Beteiligte

Kassenärztliche Vereinigung Hamburg

7. AOK-Bundesverband

8. Bundesverband der Betriebskrankenkassen

9. Bundesverband der Innungskrankenkassen

10. Bundesverband der landwirtschaftlichen Krankenkassen

1. Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V.

2. Kassenärztliche Bundesvereinigung

3. Landesverband der Ortskrankenkassen

4. Innungskrankenkasse Hamburg

5. Betriebskrankenkassen-Landesverband Nord

6. Seekrankenkasse

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 18. März 1998 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben der Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darum, wie im Quartal III/1985 erbrachte Untersuchungen zum Nachweis von HIV-Antikörpern („AIDS-Tests”) von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) abzugelten sind.

Im Quartal III/1985 führten die Kläger, vier in H. in Gemeinschaftspraxis niedergelassene Laborärzte, nach ihren Angaben als „Pioniere” für das damals neuartige Nachweisverfahren bei 542 Patienten insgesamt 1.204 HIV-Untersuchungen durch. Derartige Laboruntersuchungen zum Nachweis von HIV-Antikörpern wurden erst aufgrund einer zum 1. Oktober 1987 eingetretenen Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für die ärztlichen Leistungen (EBM-Ä) unter der Nr 4339 ausdrücklich als berechnungsfähige Leistungen erfaßt.

Die Beklagte legte in ihrem Abrechnungsbescheid vom 14. Januar 1986 für die Tests (wissenschaftliche Terminologie seinerzeit: HTLV III-LAV-Untersuchungen) die mit 250 Punkten bewertete Gebühren-Nr 3798 des Bewertungsmaßstabes für die kassenärztlichen Leistungen (BMÄ) bzw die mit 281 Punkten bewertete gleichlautende Nr der Ersatzkassen-Gebührenordnung (E-GO) zugrunde („Quantitative chemische/physikalische Analyse eines Körpermaterials mit besonders schwierigem und aufwendigem Gang der Untersuchung und/oder der Materialvorbereitung – Ähnliche Untersuchungen”). Diese Nrn rechnete sie bei Versicherten der RVO-Kassen 149 mal bzw der Ersatzkassen 204 mal ab (= durchschnittlich 17,82 DM je RVO-Fall bzw 26,05 DM je Ersatzkassen-Fall). Die Kläger begehrten demgegenüber eine Abrechnung nach der im BMÄ mit 500 und in der E-GO mit 562,5 Punkten bewerteten Nr 4520 („Antikörpernachweis mittels Immobilisationstest ≪Nelson-Test≫”), da die Honorierung der im Auftrag erbrachten, bis dahin völlig unbekannten und neu entwickelten Untersuchungen sonst nicht kostendeckend sei; die tatsächlichen Kosten je Test betrügen 35,38 DM.

Der Widerspruch der Kläger hatte keinen Erfolg. Im Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 1986 wird dargelegt, daß die Analysen als enzym-immunologische Untersuchungen durchgeführt worden seien. Solche Untersuchungen seien nach einem Beschluß des Bewertungsausschusses bzw einer Feststellung der Arbeitsgemeinschaft gemäß § 19 Ersatzkassenvertrag-Ärzte (EKV-Ä) zwingend nach Nr 3798 BMÄ/E-GO abzurechnen, und zwar auch, wenn die Bewertung keine kostendeckenden Erträge ergebe.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, da die vorübergehende Bewertung der neuen Untersuchung nach Nr 3798 BMÄ/E-GO weder willkürlich noch unangemessen gewesen sei; die spezielle Untersuchung sei auch ab 1. Oktober 1987 im EBM-Ä nur mit 250 Punkten, ab 1. April 1989 sogar nur noch mit 170 Punkten bewertet worden (Urteil vom 4. Juli 1990).

