Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Artikel 10 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates. Nichtverlängerung der Aufenthaltsgenehmigung eines türkischen Arbeitnehmers

 

Beteiligte

Güzeli

Hasan Güzeli

Oberbürgermeister der Stadt Aachen

 

Tenor

Artikel 6 Absatz 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation ist in dem Sinne auszulegen, dass sich ein türkischer Arbeitnehmer auf die ihm von dieser Vorschrift verliehenen Rechte nur berufen kann, wenn seine Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis bei einem zweiten Arbeitgeber mit den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise in dessen Hoheitsgebiet und über die Beschäftigung vereinbar ist. Es ist Sache des nationalen Gerichts, die erforderlichen Feststellungen zu treffen, um zu klären, ob dies bei einem türkischen Arbeitnehmer, der vor Ablauf des in Artikel 6 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich dieses Beschlusses vorgesehenen Dreijahreszeitraums den Arbeitgeber gewechselt hat, der Fall ist.

Artikel 6 Absatz 2 Satz 2 des Beschlusses Nr. 1/80 ist in dem Sinne auszulegen, dass Zeiträume der Unterbrechung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit oder langer Krankheit die Ansprüche, die ein türkischer Arbeitnehmer aufgrund vorher zurückgelegter Beschäftigungszeiten, deren Dauer jeweils in einem der drei Gedankenstriche des Absatzes 1 dieses Artikels festgelegt ist, bereits erworben hat, nicht berühren.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgericht Aachen (Deutschland) mit Entscheidung vom 29. Dezember 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Januar 2005, in dem Verfahren

Hasan Güzeli

gegen

Oberbürgermeister der Stadt Aachen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter K. Lenaerts und K. Schiemann (Berichterstatter),

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Güzeli, vertreten durch Rechtsanwalt R. Hofmann,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,
  • der slowakischen Regierung, vertreten durch R. Procházka als Bevollmächtigten,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz und G. Rozet als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. März 2006

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 10 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: Beschluss Nr. 1/80). Der Assoziationsrat wurde durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichtet, das am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnet und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685) im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Güzeli, einem türkischen Staatsangehörigen, und dem Oberbürgermeister der Stadt Aachen (im Folgenden: Oberbürgermeister) wegen dessen Weigerung, die Aufenthaltserlaubnis von Herrn Güzeli zu verlängern.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

3 Artikel 6 Absätze 1 und 2 des Beschlusses Nr. 1/80 lautet:

„(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat

  • nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
  • nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung – vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs – das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
  • nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden...

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