Bei Schließung des Betriebs durch behördliche Anordnung bzw. landesgesetzliche Regelung stellt sich die Frage nach dem Entgeltanspruch der Beschäftigten und einem etwaigen Erstattungsanspruch auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes.

Eine eindeutige gesetzliche Regelung besteht für Fälle, in denen ein Arbeitnehmer aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) "als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern i. S. v. § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt", also von der zuständigen Behörde einer Quarantänemaßnahme oder einem Beschäftigungsverbot unterworfen wurde. Hier ist der Arbeitgeber verpflichtet, für die Dauer von bis zu 6 Wochen Verdienstausfallentschädigung zu leisten. Der Arbeitgeber hat jedoch einen Anspruch auf Erstattung der Verdienstausfallentschädigung durch die zuständige Behörde (§§ 56 ff. Infektionsschutzgesetz, näher Ziffer 3.1 Verdienstausfallentschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz).

Teilweise wird vertreten, dass auch im Falle einer behördlich angeordneten Betriebsschließung bzw. Schließung von Teilbetrieben ein Erstattungsanspruch nach § 56 Infektionsschutzgesetz besteht und empfohlen, dass Arbeitgeber bei der zuständigen Behörde einen entsprechenden Erstattungsantrag stellen.[1]

Die Frage, ob ein Erstattungsanspruch im Falle einer Betriebsschließung gegeben ist, ist höchstrichterlich – soweit erkennbar – noch nicht geklärt. Aus diesem Grund sind die Einrichtungen und Unternehmen bestrebt, die Betriebsschließung bzw. -einschränkungen anderweitig aufzufangen, z. B. durch Abbau von Überstunden, Aufbau von Minusstunden im Rahmen von Zeitkonten und Abbau von Urlaubsansprüchen. Gleichzeitig sollte jedoch die Einführung von Kurzarbeit in die Erwägungen einbezogen werden (näher hierzu unten, Ziffer 7), zumal die Einführung von Kurzarbeit auch eines gewissen zeitlichen Vorlaufs bedarf.

Wird der Betrieb – wie hinsichtlich zahlreicher Einrichtungen, z. B. Schwimmbäder, Theater, Museen, Kindertagesstätten, Schulen usw. zwischenzeitlich der Fall – durch gesetzliche bzw. behördliche Anordnung geschlossen, können die dort Beschäftigten ihre geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen. Im Prinzip ist auch hier der Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn" einschlägig.

Fraglich erscheint, ob hier die Ausnahmevorschrift des § 615 Satz 3 BGB greift. § 615 Satz 3 BGB stellt eine Kodifizierung der von der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Betriebsrisikolehre dar. Durch § 615 Satz 3 BGB werden die Fälle der Nichterbringung der Arbeitsleistung, die von keiner der Parteien zu vertreten sind, umfassend geregelt. Die Vorschrift regelt aber nicht, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber das Entgeltrisiko zu tragen hat, konkret: in welchen Fällen der Arbeitgeber trotz Nichtleistung der Arbeit das Entgelt bezahlen muss. Insoweit gelten die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze auch weiterhin. Danach bleibt der Arbeitgeber zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet, wenn der zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führende Umstand aus der Sphäre des Arbeitgebers stammt und weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer zu vertreten ist. Bejaht wird der Entgeltanspruch etwa beim Brand der Arbeitsstätte, bei Stromausfall oder bei Maschinenschäden.

Problematisch ist die Einordnung von Fällen höherer Gewalt wie etwa Naturkatastrophen, Kriegszuständen etc. Der hier vorliegende Fall einer behördlichen Anordnung aufgrund einer Virus-Pandemie ist gleichfalls als höhere Gewalt einzustufen. Es besteht kein innerer Zusammenhang zwischen der betrieblichen Tätigkeit und der Pandemie.

 
Hinweis

Gleichwohl hat das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland dies dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zugeordnet. In Deutschland trägt dem Bundesarbeitsministerium zufolge der Arbeitgeber das Betriebsrisiko, wenn ein Unternehmen aufgrund behördlicher Anordnungen zum Schutz vor einer Pandemie vorübergehend geschlossen werden muss. "Die Arbeitnehmer behalten also ihren Entgeltanspruch, auch wenn sie nicht arbeiten können", teilte ein Sprecher der Behörde mit. Die ausgefallenen Arbeitszeiten müssten grundsätzlich nicht nachgearbeitet werden.

Von der Betriebsrisikolehre abweichende Regelungen durch Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag sind zulässig. Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (TVöD/TV-L/TV-H) beinhalten keine Regelungen bezüglich des Betriebsrisikos.

Ein Anspruch auf Erlass einer behördlichen Schließungsverfügung besteht nicht. Dies entschied das Verwaltungsgericht Dresden.[2] Das VG wies den Antrag des Betreibers einer Rehabilitationseinrichtung auf Erlass einer gegen die Einrichtung gerichteten Schließungsverfügung zurück. Für eine solche Verfügung bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, da die Rehabilitationseinrichtung ihre Einrichtung eigenverantwortlich schließen könne (Näher hierzu Ziffer 4.2 Schließung des Betriebs durch Entscheidung des Arbeitgebers) und demzufolge nicht auf eine...

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