Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Freizügigkeit des Arbeitnehmer nach Art. 48 und dem Niederlassungsrecht nach Art. 52 EWG-Vertrag eines in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund eines Postgraduiertenstudiums verliehenen akademischen Grades. Zum Umfang der behördlichen Genehmigung bzgl. Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1.

Die Situation eines Gemeinschaftsangehörigen, der Inhaber eines in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund eines Postgraduiertenstudiums verliehenen akademischen Grades ist, der den Zugang zu einem Beruf, zumindest aber die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit erleichtert, unterliegt auch insofern dem Gemeinschaftsrecht, als es um die Beziehungen des Betreffenden zu dem Mitgliedstaat geht, dessen Staatsangehöriger er ist.

2.

Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und das Niederlassungsrecht, die durch die Artikel 48 und 52 EWG-Vertrag garantiert werden, stellen nämlich im System der Gemeinschaft grundlegende Freiheiten dar, die nicht voll verwirklicht wären, wenn die Mitgliedstaaten die Anwendung des Gemeinschaftsrechts denjenigen ihrer Staatsangehörigen versagen dürften, die von den im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Erleichterungen Gebrauch gemacht und dank dieser Erleichterungen berufliche Qualifikationen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen erworben haben, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen.

3.

In Anbetracht des Umstands, daß die Notwendigkeit, eine nicht unbedingt sachkundige Öffentlichkeit vor der mißbräuchlichen Führung akademischer Grade zu schützen, die nicht in Übereinstimmung mit den entsprechenden Vorschriften des Landes verliehen wurden, in dem der Inhaber des Grades diesen führen will, ein berechtigtes Interesse darstellt, das eine Beschränkung der durch den EWG-Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten seitens des betreffenden Mitgliedstaats rechtfertigen kann, die einer seiner Staatsangehörigen in Anspruch genommen hat, indem er sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben hat, um dort seine Ausbildung zu ergänzen, und solange nicht die Voraussetzungen harmonisiert worden sind, unter denen Inhaber eines aufgrund eines Postgraduiertenstudiums erworbenen akademischen Grades diesen in anderen Mitgliedstaaten als dem führen dürfen, in dem er verliehen wurde, sind die Artikel 48 und 52 EWG-Vertrag dahin auszulegen, daß es nicht im Widerspruch zu ihnen steht, wenn ein Mitgliedstaat es einem seiner Staatsangehörigen, der Inhaber eines in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund eines Postgraduiertenstudiums verliehenen akademischen Grades ist, verbietet, diesen Grad in seinem Hoheitsgebiet ohne vorherige behördliche Genehmigung zu führen.

4.

Das behördliche Verfahren, dem sich der Betroffene hierzu unterziehen muß, darf nur bezwecken, zu überprüfen, ob der aufgrund eines Postgraduiertenstudiums erworbene akademische Grad ordnungsgemäß verliehen worden ist, es muß leicht zugänglich sein und es darf nicht von der Zahlung überhöhter Verwaltungsgebühren abhängen; jede Entscheidung, mit der eine Genehmigung abgelehnt wird, muß gerichtlich überprüft werden können, der Betroffene muß von den Gründen Kenntnis erlangen können, die dieser Entscheidung zugrunde liegen, und die für den Fall der Nichtbeachtung des Genehmigungsverfahrens vorgesehenen Sanktionen dürfen nicht außer Verhältnis zur Schwere des Verstoßes stehen.

 

Normenkette

EWGVtr Art. 48, 52

 

Beteiligte

Dieter Kraus

Land Baden-Württemberg

 

Fundstellen

Haufe-Index 1150945

NJW 1994, 1465

NVwZ 1993, 661

EuZW 1993, 322

EuZW 2017, 27

WissR 1993, 272

DVBl. 1993, 1307

www.judicialis.de 1993

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