Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Beschluss vom 25.03.1994; Aktenzeichen 3 Ta 24/94)

ArbG Weiden (Beschluss vom 28.02.1994; Aktenzeichen 1 Ha 1/94 C)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Beschwerdeführer ist infolge eines Arbeitsunfalls, den ein Arbeitskollege grob fahrlässig verursacht hat, querschnittsgelähmt. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen gerichtliche Entscheidungen, die dem Beschwerdeführer Prozeßkostenhilfe für eine auf Schmerzensgeld gerichtete Klage gegen den Schädiger versagten und dies mit dem in der gesetzlichen Unfallversicherung vorgesehenen Haftungsausschluß gemäß §§ 636, 637 RVO begründeten. Mittelbar werden auch die §§ 636, 637 RVO angegriffen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an (§ 93b BVerfGG). Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

  • Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchst. a BVerfGG). Diese ist nur gegeben, wenn die Verfassungsbeschwerde eine verfassungsrechtliche Frage aufwirft, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten läßt und noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt ist oder die durch veränderte Verhältnisse erneut klärungsbedürftig geworden ist (BVerfGE 90, 22 ≪24≫). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

    Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, daß der Ausschluß des Schmerzensgeldes durch die gesetzliche Unfallversicherung nicht gegen das Grundgesetz verstößt (BVerfGE 34, 118). In der Begründung dieser Entscheidung wird darauf abgestellt, daß die Rente aus der Unfallversicherung bei leichten und mittelschweren Unfällen ein Schmerzensgeld aufwiege (a.a.O., S. 132 ff.). Der Beschwerdeführer ist besonders schwer verletzt worden. Dennoch gibt seine Verfassungsbeschwerde keinen Anlaß zu einer erneuten verfassungsrechtlichen Prüfung, denn die Rechtslage hat sich inzwischen durch das Rentenreformgesetz 1992 zugunsten Schwerstverletzter geändert. Treffen eine Verletztenrente und eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zusammen, so wird zwar weiterhin der einen bestimmten Grenzbetrag übersteigende Betrag der Rente aus der Rentenversicherung nicht ausgezahlt (§ 93 Abs. 1 SGB VI). Damit soll erreicht werden, daß der Verletzte ein Einkommen erhält, das in etwa seinem früheren Nettoverdienst entspricht, es aber im Regelfall nicht übersteigt. Anrechnungsfrei bleibt jedoch bei der Verletztenrente der Betrag, der als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) geleistet würde (§ 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI). Die Höhe dieses Betrags reicht derzeit je nach dem Grad der Erwerbsminderung von 211 DM bis 1.107 DM für Erwerbsunfähige wie den Beschwerdeführer (BVG i.d.F. vom 1. Juni 1994, BGBl. I S. 1204). Um diese Summe übersteigt die Gesamtrente den letzten Nettoverdienst. Infolge der Koppelung der Höhe des Freibetrags an den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit erhalten Schwerstverletzte also eine höhere Gesamtrente als Leichtverletzte mit demselben früheren Bruttoverdienst. Der Gesetzgeber wollte durch diese Neuregelung verhindern, daß der Teil der Verletztenrente, von dem angenommen wird, daß er keine Lohnersatzfunktion hat, sich rentenmindernd auswirkt. Damit sollte insgesamt eine Verbesserung für Schwerverletzte gegenüber dem bis dahin geltenden Recht erreicht werden (Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung – Rentenreformgesetz 1992, BTDrucks. 11/4124 ≪S. 174≫). Da der Freibetrag regelmäßig der Änderung der Lebensverhältnisse angepaßt wird, wird nunmehr nicht nur bei leichter Verletzten, sondern auch bei Schwerstverletzten zumindest ein Teil des immateriellen Schadens und nicht nur der Verdienstausfall durch die Gesamtrente ausgeglichen. Insofern treffen die in dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die Verfassungsmäßigkeit des Schmerzensgeldausschlusses angeführten Gründe heute sinngemäß auch für Schwerstverletzte zu.

  • Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG). Dem Beschwerdeführer entsteht durch die Versagung der Entscheidung zur Sache nämlich bereits deshalb kein besonders schwerer Nachteil, weil die Verfassungsbeschwerde aus den oben genannten Erwägungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).
  • Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe war zurückzuweisen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Söllner, Kühling, Jaeger

 

Fundstellen

Haufe-Index 1084345

NJW 1995, 1607

NVwZ 1995, 783

AP, 0

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