Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Beamter eines Mitgliedstaats, der aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden ist, um eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben. Nationale Regelung, die für diesen Fall den Verlust des im öffentlichen Dienst erworbenen Anspruchs auf Ruhegehalt und die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung vorsieht

 

Normenkette

AEUV Art. 45

 

Beteiligte

Pöpperl

Joachim Pöpperl

Land Nordrhein-Westfalen

 

Tenor

1. Art. 45 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, nach der eine in einem Mitgliedstaat verbeamtete Person, die auf eigenen Wunsch aus dem Beamtenverhältnis ausscheidet, um eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, ihre Ansprüche auf Ruhegehalt aus der Beamtenversorgung verliert und in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert wird, wobei die daraus folgenden Altersrentenansprüche niedriger als die Ruhegehaltsansprüche sind.

2. Art. 45 AEUV ist dahin auszulegen, dass es dem nationalen Gericht obliegt, für die volle Wirksamkeit dieses Artikels Sorge zu tragen und den Arbeitnehmern in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ruhegehalts- bzw. Altersrentenansprüche zuzuerkennen, die jenen von Beamten vergleichbar sind, die trotz eines Dienstherrenwechsels der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit entsprechende Ruhegehaltsansprüche behalten, indem es das innerstaatliche Recht im Einklang mit diesem Artikel auslegt oder, falls eine solche Auslegung nicht möglich ist, entgegenstehende Vorschriften des innerstaatlichen Rechts unangewendet lässt, um dieselbe Regelung anzuwenden, die für diese Beamten gilt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 16. April 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 24. April 2015, in dem Verfahren

Joachim Pöpperl

gegen

Land Nordrhein-Westfalen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter A. Arabadjiev, J.-C. Bonichot, S. Rodin (Berichterstatter) und E. Regan,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Pöpperl, vertreten durch Rechtsanwalt J. Düsselberg,
  • des Landes Nordrhein-Westfalen, vertreten durch R. Messal und C. Brammer,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer und D. Martin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. März 2016

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Joachim Pöpperl und dem Land Nordrhein-Westfalen (Deutschland) über den Verlust der Ruhegehaltsansprüche nach dem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis bei diesem Land, um eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland auszuüben.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

§ 28 Abs. 3 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen sieht vor:

„Nach der Entlassung hat der frühere Beamte keinen Anspruch auf Leistungen des Dienstherrn, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist …”

Rz. 4

§ 8 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (im Folgenden: SGB VI) lautet:

„(1) Versichert sind auch Personen,

  1. die nachversichert sind oder

Nachversicherte stehen den Personen gleich, die versicherungspflichtig sind.

(2)

Nachversichert werden Personen, die als

  1. Beamte oder Richter auf Lebenszeit, auf Zeit oder auf Probe, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sowie Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst,

versicherungsfrei waren oder von der Versicherungspflicht befreit worden sind, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind oder ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben und Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung … nicht gegeben sind. Die Nachversicherung erstreckt sich auf den Zeitraum, in dem die Versicherungsfreiheit oder die Befreiung von der Versicherungspflicht vorgelegen hat (Nachversicherungszeitraum). Bei einem Ausscheiden durch Tod erfolgt eine Nachversicherung nur, wenn ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente geltend gemacht werden kann.”

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Rz. 5

Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass Herr Pöpperl vom 1. September 1978 bis zum 30. April 1980 als Beamter auf Widerruf beim Land Nordrhein-Westfalen beschäftigt und vom 1. August 1980 bis zum 31. August 1999 als Lehrer im Dienst dieses Landes Beamter auf Lebenszeit war.

Rz. 6

Zum 31. August 1999 schied Herr Pöpperl auf eigenen Wunsch aus dem Beamtenverhältnis aus und nahm im Laufe des Monats September eine Tätigke...

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