Im anschließenden Berufungsverfahren, das im Hinblick auf ein anderweitiges Musterverfahren zunächst geruht hat, hat das Landessozialgericht (LSG) die auf Gewährung höherer Vergütung, hilfsweise Neubescheidung der Beklagten gerichtete Berufung der Kläger zurückgewiesen (Urteil vom 18. März 1998). Die Beklagte sei an das Vertragswerk, das eine Abrechung für AIDS-Tests nur nach Nr 3798 BMÄ/E-GO erlaube, gebunden. Auch der darin enthaltene erläuternde Zusatz, daß enzym-immunologische Untersuchungen nach dieser Nr abzurechnen seien, sei von der Ermächtigung der §§ 368g, 525c Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gedeckt. Die Rechtsprechung dürfe in ein umfassendes Tarifwerk nur bei mißbräuchlicher Ausübung der Bewertungskompetenz punktuell eingreifen. Daran fehle es hier, weil die Bewertung nach Nr 4520 BMÄ/E-GO nicht so klar zutage liege, daß die davon abweichende Bewertung der Beklagten willkürlich erscheine. Wenn der Katalog der Untersuchungsleistungen nach den Nrn 3781 bis 3794, auf die Nr 3798 als „ähnliche Untersuchungen” Bezug nehme, ua die auf einem Immundefektsyndrom beruhende Schilddrüsentestung aufführe, liege es näher, daran anzuknüpfen als an den Nelson-Test. Hinzu komme, daß die AIDS-Testung nach Nr 4757 EBM-Ä später auch nur mit 250 Punkten bewertet worden sei. Art 12 Grundgesetz (GG) sei bei alledem nicht verletzt. Ein Kassen-/Vertragsarzt sei nicht generell verpflichtet, jede Behandlung durchzuführen. Nach dem eigenen Vorbringen der Kläger habe zur streitigen Zeit auch das Tropeninstitut in Hamburg AIDS-Testungen vorgenommen, so daß sie solche Untersuchungen durchaus hätten unterlassen dürfen. Ein höherer Vergütungsanspruch ergebe sich weder aus dem Gebot der angemessenen Vergütung (§ 368g Abs 1 RVO) noch lasse er sich aus der analogen Anwendung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften herleiten. Anspruchsgegner bei Anwendung dieser Vorschriften könne allenfalls die für die Seuchenbekämpfung zuständige Behörde sein, nicht aber die Beklagte.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision und rügen die fehlerhafte Anwendung des Gebührenrechts. Die HIV-Untersuchungen fielen nach Wortlaut und Regelungssystematik von vornherein nicht unter Nr 3798 BMÄ/E-GO. Darunter könnten – auch was die Anmerkung des Bewertungsausschusses und der Arbeitsgemeinschaft Ärzte/Krankenkassen zu dieser Nr anbelange – nur Verfahren fallen, die den quantitativen chemischen/physikalischen Analysen eines Körpermaterials iS der Nrn 3781 bis 3794 ähnlich seien, dh, bei denen nur ein bestimmter Stoff quantitativ bestimmt werde. Als infektionsimmunologische, einen biologischen Vorgang ermittelnde Untersuchungen wichen HIV-Tests von diesen Analysen nach Entwicklung, Durchführung, Kontrollen, Bewertung des Ergebnisses und Qualifikation des Laborarztes deutlich ab. Sie seien wesentlich aufwendiger und erheblich kostenintensiver, brächten eine große Belastung des Untersuchungsmaterials durch infektiöse Partikel mit sich und erforderten besondere Sicherheitsmaßnahmen. Der Oberbegriff „enzym-immunologische Untersuchungen” beinhalte dagegen nur ein bestimmtes diagnostisches Vorgehen, nicht aber eine Methodenbeschreibung. Bei den vom LSG zum Vergleich herangezogenen Schilddrüsenuntersuchungen handele es sich ebenfalls nur um den Nachweis einer chemischen Substanz, nicht aber (wie bei den HIV-Testungen) um die Analyse des biologischen Ablaufs einer Immunreaktion. Die Beteiligten seien zu dieser vergleichenden Betrachtung – verfahrensfehlerhaft – weder angehört noch sei dazu ein Sachverständigengutachten eingeholt worden. Sachgerecht müßten die HIV-Untersuchungen unter Nr 4520 BMÄ/E-GO eingeordnet werden, denn auch der Nelson-Test sei eine infektionsimmunologische Untersuchung. Höchstrichterliche Rechtsprechung stehe dem nicht entgegen, weil HIV-Tests von vornherein nicht unter Nr 3798 BMÄ/E-GO fielen. Die Zuordnung zur Nr 3798 verstoße jedenfalls gegen das Willkürverbot des Art 3 Abs 1 GG und bewirke – weil nicht annähernd kostendeckend – auch einen Verstoß gegen Art 12 GG. Bei Aufkommen der AIDS-Erkrankungen hätten die ersten verfügbaren Nachweismöglichkeiten sofort eingesetzt werden müssen, um eine seuchenhafte Ausbreitung in Deutschland zu verhindern. Sie (die Kläger) hätten als Kassen-/Vertragsärzte – anders als das LSG meine und wie sich aus der Auswertung von Fachliteratur ergebe – in der damaligen Situation HIV-Untersuchungen weder rechtlich noch tatsächlich ablehnen können. Das LSG gebe ihre Äußerungen zur Durchführung von Untersuchungen durch das Tropeninstitut unzutreffend wieder. Tatsächlich seien sie (die Kläger) 1985 wesentlich weiter gewesen als das Tropeninstitut, hätten Untersuchungen bereits durchführen können und sich wegen ihrer Spezialkenntnisse zum Tätigwerden geradezu verpflichtet gefühlt. Dies dürfe nicht als Handeln auf eigenes Risiko oder als Nutzen späterer Ertragschancen im Vorgriff auf eine erwartete Entwicklung verstanden werden. – Hilfsweise stehe ihnen (den Klägern) ein Aufwendungsersatzanspruch analog der Geschäftsführung ohne Auftrag gegen die Beklagte zu; denn sie hätten deren Geschäft geführt, weil ihr der Sicherstellungsauftrag auch hinsichtlich der HIV-Untersuchungen oblegen habe. Jene sei ihnen zum Ersatz in Höhe der Differenz zwischen der geleisteten unzureichenden Vergütung nach Nr 3798 BMÄ/E-GO und den weit höheren tatsächlich angefallenen Kosten zuzüglich eines angemessenen Honorars verpflichtet. Weiter hilfsweise ergebe sich der Anspruch hierauf aus §§ 812, 818 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung, da sie (die Kläger) mit den Untersuchungen ein Sonderopfer erbracht hätten.

