeitsverträge Anwendung. Danach gilt die Bezugnahmeklausel in Arbeitsverträgen, die ab dem 1.1.2002 vereinbart wurden, nicht mehr als Gleichstellungsklausel. Dies ist von Bedeutung im Falle eines Austritts aus dem Arbeitgeberverband, eines Branchenwechsels oder der Übernahme des Arbeitgebers durch einen nicht tarifgebundenen Arbeitgeber. In diesen Fällen soll die Verpflichtung des Arbeitgebers für ab dem 1.1.2002 abgeschlossene Verträge fortbestehen, den genannten Tarifvertrag anzuwenden und zukünftige Tariferhöhungen umzusetzen. Wenn keine Anhaltspunkte innerhalb und außerhalb des Arbeitsvertrags vorliegen, stellt dies eine dynamische Verweisung auf das Tarifrecht dar, so dass ein Wechsel zu einer statischen Verweisung nicht mehr möglich ist.[1]

Im Jahr 2007 hat das BAG entschieden, dass eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel ist, die durch einen Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einen sonstigen Wegfall seiner Tarifgebundenheit nicht berührt wird ("unbedingte zeitdynamische Verweisung"). Aus Gründen des Vertrauensschutzes sind derartige Klauseln, die vor dem 1.1.2002 (Inkrafttreten der Schuldrechtsreform) vereinbart wurden, weiterhin als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen.[2] Es gibt keine zeitliche Begrenzung für den Vertrauensschutz der vor dem 1.1.2002 abgeschlossenen Verträge.[3]

 
Praxis-Beispiel

Arbeitsvertrag vor dem 1.1.2002 geschlossen mit einer dynamischen Verweisung auf die gegenüber einem tarifgebundenen Arbeitgeber geltenden Tarifverträge:

Dies ist grds. eine Gleichstellungsabrede, d. h. der Arbeitgeber will die tarifgebundenen und die nicht tarifgebundenen Beschäftigten gleichstellen. Im Falle eines Austritts aus dem Arbeitgeberverband wirken die Tarifverträge statisch nach, d. h. Tarifvertragsänderungen und Lohnrunden finden keine Anwendung.

Arbeitsvertrag ab dem 1.1.2002 geschlossen mit einer dynamischen Verweisung auf die gegenüber einem tarifgebundenen Arbeitgeber geltenden Tarifverträge:

Auch nach einem Austritt aus dem Arbeitgeberverband ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle nachfolgenden Tarifvertragsänderungen, Lohnrunden und ergänzenden Tarifverträge anzuwenden, eine sog. ewige Tarifdynamik. Zur Abhilfe könnte der klarstellende Hinweis im Arbeitsvertrag aufgenommen werden, dass die Tarifgebundenheit eine auflösende Bedingung für diese Vereinbarung darstellt.[4]

 
Praxis-Tipp

Um diese Rechtsfolge zu vermeiden, können in Verträgen Möglichkeiten aufgezählt werden, die einer Fortsetzung der Tarifbindung entgegenstehen. Denkbar ist aber auch eine sog. Tarifwechselklausel oder große dynamische Bezugnahmeklausel, die auf den für den Arbeitgeber jeweils maßgebenden Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung verweist.[5]

[1] BAG, Urteil v. 14.12.2005, 4 AZR 536/04; Richard Giesen, Bezugnahmeklauseln – Auslegung, Formulierung und Änderung, NZA 2006 S. 625; Ulrich Preis/Viola Lindemann, Änderungsvorbehalte – Das BAG durchschlägt den gordischen Knoten, NZA 2006 S. 632; Gernod Meinel/Sascha Herms, Änderung der BAG-Rechtsprechung zu Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen, DB 2006 S. 1429; vgl. auch LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 26.11.2019, 5 Sa 183/18.
[2] BAG, Urteil v. 18.4.2007, 4 AZR 652/05; die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde (1 BvR 796/09) wurde aufgrund Beschluss des BVerfG v. 21.4.2009 nicht zur Entscheidun...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge