Der Mieter einer Werkmietwohnung, dessen Mietverhältnis gekündigt wurde, kann ein Widerspruchsrecht aus §§ 574 ff. BGB (sog. Sozialklausel) haben.

3.8.3.1 Allgemein

Der Mieter einer normalen Mietwohnung kann der Kündigung des Mietverhältnisses widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Haushalt ist der Mittelpunkt der Lebens- und Wirtschaftsführung. Als besondere Härte kommt insbesondere das Fehlen von angemessenem Ersatzwohnraum in Betracht. Aber auch Suizidgefahr, notwendige Umschulung von Kindern zu ungünstigem Zeitpunkt, größere Kinderzahl, fortgeschrittene Schwangerschaft, Schwerbehinderteneigenschaft, hohes Alter und ein schlechter Gesundheitszustand können zugunsten des Mieters für die Interessenabwägung herangezogen werden.[1]

Berechtigte Interessen des Vermieters sind u. a. Eigenbedarf (auch für andere Beschäftigte), wiederholte unpünktliche Mietzahlung und der Bedarf der Wohnung zur Erfüllung öffentlicher Interessen.[2]

Das Widerspruchsrecht besteht nicht, wenn der Vermieter zur außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt ist.

[1] Palandt-Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., 2007, § 574 Rz. 9.
[2] Palandt-Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., 2007, § 574 Rz. 11.

3.8.3.2 Widerspruchsrecht bei Werkmietwohnungen

Kündigt ein Vermieter eine Werkmietwohnung mit der Kündigungsfrist des § 573c BGB, so steht dem Mieter das Widerspruchsrecht (Sozialklausel) nach §§ 574 ff. BGB zu.

Das Widerspruchsrecht besteht auch, wenn dem Mieter einer normalen (oder auch funktionsgebundenen) Werkmietwohnung mit der Frist nach § 576 Abs. 1 Nr. 1 BGB gekündigt wird. Gemäß § 576a Abs. 1 BGB sind in diesem Fall aber auch die Belange des Dienstberechtigten zu berücksichtigen, so z. B. die geplante Vergabe der Werkmietwohnung an einen anderen Beschäftigten. Damit wird das Widerspruchsrecht des Mieters eingeschränkt.

Das Widerspruchsrecht ist ausgeschlossen, wenn der Mieter einer Werkmietwohnung (egal ob normal oder funktionsgebunden) das Arbeitsverhältnis ohne gesetzlich begründeten Anlass gelöst hat. Das Lösen des Arbeitsverhältnisses kann durch außerordentliche bzw. ordentliche Kündigung, Anfechtung oder vom Mieter ausgehenden Aufhebungsvertrag geschehen. Grundsätzlich kann ein gesetzlich begründeter Anlass in jedem rechtswidrigen und schuldhaften Gesetzesverstoß gesehen werden, der dem Arbeitgeber vorzuwerfen ist[1], insbesondere kommen schwerwiegende Vertragsverletzungen des Arbeitgebers wie etwa Nichtzahlung des Entgelts, schwere Formen des Mobbings oder sexuelle Übergriffe in Betracht.

Das Widerspruchsrecht ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber dem Beschäftigten, der zugleich auch Mieter ist, aus wichtigem Grund gekündigt hat, ebenso wenn eine aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochene Kündigung nicht sozial ungerechtfertigt ist.[2] Es reicht das Vorliegen eines wichtigen Grundes aus, auch wenn es "nur" zu einer ordentlichen Kündigung gekommen ist.[3] Eine betriebsbedingte Kündigung kann hingegen nicht zum Ausschluss des Widerspruchsrechts führen.

Das Widerspruchsrecht findet keine Anwendung, wenn es sich um funktionsgebundene Werkmietwohnungen handelt und die Wohnung unter Berufung auf § 576 Abs. 1 Nr. 2 BGB gekündigt wird. Erfolgt die Kündigung einer funktionsgebundenen Werkmietwohnung nach § 573c BGB, bleibt das Widerspruchsrecht hingegen erhalten[4], ebenso wenn die Frist des § 576 Abs. 1 Nr. 1 BGB gewählt wurde.

[1] Staudinger, Mietrecht 2, 2006, § 576a Rz. 12.
[2] Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Aufl., § 84 Rz. 23.
[3] Palandt-Weidenkaff, BGB, 66. Aufl. 2007, § 576a Rz. 5.
[4] Staudinger-Rolfs, Mietrecht 2, 2006, § 576a Rz. 4.

3.8.3.3 Hinweis auf das Widerspruchsrecht

Nach § 568 Abs. 2 BGB soll der Vermieter den Mieter auf die Möglichkeit, die Form und die Frist des Widerspruchs nach den §§ 574 bis 574b BGB rechtzeitig hinweisen. Dies gilt nicht, wenn es sich um Wohnraum im Sinne des § 549 Abs. 2 BGB handelt.

 
Wichtig

Der Hinweis auf das Widerspruchsrecht ist nicht zwingend, er muss auch nicht im Kündigungsschreiben enthalten sein. Gleichwohl ist dies dringend zu empfehlen, da eine Unterlassung oder ein verspäteter Hinweis gem. § 574b Abs. 2 Satz 2 BGB zu einer verlängerten Widerspruchsfrist führen würde.

Bei einer funktionsgebundenen Werkmietwohnung, die nach § 576 Abs. 1 Nr. 2 BGB gekündigt wird, ist der Hinweis auf das Widerspruchsrecht überflüssig, da ein solches bei diesen Wohnungen nicht besteht.

3.8.3.4 Räumungsfrist und Vollstreckungsschutz

Unabhängig davon, ob ein Widerspruchsrecht besteht, kann der Mieter einer Werkmietwohnung die Gewährung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO bzw. Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO geltend machen.[1]

[1] Münchener Kommentar – Schilling, BGB, 4. Aufl. 2004, § 576 Rz. 9.

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