EuGH, Urteil v. 13.12.2018, C-385/17

Ein Arbeitnehmer hat während seines unionsrechtlich garantierten Mindestjahresurlaubs Anspruch auf sein normales Arbeitsentgelt; dies gilt ungeachtet früherer Kurzarbeitszeiten. Die Dauer des Mindestjahresurlaubs ist jedoch abhängig von der tatsächlichen Arbeitsleistung, die im Referenzzeitraum erbracht wurde. Die kann zur Folge haben, dass Kurzarbeitszeiten den Mindesturlaub verringern, der dann somit auch weniger als 4 Wochen betragen kann.

Sachverhalt

Der Kläger, der beim beklagten deutschen Unternehmen Holzkamm als Betonbauer beschäftigt ist, befand sich im Jahr 2015 26 Wochen, also die Hälfte des Jahres, in Kurzarbeit. In dieser Zeit erbrachte er keine tatsächliche Arbeitsleistung. Da nach dem hier einschlägigen BRTV-Bau die Arbeitnehmer unabhängig von Kurzarbeitszeiten, in denen sie keine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht haben, Anspruch auf einen jährlichen Erholungsurlaub von 30 Tagen haben, nahm der Kläger im Laufe der Jahre 2015 und 2016 die 30 Urlaubstage, auf die er im Jahr 2015 Anspruch erworben hatte.

Bei der Berechnung des für den Jahresurlaub gezahlten Entgelts werden nach dem Tarifvertrag Kurzarbeitszeiten berücksichtigt, sodass die Beklagte den an den Kläger zu zahlenden Betrag auf der Grundlage eines Bruttostundenlohns berechnete, der unter dem normalen Stundenlohn lag. Dies führte zu einer deutlichen Verringerung seines Entgelts. Der Kläger war nun der Ansicht, dass die in den Referenzzeitraum fallende Kurzarbeit nicht zu einer Kürzung der ihm zustehenden Urlaubsvergütung führen dürfe. Das in der Sache angerufene ArbG möchte vom EuGH wissen, ob eine nationale Regelung (hier: Mindesturlaubsgesetz), nach der in Tarifverträgen bestimmt werden kann, dass etwaige Verdienstausfälle infolge von Kurzarbeit im Referenzzeitraum berücksichtigt werden können, was zu einer Kürzung der Urlaubsvergütung führt, mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, vereinbar ist.

Die Entscheidung

Der EuGH entschied, dass die gebotene unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts ergebe, dass die den Arbeitnehmern für den unionsrechtlich vorgesehenen Mindesturlaub gezahlte Urlaubsvergütung nicht geringer ausfallen dürfe als der Durchschnitt des gewöhnlichen Arbeitsentgelts, das die Arbeitnehmer in Zeiträumen tatsächlicher Arbeitsleistung erhalten. Die Dauer des Mindestjahresurlaubs sei jedoch abhängig von der tatsächlichen Arbeitsleistung, die im Referenzzeitraum erbracht wurde und könne somit durch Kurzarbeitszeiten verringert werden.

Der EuGH führte in seiner Entscheidung aus, dass jeder Arbeitnehmer nach dem Unionsrecht Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von 4 Wochen hat. Dieser Anspruch bestehe jedoch aus 2 Aspekten: einmal dem Anspruch auf Jahresurlaub und daneben dem auf Zahlung eines Urlaubsentgelts. Die Dauer des Mindestjahresurlaubs von 4 Wochen habe, so das Gericht, allerdings die Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer im Laufe des Referenzzeitraums auch tatsächlich gearbeitet hat, sodass Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub regelmäßig anhand der Zeiträume der auf der Grundlage des Arbeitsvertrags tatsächlich geleisteten Arbeit zu berechnen seien. Vorliegend hatte der Kläger im Jahr 2015 26 Wochen lang nicht gearbeitet. Das habe nach Auffassung des EuGH zur Folge, dass ihm nach dem Unionsrecht nur 2 Urlaubswochen zustehen dürften. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Unionsrecht nur die Dauer des Mindestjahresurlaubs regelt und nach nationalem Recht bzw. Tarifvertrag den Arbeitnehmern ggf. ein längerer Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zustehen könne, unabhängig davon, ob die Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufgrund von Kurzarbeit verkürzt war oder nicht.

Bzgl. des dem Arbeitnehmer für die unionsrechtlich garantierte Mindesturlaubsdauer zu zahlende Entgelt stellte der EuGH fest, dass er für diese Ruhezeit Anspruch auf Zahlung des gewöhnlichen Arbeitsentgelts habe; ansonsten könne dieser veranlasst sein, seinen bezahlten Jahresurlaub nicht zu nehmen, da dies dann zu einer Verringerung seines Entgelts führen würde. Nach Auffassung des EuGH widerspräche es jedoch dem Unionsrecht, wenn ein Arbeitnehmer, der sich in einer Situation wie der Kläger befände, für seine unionsrechtlich garantierten Jahresurlaubstage ein verringertes Entgelt erhielt. Allerdings, so das Gericht weiter, verlange das Unionsrecht nicht, dass das gewöhnliche Arbeitsentgelt für die gesamte Dauer des Jahresurlaubs gezahlt werde, die dem Arbeitnehmer nach nationalem Recht zustehe, sondern nur für die Dauer des unionsrechtlich vorgesehenen Mindestjahresurlaubs, der – wie oben erläutert – nur für Zeiträume tatsächlicher Arbeitsleistung erworben wird; denn das Unionsrecht verpflichte nicht, eine nationale Regelung dahin auszulegen, dass sie u. a. einen Anspruch auf eine tarifvertragliche Zusatzleistung begründe, die zu diesem Durchschnitt des gewöhnlichen Arbeitsentgelts hinzukomme.

Zuletzt führte der EuGH aus, da...

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