LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 18.9.2020, 1 TaBV 1/20

Leitsätze (amtlich)

Beschäftigte in der Pflege leiten im Regelfall dann einen "Bereich" im Sinne der Entgeltgruppe P 14 Nr. 1 der Entgeltordnung VKA, wenn ihnen mehrere Stationen unterstellt sind. Ebenso wie beim Begriff "große Station" (hierzu BAG, Urteil v. 13.5.2020, 4 AZR 173/19) haben die Tarifvertragsparteien mit der Formulierung "i. d. R." zu erkennen gegeben, dass im Ausnahmefall auch andere Faktoren für die Annahme eines Bereichs maßgeblich sein können. Diese Faktoren müssen aber so ausgeprägt sein, dass ein Maß an Führungsverantwortung erreicht wird, das für den Leiter eines Bereichs typisch ist. Eine solche Ausnahme liegt nicht vor, wenn dem Leiter einer Station 16 Beschäftigte (Vollzeitäquivalente) unterstellt sind, die Station ohne eine personelle Trennung 2 kleine Funktionseinheiten (Tagesklinik und Patientenservicecenter) umfasst und er die Leitung einer anderen Station in deren Abwesenheit vertritt.

Sachverhalt

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein Klinikum in kommunaler Trägerschaft. Auf die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten findet der TVöD-K Anwendung. Das Klinikum hatte 2 Standorte in A und B, wobei am Standort B, an dem 725 Mitarbeiter/innen beschäftigt sind, der Antragsgegner (Betriebsrat) eingerichtet war. Auch Herr O. ist am Standort B als Leiter der Aufnahmestation 2 beschäftigt, welche am 1.1.2017 über 24 Betten verfügte und 16 Vollzeitstellen umfasste. Personell waren Herrn O. 21 Beschäftigte, eine Auszubildende und 2 Praktikanten unterstellt. Zudem war er in Abwesenheit der Stationsleitung ZNA (Zentrale Notaufnahme) auch Leiter dieser Abteilung. Hier waren ihm dann 20 Beschäftigte unterstellt. Zudem sind der Aufnahmestation 2 die Tagesklinik (mit 3 Beschäftigten) und das Patientenservicecenter (mit 2 Beschäftigten) zugeordnet. Bei der Tagesklinik handelt es sich um eine Überwachungsstation nach ambulanten Operationen und endoskopischen Eingriffen, während das Patientenservicecenter für die Patientenaufnahme zuständig ist. Es werden hier die Aufnahmeuntersuchung vorgenommen wie auch Narkosegespräche und die erste Blutabnahme. Für die Aufnahmestation 2, die Tagesklinik und das Patientenservicecenter wird ein einheitlicher Dienstplan erstellt, wobei Herr O. hierbei die unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle sowie auch die verschiedenen Einsatzwünsche berücksichtigt.

Nachdem am 1.1.2017 die neue Anlage 1 (Entgeltordnung-VKA) zum TVöD/VKA in Kraft trat, stellte Herr O. den Antrag auf Höhergruppierung von EG P 11 in die EG P 14. Die Arbeitgeberin kam jedoch zum Ergebnis, dass die zutreffende Entgeltgruppe die EG P 13 sei, da er als Leiter der Aufnahmestation 2 einschließlich der Tagesklinik und des Patientenservicecenter ein Stationsleiter mit einem höheren Maß von Verantwortlichkeit sei. Die Arbeitgeberin beantragte daher die Zustimmung des Betriebsrats zur Höhergruppierung von Herrn O. in EG P 13. Dieser verweigerte jedoch seine Zustimmung, da seiner Ansicht nach Herr O. der EG P 14 zuzuordnen sei, da er Leiter eines abgeschlossenen Bereichs sei.

Die Arbeitgeberin beantragt nun, die Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen.

Die Entscheidung

Der Antrag hatte Erfolg.

Das LAG entschied, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zu der beantragten Höhergruppierung zu Unrecht verweigert hatte; denn Herr O. sei zutreffend in die EG P 13 eingruppiert, weil er nicht Leiter eines "Bereichs" im Sinne des Tarifrechts sei.

Das Gericht begründete dies damit, dass weder aus der Abwesenheitsvertretung für die Leiterin der Station ZNA noch aus der Verantwortlichkeit für die Tagesklinik und das Patientenservicecenter folge, dass Herr O. Leiter eines Bereichs sei; denn nach den Vorbemerkungen zu Teil B Abschn. XI Unterabschnitt 2 der Entgeltordnung VKA stelle die Station die kleinste organisatorische Einheit dar, während ein Bereich i. d. R. mehrere Stationen umfasse. Ob damit mindestens 2 (im Sinne der Wortbedeutung "unterschiedliche") oder mindestens 3 (im Sinne der Wortbedeutung "einige") Stationen gemeint seien, haben die Tarifvertragsparteien hierbei nicht festgelegt, könne vorliegend jedoch auch dahingestellt bleiben; denn nach Auffassung des LAG lasse sich aus den Begriffsbestimmungen das Verständnis der Tarifvertragsparteien entnehmen, dass die Leitung von mehreren Organisationseinheiten typischerweise ein Merkmal für eine hervorgehobene Führungsverantwortung darstelle, die dann eine entsprechend höhere Eingruppierung rechtfertige. Nur ausnahmsweise solle die Voraussetzung der Leitung mehrerer Stationen verzichtbar sein, wenn dieses Erfordernis aufgrund anderer Faktoren in den Hintergrund trete, die jedoch so ausgeprägt sein müssten, dass ein Maß an Führungsverantwortung erreicht werde, das für einen Bereichsleiter typisch sei. Dies könne bspw. dann der Fall sein, wenn eine Station außergewöhnlich groß sei, also die für einen Bereich bzw. eine Abteilung maßgebende regelmäßige Unterstellungszahl (i. d. R. nicht mehr als 48 Beschäftigte) erreiche o...

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