Entscheidungsstichwort (Thema)

persönliche Abhängigkeit. Arbeitsbereitschaft. Arbeitsverhältnis. Arbeitszeit. Aufwandsentschädigung. Bereitschaftsdienst. Beschäftigung, abhängige. Beschäftigungsverhältnis. Eingliederung. Empfängerhorizont. Kurzzeitigkeit. Rettungssanitäter. Rücknahme. Schlechterstellung. Weisungsrecht. Widerspruchsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Die Annahme von Arbeitszeit minderndem Bereitschaftsdienst setzt eine arbeitsvertragliche Regelung des Bereitschaftsdienstes zur Abgrenzung gegenüber Arbeitszeit (Arbeitsbereitschaft) voraus (Fortführung von BSG SozR 3-4100 § 102 Nr. 1).

 

Normenkette

AFG § 100 Abs. 1, § 102 Abs. 1, § 103 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 Nr. 1, § 104 Abs. 1, § 168 Abs. 1 S. 1, § 169a Abs. 1 S. 1, § 173a; SGB IV § 7 Abs. 1, § 14 Abs. 1; SGG § 95

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 11.05.1995; Aktenzeichen L 3 Ar 80/94)

SG Kiel (Entscheidung vom 15.06.1994; Aktenzeichen S 9 Ar 68/92)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. Mai 1995 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Der Rechtsstreit betrifft einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) ab 1. Juli 1991 und die Rücknahme der Bewilligung von Alg ab 24. September 1991.

Die 1962 geborene Klägerin war von Dezember 1986 bis November 1989 „ehrenamtliche” Rettungssanitäterin in einer Rettungswache des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Die Rettungswache war rund um die Uhr in der Regel im Drei-Schichtenbetrieb von jeweils zwei Personen besetzt. Insgesamt wurden zwei „hauptamtliche”, etwa 25 „ehrenamtliche” Rettungssanitäter und etwa 4 bis 6 Zivildienstleistende eingesetzt. Zwischen den Rettungseinsätzen hatten die Rettungssanitäter Fahrberichte zu schreiben, das Fahrzeug zu warten und zu säubern sowie die Rettungswache zu reinigen. Die Klägerin war durchschnittlich 88 Stunden im Monat beschäftigt und erhielt eine Aufwandsentschädigung von 5,– DM pro Stunde sowie eine Fahrkostenerstattung von 0,36 DM pro Kilometer. Sie erzielte damit etwa 900,– DM im Monat, die versteuert wurden. Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) für den Kreis Schleswig-Flensburg stellte mit Bescheid vom 11. Dezember 1991 die Versicherungspflicht der Klägerin als ehrenamtliche Rettungssanitäterin fest, nachdem schon zuvor Beiträge für sie entrichtet worden waren. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein verneinte mit rechtskräftigem Urteil vom 15. März 1990 – 4 Sa 619/89 – ein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem DRK. Von Februar 1990 bis März 1991 bezog die Klägerin Erziehungsgeld. Zuletzt war sie vom 1. März bis 30. Juni 1991 als Arzthelferin beim Blutspendedienst des DRK beschäftigt.

Am 25. Juni 1991 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Alg.

Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) bewilligte der Klägerin – hinsichtlich Höhe, Dauer und Beginn der Leistung vorläufig – Alg ab 24. September 1991 (Bescheid vom 30. Juli 1991). In einem Schreiben vom 14. August 1991 teilte sie der Klägerin mit, sie beabsichtige diesen Bescheid zurückzunehmen, weil die Klägerin die versicherungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfülle. Sie sei lediglich in der Zeit vom 1. März bis 30. Juni 1991 beitragspflichtig beschäftigt gewesen. Diese Zeit reiche nicht aus, um einen Anspruch zu begründen. Die Zeit des Bezuges von Erziehungsgeld habe weder eine beitragspflichtige Beschäftigung noch den Bezug einer Lohnersatzleistung unterbrochen. Die BA gab der Klägerin Gelegenheit, sich innerhalb von 14 Tagen zu diesem Sachverhalt zu äußern.