Die Kläger beantragen,

  • die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 18. März 1998 und des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Juli 1990 aufzuheben sowie den Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal III/1985 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 1986 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die von ihnen erbrachten Untersuchungen auf HIV-Antikörper nach Nr 4520 BMÄ/E-GO abzurechnen,

    hilfsweise,

  • die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen, die HIV-Antikörper-Untersuchungen höher als nach Nr 3798 BMÄ/E-GO zu vergüten,

    hilfsweise,

  • sie, die Kläger, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,

    weiter hilfsweise,

  • den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Einordnung der von den Klägern erbrachten Leistungen unter Nr 3798 BMÄ/E-GO für zutreffend. Analoge Bewertungen wie in der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) seien dem Kassen-/Vertragsarztrecht fremd. Den Klägern stehe kein subjektives Recht auf eine höhere als die geregelte Vergütung zu; ihnen gehe es weniger um die Zuordnung zu einer konkreten Gebührenposition als vielmehr um höhere Vergütung überhaupt, gleich aus welchem Rechtsgrund. Sie seien durch die vorgenommene Abrechnung nicht finanziell geschädigt worden, da die Abrechnung mit 250 Punkten exakt den zum 1. Oktober 1987 im BMÄ bzw in der E-GO vorgenommenen Bewertungen entsprochen habe.

Die Beigeladene zu 7. ergänzt, das LSG habe sich zu Recht bei der Auslegung der Nr 3798 BMÄ/E-GO zurückgehalten, da Vorschriften des Gebührenrechts weder einer extensiven Auslegung noch einer Analogie zugänglich seien. Der Bewertungsausschuß habe seinen Bewertungsspielraum nicht überschritten. Die Kläger hätten auch keinen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag, da das detailliert gesetzlich geregelte Aufgaben- und Kompetenzgefüge der Träger öffentlicher Verwaltung nicht unter Berufung auf dieses Rechtsinstitut umgangen werden dürfe. Gefahren für Leben, Gesundheit oder Eigentum hätten nicht bestanden, weil in der streitigen Zeit bereits das Tropeninstitut in Hamburg HIV-Untersuchungen vorgenommen habe. Das Tätigwerden der Kläger habe daher nicht dem – keineswegs unbeachtlichen – Willen der Beklagten entsprochen.

