Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialpolitik – Gleichbehandlung von Männern und Frauen – Regelung über Altersteilzeitarbeit – Richtlinie 76/207/EWG – Mittelbare Diskriminierung – Objektive Rechtfertigung. ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Arbeitsgericht Hamburg (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

 

Normenkette

EWGRL 207/76

 

Beteiligte

Kutz-Bauer

Helga Kutz-Bauer

Freie und Hansestadt Hamburg

 

Tenor

1. Die Artikel 2 Absatz 1 und 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen sind dahin auszulegen, dass sie einer tarifvertraglichen Regelung für den öffentlichen Dienst, die männlichen wie weiblichen Beschäftigten die Inanspruchnahme von Altersteilzeitarbeit erlaubt, entgegenstehen, wenn nach dieser Regelung die Berechtigung zur Altersteilzeitarbeit nur bis zu dem Zeitpunkt besteht, in dem erstmals eine ungekürzte Rente aus der gesetzlichen Altersversorgung in Anspruch genommen werden kann, und wenn die Gruppe der Personen, die eine solche Rente bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres beziehen können, fast ausschließlich aus Frauen besteht, während die Gruppe, die eine solche Rente erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres beziehen kann, fast ausschließlich aus Männern besteht, es sei denn, diese Regelung ist durch objektive Faktoren gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben.

2. Im Falle eines Verstoßes gegen die Richtlinie 76/207 durch gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen, die eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, sind die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie diese Regelungen zugunsten der benachteiligten Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise zu beantragen oder abzuwarten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-187/00

Helga Kutz-Bauer

gegen

Freie und Hansestadt Hamburg

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 2 Absatz 1 und 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer R. Schintgen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richter C. Gulmann und V. Skouris, der Richterin F. Macken (Berichterstatterin) und des Richters J. N. Cunha Rodrigues,

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen:

  • von Helga Kutz-Bauer, vertreten durch Rechtsanwalt K. Bertelsmann,
  • der Freien und Hansestadt Hamburg, vertreten durch Rechtsanwalt T. Scholle,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und T. Jürgensen als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Sack als Bevollmächtigten,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Frau Kutz-Bauer, der Freien und Hansestadt Hamburg, der deutschen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 23. Oktober 2001,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Februar 2002

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1.

Das Arbeitsgericht Hamburg (Deutschland) hat mit Beschluss vom 3. Mai 2000 und ergänzender Begründung vom 29. Juni 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Mai bzw. 4. Juli 2000, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 2 Absatz 1 und 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Kutz-Bauer (nachstehend: Klägerin) und der Freien und Hansestadt Hamburg (nachstehend: Beklagte), in dem es um den Ausschluss der Klägerin von der nach einer tarifvertraglichen Regelung für den öffentlichen Dienst möglichen Inanspruchnahme von Altersteilzeitarbeit geht.

Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften

Die Richtlinie 76/207

3.

Die Richtlinie 76/207 hat nach ihrem Artikel 1 Absatz 1 zum Ziel, dass in den Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs, und des Zugangs zur Berufsbildung sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und in Bezug auf die soziale Sicherheit unter den...

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