Mit Bescheid vom 15. August 1991 lehnte die BA den Antrag auf Alg ab, weil die Klägerin die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die BA mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 1992 zurück. In den Gründen heißt es zunächst, durch den Bescheid vom 15. August 1991 sei der Antrag auf Alg für die Zeit vom 1. Juli bis 23. September 1991 abgelehnt und die bereits bewilligte Leistung ab 24. September 1991 aufgehoben worden. Diese Entscheidung sei nicht zu beanstanden, denn als Rettungssanitäterin sei die Klägerin nicht beitragspflichtig beschäftigt gewesen. Ergänzend zu dem Bescheid vom 15. August 1991 werde die Bewilligung von Alg ab 24. September 1991 aufgehoben. Die Bewilligung des Alg sei rechtswidrig und zurückzunehmen, weil weder Gründe des Vertrauensschutzes noch sonstige Grunde dem entgegenständen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Personalsachgebietsleiterin des DRK, J. D. zur Ausgestaltung der von der Klägerin in der Rettungswache wahrgenommenen Aufgaben als Zeugin vernommen, mit Urteil vom 15. Juni 1994 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die BA verurteilt, der Klägerin ab 1. Juli 1991 Alg zu zahlen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, unabhängig von dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses sei ein Beschäftigungsverhältnis gegeben, das die Beitragspflicht begründe. Während der ehrenamtlichen Beschäftigung sei anderweitig entgangener Verdienst ersetzt worden. Die Beschäftigung der Klägerin sei auch auf Gelderwerb gerichtet gewesen. Diese sei auch nicht kurzzeitig gewesen. Eine Differenzierung zwischen Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst sei nicht vorzunehmen gewesen, weil der Arbeitgeber selbst keine Differenzierung zwischen Arbeit und Bereitschaft vorgenommen habe und einheitlich Arbeitszeit entlohnt habe.

Auf die Berufung der BA hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 11. Mai 1995). Zur Begründung hat es ausgeführt, beitragspflichtig in der Arbeitslosenversicherung seien nur Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt seien. Die Klägerin habe ihre Beschäftigung nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, sondern aufgrund ihrer Mitgliedschaft im DRK ausgeübt. Ein Dienstvertrag sei nicht geschlossen worden und die Klägerin habe sich auch nicht unter ein Direktionsrecht des DRK gestellt. Es habe ihr vielmehr freigestanden, sich für eine beliebige Zahl von Dienstschichten in den Dienstplan des DRK einzustellen oder auch gänzlich ohne Einsatz zu bleiben. Entgegen der Ansicht des SG reiche ein bloßes Beschäftigungsverhältnis ohne zugrundeliegendes Arbeitsverhältnis zur Begründung der Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung nicht aus. Auf den zeitlichen Umfang der Beschäftigung, insbesondere die Abgrenzung zu bloßer Dienstbereitschaft, komme es ebensowenig an wie auf die Höhe der daraus erzielten Einnahmen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 100, 104, 168 und 173a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sowie des § 7 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV). Das LSG übersehe die Vorschrift des § 173a AFG, der die Anwendbarkeit des § 7 SGB IV für die Arbeitslosenversicherung ausdrücklich anordne. Danach komme es für die Beitragspflicht auf ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis an, ohne daß ein Arbeitsverhältnis vorliegen müsse. Die Klägerin sei weisungsgebunden und damit gegenüber dem DRK persönlich abhängig gewesen. Etwas anderes lasse sich nicht daraus schließen, daß sie ihre Arbeitszeit durch Eintrag in Schichtpläne selbst habe bestimmen können. Mit der Eintragung in den Dienstplan habe sie in vollem Umfang dem Direktionsrecht und der faktischen Verfügungsmacht des DRK unterstanden. Auch habe eine mündliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem DRK im Sinne eines Dienstvertrags bestanden. Die Würdigung des LSG, die Klägerin sei aufgrund ihrer Mitgliedschaft im DRK als Rettungssanitäterin tätig geworden, sei unzutreffend. Die Mitgliedschaft sei für die ehrenamtliche Wahrnehmung der Aufgaben einer Rettungssanitäterin nicht Anstellungsvoraussetzung.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. Mai 1995 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 15. Juni 1994 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Allerdings räumt sie nunmehr ein, daß zwischen der Klägerin und dem DRK ein Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Entscheidend sei jedoch, daß die Klägerin wegen kurzzeitiger Beschäftigung nicht beitragspflichtig gewesen sei. Von den 88 Dienststunden im Monat könne nur ein Teil als Arbeitszeit berücksichtigt werden, weil die Klägerin außerhalb von Einsätzen lediglich in der Rettungswache anwesend gewesen sei und damit lediglich Bereitschaftsdienst bestanden habe. Dieser sei von der Arbeitsbereitschaft dadurch unterschieden, daß bloße körperliche Anwesenheit des Arbeitnehmers gegeben sei, während eine Arbeitsleistung erst mit der jeweiligen Aufforderung zum Einsatz erbracht werde. Da die Klägerin Bereitschaftsdienst geleistet habe, könnten die Dienststunden nur in dem Umfange als Arbeitszeit berücksichtigt werden, in dem die Klägerin tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht habe. Danach sei sicher, daß die Klägerin nur kurzzeitig beschäftigt gewesen sei. Im übrigen spreche die Höhe der Vergütung von 5,– DM pro Stunde dafür, daß die Dienststunden nicht in vollem Umfang als Arbeitsstunden, sondern mit einem pauschalen Anteil als Anwesenheitszeit vergütet worden seien.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Das Urteil des LSG verletzt §§ 100, 104, 168 und 173a AFG sowie § 7 SGB IV und § 45 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren (SGB X). Für eine abschließende Entscheidung des Senats reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.