II

Die zulässige Revision der Kläger ist unbegründet.

Der Senat schließt sich im Ergebnis den Vorinstanzen darin an, daß die Kläger von der beklagten KÄV für das Quartal III/1985 weder eine Vergütung der streitigen Laboruntersuchungen nach der Gebühren-Nr 4520 BMÄ/E-GO (unmittelbar oder analog) noch eine höhere Vergütung als nach Nr 3798 BMÄ/E-GO aus einem anderen Rechtsgrund noch eine Neubescheidung über ihre Vergütungsansprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts beanspruchen können.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Vergütung der erbrachten AIDS-Testungen nach der mit 500 Punkten bewerteten Gebühren-Nr 4520 BMÄ/E-GO in der seinerzeit geltenden Fassung. Nach dieser Position konnte nur ein „Antikörpernachweis mittels Immobilisationstest (Nelson-Test)” abgerechnet und vergütet werden. Um ein derartiges Testverfahren handelte es sich bei den in der streitigen Zeit erbrachten Laborleistungen nicht. Dieses auch als Treponema-Palladium-Immobilisationstest (TPI-Test) bezeichnete Verfahren ist ein (heute nicht mehr gebräuchliches und im aktuellen EBM-Ä nicht mehr speziell aufgeführtes) Verfahren in der Syphilisdiagnostik (vgl aber jetzt Nrn 4531 – 4533 EBM-Ä), mit dem spezifische Antigene gegen Treponemen – eine Bakterienform – nachgewiesen wurden (vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Aufl 1998, S 1095, Stichwort „Nelson-Test” sowie S 1585, Stichwort „TPI-Test”; Zetkin/Schaldach, Wörterbuch der Medizin, 6. Aufl 1980, S 959, Stichwort „Nelson-Test”). Bei den im vorliegenden Fall streitigen Leistungen ging es demgegenüber um den Nachweis von HIV- bzw HTLV III-LAV-Antikörpern.

Die Kläger haben ungeachtet der von ihnen hinsichtlich der infektionsimmunologischen Untersuchungsweise aufgezeigten Verwandtschaft der durchgeführten AIDS-Testungen mit dem Nelson-Test auch keinen Anspruch auf eine Bewertung und Vergütung der von ihnen im Quartal III/1985 erbrachten streitigen Leistungen analog der Nr 4520 BMÄ/E-GO.

Vergütungstatbestände sind, wie der Senat wiederholt ausgeführt hat (zuletzt Senatsurteile vom 13. März 1998, SozR 3-5555 § 10 Nr 1 S 4, und vom 25. August 1999 – B 6 KA 32/98 R –, zur Veröffentlichung in SozR 3-5553 Nr 2449 Nr 1 vorgesehen –, sowie B 6 KA 57/98 R), entsprechend ihrem Wortlaut auszulegen und anzuwenden. Der Wortsinn ist maßgebend und kann nur in engen Grenzen durch eine systematische und/oder entstehungsgeschichtliche Interpretation ergänzt werden. Auslegungen und Analogien sind unzulässig (vgl die oben genannten BSG-Urteile). Diese Grundsätze und die damit einhergehende Einschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit beruhen auf der vertraglichen Struktur der – hier durch § 368g RVO für den RVO-Kassenbereich und § 525c Abs 2 RVO für den Ersatzkassenbereich legitimierten – Vergütungsregelungen und der Art ihres Zustandekommens. Bei den Vergütungsregelungen handelt es sich nämlich um untergesetzliche Rechtsnormen in Form von Normsetzungsverträgen (hierzu zuletzt Senatsurteil vom 25. August 1999 – B 6 KA 39/98 R –, zur Veröffentlichung in BSG und SozR vorgesehen). So werden die Bestimmungen des EBM-Ä, die die Vorgaben für die Gebührenordnungen des BMÄ und der E-GO enthalten, durch den paritätisch mit Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen besetzten Bewertungsausschuß beschlossen und durch weitere Regelungen ergänzt, die zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vereinbart werden. Nichts anderes galt der Sache nach für die Rechtslage vor Inkrafttreten des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V). Der vertragliche Charakter der Vergütungstatbestände soll gewährleisten, daß die unterschiedlichen Interessen der an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Gruppen zum Ausgleich kommen und eine sachgerechte inhaltliche Beschreibung und Bewertung der ärztlichen Leistungen erreicht wird. Grundsätzlich entscheiden die Vertragspartner bzw der Bewertungsausschuß, welche Leistungen mit welchen Punktbeträgen bewertet werden. Es liegt auch vorrangig in ihrer bzw seiner Zuständigkeit, unklare Regelungen der Gebührenordnungen zu präzisieren und änderungsbedürftige zu korrigieren. Diesem System autonomer Festlegung der Leistungsbewertungen entspricht die Anerkennung eines weiten Regelungsspielraums, der von den Gerichten zu respektieren ist. Diese dürfen nur eingreifen, wenn die Vertragspartner bzw der Bewertungsausschuß ihren Entscheidungsspielraum überschreiten, insbesondere ihn mißbräuchlich ausnutzen oder nur einer Arztgruppe die Vergütung für eine Leistung gewähren, die auch von anderen Arztgruppen erbracht wird bzw erbracht werden kann (BSGE 83, 218, 219 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 21 S 108 f; BSGE 83, 205, 208 = SozR 3-2500 § 85 Nr 29 S 214 f). An einem solchen Sachverhalt fehlt es hier. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte vielmehr zu Recht die Abrechnung der von den Klägern erbrachten AIDS-Tests nach der Nr 4520 BMÄ/E-GO abgelehnt, da eine analoge Anwendung der Gebührenordnungs-Nr ausscheidet.

