Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Entlohnung. Zuordnung zu den Stufen eines Entgeltsystems. Entgeltsystem, das ein höheres Entgelt an die Dauer der Beschäftigung beim selben Arbeitgeber knüpft. Begrenzte Anrechnung der einschlägigen Vordienstzeiten, die bei einem in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsmitgliedstaat ansässigen Arbeitgeber zurückgelegt wurden

 

Normenkette

AEUV Art. 45 Abs. 1

 

Beteiligte

Land Niedersachsen

WN

Land Niedersachsen

 

Tenor

Art. 45 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die für die Ermittlung der Höhe des Entgelts eines als Lehrer bei einer Gebietskörperschaft beschäftigten Arbeitnehmers die Vordienstzeiten, die von diesem Arbeitnehmer bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen anderen Arbeitgeber als dieser Gebietskörperschaft zurückgelegt wurden, nur im Umfang von insgesamt bis zu drei Jahren berücksichtigt, wenn diese Tätigkeit derjenigen gleichwertig ist, die der Arbeitnehmer im Rahmen dieser Tätigkeit als Lehrer auszuüben hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. Oktober 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 14. November 2018, in dem Verfahren

WN

gegen

Land Niedersachsen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. G. Xuereb sowie der Richter A. Arabadjiev (Berichterstatter) und A. Kumin,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von WN, vertreten durch Rechtsanwalt K. Otte,
  • des Landes Niedersachsen, vertreten durch Rechtsanwältin J. Rasche,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und S. Eisenberg als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 AEUV und von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen WN und dem Land Niedersachsen (Deutschland) über die teilweise Anrechnung der einschlägigen Vordienstzeiten, die die Klägerin des Ausgangsverfahrens bei einem in Frankreich ansässigen Arbeitgeber zurückgelegt hat, für die Bestimmung der Höhe ihres Entgelts.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 sieht vor:

„Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.”

Rz. 4

Art. 1 der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43, im Folgenden: Rahmenvereinbarung) sieht die Durchführung dieser Vereinbarung im Anhang dieser Richtlinie vor.

Rz. 5

Paragraf 3 („Definitionen”) der Rahmenvereinbarung lautet:

„Im Sinne dieser Vereinbarung ist:

  1. ‚befristet beschäftigter Arbeitnehmer’ eine Person mit einem direkt zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag oder -verhältnis, dessen Ende durch objektive Bedingungen wie das Erreichen eines bestimmten Datums, die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe oder das Eintreten eines bestimmten Ereignisses bestimmt wird.
  2. ‚vergleichbarer Dauerbeschäftigter’ ein Arbeitnehmer desselben Betriebs mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag oder -verhältnis, der in der gleichen oder einer ähnlichen Arbeit/Beschäftigung tätig ist, wobei auch die Qualifikationen/Fertigkeiten angemessen zu berücksichtigen sind. Ist in demselben Betrieb kein vergleichbarer Dauerbeschäftigter vorhanden, erfolgt der Vergleich anhand des anwendbaren Tarifvertrags oder in Ermangelung eines solchen gemäß den einzelstaatlichen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen oder Gepflogenheiten.”

Rz. 6

Paragraf 4 („Grundsatz der Nichtdiskriminierung”) der Rahmenvereinbarung hat folgenden Wortlaut:

  1. „Befristet beschäftige Arbeitnehmer dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt, gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.
  2. Es gilt, wo dies angemessen ist, der Pro-rata-temporis-Grundsatz.
  3. Die...

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