Entscheidungsstichwort (Thema)

Richtlinie 2000/78/EG. Art. 2 Abs. 5, 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1. Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. Verkehrsflugzeugführer. Tarifvertrag. Klausel zur automatischen Beendigung der Arbeitsverträge bei Vollendung des 60. Lebensjahres

 

Beteiligte

Prigge u.a

Reinhard Prigge

Michael Fromm

Volker Lambach

Deutsche Lufthansa AG

 

Tenor

Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten über Ermächtigungsvorschriften den Sozialpartnern gestatten können, Maßnahmen im Sinne dieses Art. 2 Abs. 5 auf den in dieser Bestimmung genannten Gebieten, die in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen fallen, zu treffen, vorausgesetzt, diese Ermächtigungsvorschriften sind hinreichend genau, damit gewährleistet wird, dass die genannten Maßnahmen die in Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie genannten Anforderungen beachten. Eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die die Altersgrenze, ab der Piloten ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen dürfen, auf 60 Jahre festlegt, während die nationale und die internationale Regelung dieses Alter auf 65 Jahre festlegen, ist keine Maßnahme, die für die öffentliche Sicherheit und den Schutz der Gesundheit im Sinne dieses Art. 2 Abs. 5 notwendig ist.

Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass er einer tarifvertraglichen Klausel entgegensteht, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende die Altersgrenze, ab der Piloten als körperlich nicht mehr fähig zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gelten, auf 60 Jahre festlegt, während die nationale und die internationale Regelung dieses Alter auf 65 Jahre festlegen.

Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass die Flugsicherheit kein legitimes Ziel im Sinne dieser Vorschrift ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 17. Juni 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 18. November 2009, in dem Verfahren

Reinhard Prigge,

Michael Fromm,

Volker Lambach

gegen

Deutsche Lufthansa AG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.-C. Bonichot, K. Schiemann und D. Šváby, der Richterin R. Silva de Lapuerta, des Richters E. Juhász, der Richterinnen P. Lindh (Berichterstatterin), M. Berger und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von R. Prigge, M. Fromm und V. Lambach, vertreten durch die Rechtsanwälte E. Helmig und J. Rodríguez Nieto,
  • der Deutschen Lufthansa AG, vertreten durch die Rechtsanwältinnen K. Streichardt und C. Kremser-Wolf,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
  • von Irland, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von D. Keane, SC,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren und V. Kreuschitz als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Mai 2011

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 2 Abs. 5, 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits von Herrn Prigge, Herrn Fromm und Herrn Lambach gegen ihre Arbeitgeberin Deutsche Lufthansa AG (im Folgenden: Deutsche Lufthansa) wegen der nach einer tarifvertraglichen Klausel bei Vollendung des 60. Lebensjahres automatisch eintretenden Beendigung ihrer Arbeitsverträge.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der Zweck der Richtlinie 2000/78 ist nach ihrem Art. 1 die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.

Rz. 4

In den Erwägungsgründen 23, 25 und 36 dieser Richtlinie heißt es:

„(23) Unter sehr begrenzten Bedingungen kann eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein, wenn ein Merkmal, das mit der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, dem Alter oder der sexuellen Ausrichtung zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. …

(25) Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters stellt ein wesentliches Element zur Erreichung der Zie...

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