Die Kläger können auch nicht mit ihrem Antrag durchdringen, die streitigen Leistungen von der Beklagten höher als nach Nr 3798 BMÄ/E-GO bewertet und vergütet zu erhalten. Insoweit kann dahinstehen, ob die von ihnen gegen die Bewertung nach dieser Nr vorgebrachten Gesichtspunkte durchgreifen.

AIDS-Testungen wurden erst zum 1. Oktober 1987 unter der Nr 4339 („HIV-Antikörper-Nachweis mittels Immunoassay”) mit 250 bzw – später – mit 170 Punkten explizit berechnungsfähig. Zum 1. April 1994 wurden sie differenzierter unter den Nrn 4543 bis 4545 („HIV-1- bzw HIV-2-Antikörper-Nachweis mittels Immunoassay” ≪170 Punkte≫ bzw „HIV-Antikörper-Nachweis mittels Immunfluoreszenz” ≪280 Punkte≫) sowie unter Nr 4632 („Nachweis von HIV-Antikörpern im Westernblot” ≪800 Punkte≫) im EBM-Ä den infektionsimmunologischen Untersuchungen zugeordnet bzw unter Nr 4757 (virologischer Antigen-Nachweis ≪250 Punkte≫) bei den virologischen Untersuchungen aufgeführt (vgl Moewes/Effer/Hess, Kölner Kommentar zum EBM, Stand April 1994, S 508.3/4). Wenn AIDS-Testungen gleich welcher Art demgegenüber zu der hier streitigen Zeit im BMÄ und in der E-GO nicht ausdrücklich gebührenrechtlich erfaßt waren, wäre ihre Abrechnungsfähigkeit im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung an sich ausgeschlossen; denn nur Leistungen, die im Leistungsverzeichnis der Vertragsgebührenordnungen enthalten sind, können von den Kassen-/Vertragsärzten zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht und abgerechnet werden (so schon Senatsurteile vom 13. November 1996 – BSGE 79, 239, 241 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 14 S 48 f; sowie vom 25. August 1999 – B 6 KA 39/98 R –, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Eine Abrechnung der AIDS-Testungen kam danach überhaupt nur in Betracht, wenn sie als nach Nr 3798 „ähnliche Untersuchungen” iS der Nrn 3781 ff BMÄ/E-GO angesehen werden konnten. Davon ist die Beklagte hier zugunsten der Kläger ausgegangen, ohne daß daraus eine Rechtsverletzung zu deren Nachteil folgen kann. Wie der Senat bereits entschieden hat, darf der Bewertungsausschuß bei der Beschreibung von Laborleistungen des EBM-Ä zwar grundsätzlich auch den Begriff der „ähnlichen Untersuchung” verwenden, der dann im Einzelfall von den jeweiligen KÄVen zu konkretisieren ist. Dieses Vorgehen ist aber im Hinblick auf die damit verbundene Verlagerung der Rechtsetzungskompetenz auf die KÄVen nur in engen Grenzen zulässig. So darf dabei zum einen nicht ernstlich im Streit sein, daß die betroffene Leistung dem Tatbestandsmerkmal der „ähnlichen Untersuchung” zuzuordnen ist, und zum anderen muß es sich um solche Laborleistungen handeln, die weder in großem Umfang noch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen in der vertragsärztlichen Versorgung eingesetzt werden können (Urteil des Senats vom 25. August 1999 – B 6 KA 39/98 R –, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