1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. August 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 1992 hat die BA über den, Anspruch der Klägerin auf Alg ab 1. Juli 1991 sowie über die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 30. Juli 1991 für die Zeit ab 24. September 1991 entschieden. Diese Regelungen sind Gegenstand der rechtlichen Prüfung, auch wenn die BA über die Rücknahme des Bescheides vom 30. Juli 1991 – entgegen der insoweit allerdings widersprüchlichen Begründung des Widerspruchsbescheides – nicht mit dem Ausgangsbescheid entschieden hat (§ 95 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Gegen die Annahme, die BA habe mit der Ablehnung des Antrags auf Alg im Bescheid vom 15. August 1991 konkludent auch über die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 30. Juli 1991 entschieden, spricht schon der Umstand, daß die BA erst mit Schreiben vom 14. August 1991 der Klägerin Gelegenheit gegeben hat, zu den die Rücknahme begründenden Tatsachen Stellung zu nehmen, und die BA der Klägerin dazu eine Frist von 14 Tagen eingeräumt hat. Da der Ausgangsbescheid eine Rücknahme nicht ausdrücklich erwähnt, ist im Zusammenhang mit dem tags zuvor erlassenen Anhörungsschreiben für den Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten ein Regelungswille der BA hinsichtlich der Rücknahme des Bewilligungsbescheides durch den Bescheid vom 15. August 1991 nicht zu erkennen (vgl dazu: BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr. 2; BSG SozR 3-1300 § 104 Nr. 9). Über die Rücknahme entschieden hat die BA aber mit dem Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 1992.

2. Anspruch auf Alg hat, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaft erfüllt, sich beim Arbeitsamt (ArbA) arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat (§ 100 Abs. 1 AFG). Ob diese Anspruchsvoraussetzungen ab 1. Juli 1991 sämtlich vorgelegen haben, läßt sich den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht entnehmen.

2.1 Zwar ist aufgrund der Feststellungen des LSG unbedenklich davon auszugehen, daß die Klägerin ab 1. Juli 1991 arbeitslos war, sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Auch zu Zweifeln an ihrer Bereitschaft, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, bietet der festgestellte Sachverhalt keinen Anhalt. Der Senat kann jedoch nicht beurteilen, ob die Klägerin, die zwei Kinder zu betreuen hat, eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ausüben konnte und damit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand. Dazu sind tatsächliche Feststellungen erforderlich, die eine Anwendung des § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Nr. 1 AFG erlauben. Solche Feststellungen hat das LSG – nach der von ihm vertretenen Rechtsansicht folgerichtig – nicht getroffen.

