Im Berufsalltag ergeben sich regelmäßig Situationen, in denen aus personalwirtschaftlichen/organisatorischen (sachlichen) Gründen Mitarbeitern vorübergehend für einen überschaubaren Zeitraum eine Tätigkeit übertragen wird, die den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren als der vorliegenden Entgeltgruppe entspricht. In diesen Fällen greift nicht der Grundsatz der Tarifautomatik. Jedoch hat der Beschäftigte im Gegensatz zum Beamten bei der vorübergehenden oder vertretungsweisen Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben nach Ablauf festgelegter Fristen Anspruch auf Zahlung einer persönlichen Zulage.

[1] Siehe hierzu auch die weitergehenden Darlegungen im Stichwort "Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit"

10.4.1 Die Grundregelung des § 14 TVöD

§ 14 TVöD sieht grundsätzlich für die vorübergehende, aus sachlichen Gründen notwendige Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit keine zeitliche Begrenzung vor.

 
Wichtig

Die nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit beinhaltet eine zeitliche Begrenzung und damit eine Befristung. Nach früherer Rspr. des BAG erfolgte eine Rechtsmissbrauchskontrolle.[1] Die nur vorübergehend erfolgende Übertragung bedurfte einer sachlichen Rechtfertigung. Diese strengen Anforderungen hat das BAG gelockert. Nunmehr muss die vorübergehende Übertragung in entsprechender Anwendung von § 315 BGB nach billigem Ermessen[2] erfolgen. Das billige Ermessen muss sich auf die Tätigkeitsübertragung "an sich" und auf die "Nicht-Dauerhaftigkeit" der Übertragung beziehen ("doppelte Billigkeit"). Die Grundsätze der Billigkeit sind gewahrt, wenn alle wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und sowohl die Interessen des Arbeitgebers an einer nur vorübergehenden Übertragung als auch die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt sind.

In weiteren Entscheidungen hat das BAG diese Rechtsprechung fortgeführt. Es sieht in seiner neuesten Rechtsprechung die lediglich vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit als eine Ausnahme vom Grundsatz der Tarifautomatik an.[3] Sie entspreche nur dann billigem Ermessen, wenn für sie ein hinreichender Grund bestehe. Dabei soll die bloße Unsicherheit über die Dauer der höherwertigen Beschäftigungsmöglichkeit nicht ausreichend sein. Die tariflichen Regelungen können nach Ansicht des BAG nicht dafür herangezogen werden, das Risiko der Ungewissheit über die Dauer des weiteren Beschäftigungsbedarfs auf den Arbeitnehmer zu übertragen.[4]

Billiges Ermessen ist z. B. gegeben, wenn der Arbeitsplatz für einen vorübergehend abwesenden oder besser qualifizierten Arbeitnehmer, der alsbald zur Verfügung steht, freigehalten werden soll, oder weil zunächst noch eine Ausschreibung vorgenommen werden soll oder der Arbeitnehmer noch nicht ausreichend qualifiziert ist. Die Gestaltungsmöglichkeiten des § 14 TVöD stellen eine Ausnahmeregelung dar, die nicht rechtsmissbräuchlich zur Umgehung einer tarifgemäßen Vergütung benutzt werden dürfen.

Entspricht die vorübergehende Übertragung nicht billigem Ermessen, ist die Tätigkeit auf Dauer übertragen.[5]

Wird eine etwaig notwendige Beteiligung der Personalvertretung nicht beachtet, führt dies nicht dazu, dass ein zuvor materiell-rechtlich nicht bestehender individualrechtlicher Anspruch auf dauerhafte Übertragung der höherwertigen Tätigkeit neu begründet wird.[6]

Ein Unterfall der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit ist die Übertragung zur Vertretung. Gehört die Vertretung zur ständigen Aufgabe des Beschäftigten – was sich z. B. aus der Geschäftsverteilung/der Arbeitsplatzbeschreibung ergibt –, besteht kein Anspruch auf eine Zulage nach § 14 TVöD. Die Vertretungstätigkeit zählt damit zu der vertraglich auszuübenden Tätigkeit und ist bei der Eingruppierung des Beschäftigten mit zu berücksichtigen. Daher ist auch die Tätigkeit des sog. "Springers", dem als Daueraufgabe die Vertretung anderer Beschäftigter während deren Urlaubs oder Erkrankung übertragen ist, nicht als vorübergehend auszuübende Tätigkeit i. S. d. § 14 TVöD anzusehen.

Voraussetzung für die Zulage ist, dass der Beschäftigte die vorübergehend übertragene höherwertige Tätigkeit zur Erlangung der persönlichen Zulage mindestens 1 Monat, wenn auch nicht ununterbrochen, tatsächlich ausübt. Unterbrechungstage sind auf die Monatsfrist nicht anzurechnen. Hat der Beschäftigte jedoch die vorübergehend übertragene höherwertige Tätigkeit mindestens einen Monat tatsächlich ausgeübt, erhält er ab dem Tag der Übertragung für die Dauer der Übertragung die Zulage.

 
Praxis-Tipp

Bei Besetzung einer Beförderungsstelle mit einem Mitarbeiter aus der gleichen Dienststelle empfiehlt es sich, sofern nicht eine Führung auf Probe gem. § 31 TVöD in Betracht kommt, die Stelle zunächst nur vorübergehend zur Erprobung zu übertragen. Die Länge der Zulässigkeit der Erprobungszeit richtet sich nach der Art der Tätigkeit. Für einfache Tätigkeiten muss sie kürzer bemessen sein – keinesfalls über 6 Monate hinaus – als für höhere Positionen.[7] Diese Vorgehensweise ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, da ei...

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