Die Beklagte und das LSG haben in diesem Sinne Gesichtspunkte für eine Bewertung der streitigen Leistungen nach der Nr 3798 BMÄ/E-GO angeführt und insbesondere auf den Umstand hingewiesen, daß der nach § 368i Abs 8 RVO gebildete sachkundige Bewertungsausschuß sowie die Arbeitsgemeinschaft gemäß § 19 EKV-Ä bereits 1983 in Beschlüssen die Abrechnungsfähigkeit enzym-immunologischer Verfahren nach Nr 3798 festgelegt hatten (DÄ 1983 Heft 40, A-123, 127 sowie Heft 52, A-59). Wenn die Kläger dieser Zuordnung mit labormedizinisch-wissenschaftlichen Argumenten widersprechen, könnte dies dazu führen, daß es auch an der Vergütungsfähigkeit ihrer Leistungen als „ähnliche Untersuchung” fehlt, mit der Folge, daß die erbrachten Leistungen vor ihrer ausdrücklichen Aufnahme in den EBM-Ä bzw in die Gebührenordnungen – mangels der oben erörterten Möglichkeit, diese der Nr 4520 BMÄ/E-GO zuzuordnen – überhaupt nicht vergütungsfähig waren. Von daher kommt es auf die insoweit erhobenen verfahrensrechtlichen Rügen der Kläger schon mangels Entscheidungserheblichkeit nicht an.

Auch die weiteren von Klägerseite für eine höhere Vergütung ins Feld geführten Gesichtspunkte des Vertragsarztrechts haben kein ihnen günstiges Ergebnis im Sinne einer Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung zur Folge. Daß geltend gemacht wird, eine Leistung könne nicht kostendeckend erbracht werden, rechtfertigt regelmäßig keinen Eingriff der Gerichte in die Vertragsgebührenordnungen, die ein als ausgewogen zu unterstellendes Tarifgefüge darstellen (zum ganzen bereits BSG SozR 3-5533 Nr 763 Nr 1 S 3 f für die Bewertung endoskopischer Untersuchungen des Verdauungstraktes). Abgesehen davon, daß der Aussagewert betriebswirtschaftlicher Analysen – zudem bezogen auf eine einzelne Praxis – für die Beurteilung von Leistungsbewertungen ohnedies begrenzt ist (BSG ebenda), würde ein punktuelles Eingreifen der Gerichte in derartigen Fällen in besonderem Maße darauf hinauslaufen, die Funktionsfähigkeit des für alle Kassen-/Vertragsärzte verbindlichen Tarifgefüges gänzlich zu beseitigen. Für einen Ausnahmefall in dem oben bereits dargestellten Sinne fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Daß die Bewertungsgremien – bzw hier die Beklagte – gezielt und wider besseres Wissen die streitigen Leistungen in der damaligen Zeit durch den Ansatz der Nr 3798 BMÄ/E-GO zu niedrig bewertet und damit die ihnen vom Gesetz eingeräumten Befugnisse mißbraucht hätten, ist auszuschließen. Für eine solche Annahme ist schon deshalb kein Raum, weil die Bewertung mit 250 Punkten genau derjenigen entsprach, die später zum 1. Oktober 1987 im EBM-Ä erfolgte. Daß im EBM-Ä eine neue Leistungsposition für die AIDS-Testungen sachwidrig erst zu einem zu späten Zeitpunkt aufgenommen worden wäre (zu diesem Gesichtspunkt BSGE 79, 239, 243 = SozR 3-2500 § 87 Nr 14 S 50 f und BSG, Urteil vom 25. August 1999 – B 6 KA 39/98 R –, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), machen die Kläger nicht geltend, würde aber auch – wie dargelegt – nicht zu einer 250 Punkte übersteigenden Punktzahl und damit zu keiner höheren Vergütung führen.