2.2 Die Ansicht des LSG, die Klägerin habe die Anwartschaftszeit nach § 104 Abs. 1 AFG nicht erfüllt, weil sie innerhalb der Rahmenfrist von 360 Kalendertagen nicht in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden habe und auch gleichstehende Zeiten (§ 107 AFG) nicht aufzuweisen habe, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Beitragspflichtig sind nach § 168 Abs. 1 Satz 1 AFG Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Ausbildung beschäftigt sind (Arbeitnehmer), soweit sie nicht nach den §§ 169 bis 169c AFG oder einer Rechtsverordnung nach § 173 Abs. 1 AFG beitragsfrei sind. Das LSG hat dieser Vorschrift zu Unrecht entnommen, die Beitragspflicht setze das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Dies trifft nicht zu, weil nach § 173a AFG die Vorschriften über die Beschäftigung (§ 7 SGB IV) und das Arbeitsentgelt (§§ 14 und 17 SGB IV) im Bereich der Arbeitslosenversicherung entsprechend anzuwenden sind. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist unter einer Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis zu verstehen. Wie im Bereich der Sozialversicherung kommt danach auch in der Arbeitslosenversicherung eine Beitragspflicht ohne Bestehen eines Arbeitsverhältnisses in Betracht. Aus diesem Grunde kann dahinstehen, ob der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein zu folgen ist, die festgestellt hat, die Klägerin sei als Rettungssanitäterin nicht Arbeitnehmerin des DRK gewesen. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG schließen das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses während der Tätig keit als „ehrenamtliche” Rettungssanitäterin in der Rahmenfrist vom 1. Juli 1988 bis 30. Juni 1991 nicht aus. Merkmal des Beschäftigungsverhältnisses in der Sozialversicherung ist die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten von einem Arbeitgeber. Persönliche Abhängigkeit erfordert die Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in bezug auf Zeit, Dauer, Ort und An der Arbeitsausführung (st Rspr: BSGE 70, 81, 82 = SozR 3-4100 § 104 Nr. 8 mwN). Das Weisungsrecht des Arbeitgebers kann – in einzelnen Punkten – eingeschränkt sein, darf jedoch nicht völlig entfallen. Aus diesem Grunde ist die persönliche Abhängigkeit der Klägerin während ihres Einsatzes als Rettungssanitäterin nicht schon deshalb zu verneinen, weil sie bei der Bestimmung ihrer Dienstzeiten eine gewisse Selbständigkeit aufweist. Die persönliche Abhängigkeit ist vielmehr aufgrund einer umfassenden Würdigung ihrer innerbetrieblichen Stellung zu beurteilen, Anhaltspunkte für eine persönliche Abhängigkeit der Klägerin können sich aus den ihr wahrend übernommener Schichten auszuführenden Arbeiten und die Regelung ihres Verhaltens wahrend des Schichtbetriebs bei Aufenthalt in der Rettungswache ergeben. Für eine solche Abhängigkeit sprechen zB die Feststellungen des LSG, die Rettungssanitäter hatten Fahrberichte zu schreiben, das Fahrzeug zu warten und zu säubern sowie die Rettungswache zu

Für die Annahme eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses spricht auch die Entschädigung der Klägerin mit einer Aufwandsentschädigung von 5,– DM pro Stunde sowie einer Fahrkostenerstattung von 0,36 DM pro Kilometer. Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs. 1 SGB IV sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Wegen dieses weiten Begriffs des Arbeitsentgelts kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, daß die Entschädigung der Klägerin für ihre Einsätze als Aufwandsentschädigung bzw Fahrkostenerstattung bezeichnet worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Beitragspflicht von Ehrenbeamten enthält eine pauschale Aufwandsentschädigung insoweit ein Arbeitsentgelt, als sie den tatsächlichen Aufwand übersteigt (BSG Urteil vom 22. Februar 1996 – 12 RK 6/95 – mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen). Im vorliegenden Fall spricht einiges dafür, daß den als Aufwandsentschädigung bezeichneten Zahlungen ein entsprechender Aufwand nicht gegenüberstand, so daß jedenfalls diese als Arbeitsentgelt anzusehen sein dürften.

