Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer. Rechtswidrig entlassener und durch eine Gerichtsentscheidung wieder in seine Funktionen eingesetzter Arbeitnehmer. Ausschluss des Anspruchs auf den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub für den Zeitraum zwischen der Entlassung und der Wiederaufnahme der Beschäftigung. Kein Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Jahresurlaub für denselben Zeitraum im Fall einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses

 

Normenkette

Richtlinie 2003/88/EG Art. 7

 

Beteiligte

Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria

QH

CV

Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria

Iccrea Banca SpA

 

Tenor

1. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, wonach ein Arbeitnehmer, der rechtswidrig entlassen wurde und sodann nach nationalem Recht infolge der Nichtigerklärung seiner Entlassung durch eine Gerichtsentscheidung seine Beschäftigung wieder aufgenommen hat, deshalb keinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub für den Zeitraum zwischen dem Tag der Entlassung und dem Tag der Wiederaufnahme seiner Beschäftigung hat, weil er während dieses Zeitraums keine tatsächliche Arbeitsleistung für den Arbeitgeber erbracht hat.

2. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, wonach der betreffende Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, nachdem er rechtswidrig entlassen worden war und sodann nach nationalem Recht infolge der Nichtigerklärung seiner Entlassung durch eine Gerichtsentscheidung seine Beschäftigung wieder aufgenommen hatte, keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für während des Zeitraums vom Tag der rechtswidrigen Entlassung bis zum Tag der Wiederaufnahme seiner Beschäftigung nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub hat.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Rayonen sad Haskovo (Kreisgericht Haskovo, Bulgarien) (C-762/18) und von der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) (C-37/19) mit Entscheidungen vom 26. November und vom 27. November 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Dezember 2018 bzw. am 21. Januar 2019, in den Verfahren

QH

gegen

Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria,

Beteiligte:

Prokuratura na Republika Bulgaria (C-762/18),

und

CV

gegen

Iccrea Banca SpA (C-37/19)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader und des Richters N. Jääskinen,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von QH, vertreten durch S. Lateva und A. Slavchev, advokati,
  • des Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria, vertreten durch M. Hristova-Nikolova, Z. Stoykov und L. Panov als Bevollmächtigte,
  • von CV, vertreten durch F. Proietti, avvocato,
  • der Iccrea Banca SpA, vertreten durch A. Maresca und F. Boccia, avvocati,
  • der bulgarischen Regierung, vertreten durch E. Petranova und L. Zaharieva als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. Fiandaca, avvocato dello Stato,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, D. Lutostańska und A. Siwek-Šlusarek als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek, C. Zadra und Y. G. Marinova als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Januar 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9) und von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

Rz. 2

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zum einen zwischen QH und dem Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria (Oberstes Kassationsgericht der Republik Bulgarien, im Folgenden: Kassationsgericht) über die Anwendung einer vermeintlich mit dem Unionsrecht unvereinbaren Rechtsprechung durch dieses Gericht, die zur Folge hatte, dass QH eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub für den Zeitraum zwischen dem Tag ihrer rechtswidrigen Entlassung und dem Tag der Wiederaufnahme ihrer Beschäftigung versagt wurde (Rechtssache C-762/18), und zum anderen zwischen CV und der Iccrea Banca Spa über einen ähnlichen Sachverhalt (Rechtssache C-37/19).

Rechtlicher Rahm...

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