Aus dem von den Klägern herangezogenen Grundsatz der „angemessenen Vergütung” (§ 368g RVO, jetzt: § 72 Abs 2 SGB V) läßt sich nach der Rechtsprechung des Senats ein Anspruch auf höhere Vergütung ebenfalls nicht herleiten (vgl BSG SozR 3-5533 § 763 Nr 1 S 5). Die den Partnern der Verträge über die kassen-/vertragsärztliche Versorgung auferlegte Verpflichtung, Vorsorge dafür zu treffen, daß eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden, hat rein objektiv-rechtliche Bedeutung und begründet grundsätzlich kein subjektives Recht des einzelnen Kassen-/Vertragsarztes auf ein bestimmtes, als angemessen bewertetes Honorar für die einzelne Leistung oder die ärztliche Tätigkeit insgesamt (so bereits BSGE 75, 187 = SozR 3-2500 § 72 Nr 5). Eine Ausnahme hiervon hat der Senat nur für den Fall diskutiert, daß durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das kassenärztliche Versorgungssystem als Ganzes und als Folge davon auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem teilnehmenden ärztlichen Leistungserbringer gefährdet wird. Letzteres kommt bei einer zu niedrigen Bewertung lediglich einzelner Leistungen oder Leistungskomplexe grundsätzlich nicht in Betracht (so BSG SozR 3-5533 Nr 763 Nr 1 S 6 und SozR 3-5555 § 10 Nr 1 S 6). Dagegen, daß durch die erfolgte Honorierung der AIDS-Testungen im Quartal III/1985 derart gravierende Auswirkungen von grundrechtsverletzender Intensität (Art 3 Abs 1 und 12 GG) eingetreten sein könnten, spricht auch, daß der von den Klägern dafür errechnete Verlust in Relation zum Gesamtvolumen ihres kassen-/vertragsärztlichen Honorars für das Quartal III/1985 nicht prägend ins Gewicht fällt (errechneter Verlust von 69.018,52 DM bzw 4.587,73 DM gegenüber einem Gesamthonorar von 2.153.493,74 DM bzw – für ambulante Behandlungen – 1.787.889,73 DM).

Den Klägern steht darüber hinaus keine höhere Vergütung nach Vorschriften des bürgerlichen Rechts oder unter dem Aspekt eines für die Beklagte erbrachten Sonderopfers zu.

Auch wenn Aufwendungsersatzansprüche nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag im Bereich des Sozialversicherungsrechts grundsätzlich denkbar sind (vgl BSGE 67, 100, 101 = SozR 3-7610 § 683 Nr 1 S 2), scheiden solche Ansprüche nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus, wenn besondere Bestimmungen das Verhältnis zwischen Geschäftsführer (hier: den Klägern) und Geschäftsherrn (hier: der Beklagten) abweichend regeln (vgl BGHZ 98, 235, 242 f) oder wenn Vorschriften des öffentlichen Rechts eine erschöpfende Regelung vorsehen, die einen Rückgriff auf die Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht erlauben (vgl BGHZ 30, 162, 169 ff; 140, 102, 109 f; Urteil des Senats vom 17. November 1999 – B 6 KA 14/99 R – zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). So verhält es sich hier. Selbst wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 683 BGB vorgelegen haben sollten, scheitert ein – über die von der Beklagten geleisteten Zahlungen hinausgehender – Anspruch der Kläger auf Aufwendungsersatz jedenfalls daran, daß dieses Rechtsinstitut nicht geeignet ist, die speziellen Vorschriften und Bewertungen des detailliert, zwingend und abschließend vom Gesetzgeber und den Gesamtvertragspartnern geregelten Systems der kassen-/vertragsärztlichen Versorgung zu umgehen. Dieses sieht mit dem EBM-Ä und diesem nachfolgend mit dem BMÄ und der E-GO Regelwerke vor, in welchen die einzelnen ärztlichen abrechnungsfähigen Leistungen mit Punktzahlen von sachkundig besetzten und auf einen angemessenen Interessenausgleich unter den Ärzten hinwirkenden Gremien bewertet worden sind. Ferner bietet es mit den Honorarverteilungsmaßstäben zur Verteilung der von den Krankenkassen gezahlten Gesamtvergütung (§ 368f Abs 1 RVO) ein besonderes Instrumentarium zur Festlegung des jeweiligen Punktwertes. Angesichts dieses differenziert ausgestalteten Systems ist ein allgemeines Rechtsinstitut des bürgerlichen Rechts nicht geeignet, im Verhältnis zwischen Kassenarzt und KÄV weitergehende Vergütungsansprüche aus Anlaß der Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zu begründen.