2.3 Entgegen der Ansicht der BA war eine entgeltliche Beschäftigung der Klägerin als Rettungssanitäterin beim DRK nicht wegen Kurzzeitigkeit beitragsfrei. Dies trifft nur für Beschäftigungen zu, die auf weniger als 18 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegen oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt sind. Dabei bleiben gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt (§ 169a Abs. 1 Satz 1 iVm § 102 Abs. 1 AFG). Nach den Feststellungen des LSG war die Klägerin als Rettungssanitäterin durchschnittlich 88 Stunden im Monat tätig, was einer wöchentlichen Belastung von 20,3 Stunden entspricht. Die Vorstellung der BA, diese Zeit nicht voll als Arbeitszeit zu berücksichtigen, weil es sich dabei zum Teil um Bereitschaftsdienst gehandelt habe, ist mit der Rechtsprechung des BSG nicht zu vereinbaren. Danach ist für die Beitragspflicht die Arbeitszeit der Beschäftigung maßgebend, die voraussichtlich durchschnittlich in der Woche anfallen wird und im Regelfall vom Arbeitgeber zu vergüten ist. Bestehen hinsichtlich der Arbeitszeit vertragliche Vereinbarungen, ist ihnen zu entnehmen, ob die Beschäftigung kurzzeitig ist (BSG SozR 3-4100 § 102 Nr. 1). Die Feststellungen des LSG über die Entschädigung der Klägerin deuten darauf hin, daß es sich dabei um Entgelt für geleistete Arbeit handelte, so daß für eine Differenzierung zwischen Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst (zu dessen Merkmalen: BSG SozR 3-4100 § 102 Nr. 1) kein Anhaltspunkt besteht. Da die Aufgabe nach den Feststellungen des LSG nicht nur in Rettungseinsätzen, sondern auch im Abfassen von Berichten, Reinigen der Rettungswache und Pflege der Einsatzwagen bestand, dürfte es sich um Arbeitsbereitschaft gehandelt haben, die eine im Vergleich zur Vollarbeit geringere vertragliche Leistung bedeutet, im Gegensatz zum Bereitschaftsdienst aber nicht im bloßen „Anwesendsein” besteht (dazu: BSG SozR 3-4100 § 102 Nr. 1). Ohne Anhaltspunkte in differenzierenden vertraglichen Vereinbarungen erscheint eine Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst praktisch nicht möglich, denn in vielen Beschäftigungen ist die eigentliche Arbeitsleistung nicht durchgehend zu erbringen, gleichwohl sind solche Zeiten als Arbeitszeit zu würdigen. Die von der Rechtsprechung des BSG abweichende Ansicht der BA dürfte auch berechtigten Bedürfnissen der Verwaltungspraxis nicht entsprechen, weil sie Merkmale für den Umfang der Kürzung von Arbeitszeiten nicht aufzeigt. Auch für eine geringfügige Beschäftigung der Klägerin iS des § 169a Abs. 2 AFG iVm § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV besteht Kein Anhalt.

3. Bei der weiteren Verhandlung und Entscheidung wird das LSG zu beachten haben, daß der Rechtsstreit nur für die Zeit vom 1. Juli bis 23. September 1991 einen Leistungsanspruch auf Alg betrifft. Für die Zeit ab 24. September 1991 hat die BA Alg dem Grunde nach mit Bescheid vom 30. Juli 1991 bewilligt und diese Bewilligung erst mit dem Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 1992 zurückgenommen. Die Rechtmäßigkeit dieser Verwaltungsentscheidung, zu der sich das LSG nicht ausdrücklich geäußert hat, richtet sich nicht nur danach, ob die Klägerin die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg erfüllte, sondern ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Schlechterstellung der Klägerin im Widerspruchsverfahren durch die Rücknahme des Bewilligungsbescheids (dazu: BSGE 71, 274, 278 ff = SozR 3-1500 § 85 Nr. 1 mwN) und die Voraussetzungen für die Rücknahme der Bewilligung von Alg ab 24. September 1991 nach § 45 SGB X vorgelegen haben. Auch hierüber kann der Senat nicht abschließend entscheiden, weil das LSG zu den maßgebenden rechtlichen Merkmalen tatsächliche Feststellungen nicht getroffen hat.

Der Rechtsstreit ist danach zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahren – an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGB).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1049444

AuA 1998, 326

SozSi 1997, 280

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