Das gleiche gilt, soweit sich die Kläger für ihre Ansprüche auf ungerechtfertigte Bereicherung bzw auf Aufopferung oder einen aufopferungsgleichen Eingriff berufen. Diese Rechtsinstitute können gleichfalls nicht dazu führen, die sich aus dem Gesetz und dem vertraglichen Regelungswerk ergebenden Vergütungsbeschränkungen und die in der Judikatur dazu entwickelten Grundsätze unbeachtet zu lassen. Ein Vergütungsanspruch für Leistungen, die außerhalb des Gesetzes- und Vertragswerks der kassen-/vertragsärztlichen Versorgung erbracht wurden, kann auf bereicherungsrechtliche Grundsätze nicht gestützt werden (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl zB BSGE 80, 1, 4 = SozR 3-5545 § 19 Nr 2 S 9; SozR 3-1500 § 97 Nr 3 S 7). Diesen Gedanken hat der Senat auch auf den Fall angewandt, daß Abrechnungsbeschränkungen des Vergütungsrechts einer Honorierung der erbrachten ärztlichen Leistungen entgegenstanden (BSGE 79, 239, 249 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 14 S 57 f). Um eine ähnliche Konstellation geht es auch vorliegend; denn entweder bestand gar kein Anspruch auf Vergütung, weil die streitigen Leistungen im Quartal III/1985 überhaupt nicht im BMÄ und in der E-GO erfaßt waren, oder aber die Leistungen waren jedenfalls nur auf der Basis der von der Beklagten zugrunde gelegten Punktzahlen der Gebühren-Nr 3798 BMÄ/E-GO zu vergüten, die als Auffangvorschrift für „ähnliche Untersuchungen” allenfalls dafür in Betracht kommen konnte.

Soweit die Kläger darüber hinaus darauf hinweisen, ihnen sei unter dem Blickwinkel eines erbrachten Sonderopfers zugute zu halten, daß sie sich in Hamburg als einzig sachkundige Ärzte bei Aufkommen der AIDS-Erkrankungen wegen der nicht zu übersehenden Seuchengefahr zum Tätigwerden geradezu verpflichtet gefühlt hätten, kann ihnen ein (höherer) Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte im System der kassen-/vertragsärztlichen Versorgung ebenfalls nicht eingeräumt werden. Dem LSG ist vielmehr darin beizupflichten, daß die Beklagte als diejenige, die (nur) die Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung sicherzustellen hatte (§ 368n Abs 1 RVO) – unbeschadet der Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines solchen Anspruchs überhaupt vorliegen –, nicht der zutreffende Anspruchsgegner für den Ersatz für eines zugunsten der Allgemeinheit erlittenen Sonderopfers sein kann, dessen sich die Kläger berühmen. Die fehlende Passivlegitimation der Beklagten für einen derartigen Anspruch erhellt sich insoweit schon daraus, daß die Kläger im streitigen Quartal nach ihren Angaben insgesamt 1.204 AIDS-Testungen bei Patienten durchführten, die Leistungen bei Krankenversicherten aber nur 353 mal abrechneten. Da die Beklagte keine originär oder mittelbar für die Seuchenbekämpfung in der Gesamtbevölkerung (losgelöst von der jeweiligen Absicherung der einzelnen Bürger gegen Krankheit) zuständige Behörde ist, können ihr auch keine zu entschädigenden Vorteile aus einem im Interesse der Allgemeinheit vorgenommenen aufopfernden Handeln zugerechnet werden. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob das LSG die Untersuchungsmöglichkeiten des örtlichen Tropeninstitutes falsch bewertet und eigene Äußerungen der Kläger dazu falsch wiedergegeben hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514026

DStR 2000, 1966

ArztR 2001, 23

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