Entscheidungsstichwort (Thema)

einmalige Leistung. Streitgegenstand. Rechtsweg. Sozialgerichtsbarkeit. Beitragserstattung. Anfechtung, Dritter. Versorgungsausgleich. Auskunft. Versicherungsträger

 

Leitsatz (amtlich)

  • Wird ein Beitragserstattungsbescheid angefochten, so ist die Berufung nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGG idF vom 23.9.1975 ausgeschlossen (Aufgabe von BSGE 52, 245 = SozR 2200 § 1303 Nr 22).
  • Für die Klage eines Ehepartners gegen den Rentenversicherungsträger, dem Familiengericht zur Durchführung des Versorgungsausgleichs Auskunft über das Versicherungsverhältnis des anderen Ehepartners zu erteilen, ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ausgeschlossen.
 

Normenkette

SGG §§ 51, 144 Abs. 1 Nr. 1 (Fassung: 23.9.1975); RVO § 1303; BGB §§ 1587, 1587a, 1587b; VersorgAusglHärteG § 11; FGG §§ 12, 53b; GVG §§ 13, 17a

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 02.04.1993; Aktenzeichen L 11 J 941/90)

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 29.05.1990; Aktenzeichen S 20 J 821/87)

 

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerin und der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 2. April 1993 aufgehoben.

Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Mai 1990 wird geändert, soweit es die Beklagte zur Erteilung der begehrten Auskunft verurteilt hat; in diesem Umfang wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zur Hälfte zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig sind die Aufhebung eines Beitragserstattungsbescheides (Revision der Klägerin) sowie die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, in dem Versorgungsausgleichsverfahren zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen Auskunft über die in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften des Beigeladenen vor der Beitragserstattung zu erteilen (Revision der Beklagten).

Die Klägerin war seit dem 1. Oktober 1970 mit dem Beigeladenen, einem tunesischen Staatsangehörigen, verheiratet. Am 6. Juli 1983 beantragte sie die Scheidung.

Mit Schreiben vom 26. März 1984 bat das Amtsgericht (AG) – Familiengericht – Frankfurt am Main die Beklagte um Auskunft über die Höhe der von der Klägerin während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften. Diese Auskunft wurde mit Schreiben vom 26. Juni 1984 erteilt. Zuvor hatte der damalige Prozeßbevollmächtigte der Klägerin am 21. Mai 1984 die Beklagte darauf hingewiesen, daß der Beigeladene nach Tunesien ausgereist sei; bei einem etwaigen Antrag des Beigeladenen auf Beitragserstattung sei zu berücksichtigen, daß vorab der Versorgungsausgleich durchzuführen sei und Ansprüche der Klägerin nicht beeinträchtigt würden.

Am 27. Juni 1984 ging bei der Beklagten ein Antrag des Beigeladenen auf Beitragserstattung ein. Auf entsprechende Anfrage der Beklagten vom 4. Dezember 1984 teilte das AG der Beklagten durch Schreiben vom 13. Dezember 1984 mit, daß der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt worden sei; als Ehezeit gelte die Zeit vom 1. Oktober 1970 bis zum 30. Juni 1993. Daraufhin gab die Beklagte mit Bescheid vom 6. März 1985 dem Antrag des Beigeladenen auf Beitragserstattung statt und überwies den Erstattungsbetrag – entsprechend einer Abtretungserklärung des Beigeladenen – an die Offenbacher Volksbank eG.

Durch Urteil des AG vom 4. Februar 1986 wurde die Ehe der Klägerin mit dem Beigeladenen geschieden. Das Verfahren über den Versorgungsausgleich wurde abgetrennt und zum Ruhen gebracht.

Aufgrund einer Anfrage des AG vom 18. Dezember 1985 teilte die Beklagte durch Schreiben vom 10. März 1986 dem AG mit, daß wegen der Beitragserstattung eine Auskunft über die von dem Beigeladenen während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften nicht erteilt werden könnte.

Am 17. April 1986 legte die Klägerin gegen den Beitragserstattungsbescheid vom 6. März 1985 Widerspruch ein, der von der Beklagten mangels Beschwer der Klägerin als unzulässig verworfen wurde (Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 1987).

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) die vorgenannten Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, im Versorgungsausgleichsverfahren zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen vor dem AG Auskunft über die Rentenanwartschaften des Beigeladenen vor der Beitragserstattung zu erteilen (Urteil vom 29. Mai 1990). Zur Begründung hat das SG ausgeführt, daß die Bescheide wegen fehlender Anhörung der Klägerin nach § 24 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) rechtswidrig seien. Die Klägerin sei durch die Beitragserstattung in ihren Rechten aus § 1587a Abs 2 Satz 2, § 1587b Abs 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) betroffen worden und hätte daher als Beteiligte iS des § 12 Abs 2 Satz 2 SGB X zu dem Verfahren hinzugezogen werden müssen. Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs könne sich die Klägerin auf einen Folgenbeseitigungsanspruch stützen. Dies sei auch unter Berücksichtigung des § 10d des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) gerechtfertigt.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der Aufhebung der von der Klägerin angefochtenen Verwaltungsentscheidung (Erstattung) abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Im übrigen (Auskunft) hat es die Berufung als unzulässig verworfen (Urteil vom 2. April 1993). Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt worden: Bezüglich der Aufhebung der Beitragserstattungsentscheidung sei die Berufung zulässig. Es liege kein Ausschlußgrund vor. Wenn – wie vorliegend – die Aufhebung eines Erstattungsbescheides mit der Folge der Wiederherstellung eines nach § 1303 Abs 7 der Reichsversicherungsordnung (RVO) erloschenen Versicherungsverhältnisses begehrt werde, handele es sich nicht etwa um einen Anspruch auf eine einmalige Leistung iS des § 144 Abs 1 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der bis zum 28. Februar 1993 geltenden Fassung (aF). Die Berufung sei insoweit auch begründet, weil die gegen den Beitragserstattungsbescheid gerichtete Anfechtungsklage mangels Beschwer der Klägerin gemäß § 54 Abs 1 und 2 SGG unzulässig sei. Hinsichtlich der Verpflichtung der Beklagten zur Auskunftserteilung sei die Berufung hingegen nicht zulässig, weil die Auskunft eine einmalige Leistung iS des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG aF darstelle.

Die Klägerin und die Beklagte haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, daß die Berufung hinsichtlich der Aufhebung des Beitragserstattungsbescheides unzulässig gewesen sei, weil es sich dabei um einen Anspruch auf eine einmalige Leistung iS des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG aF handele. Da der Beitragserstattungsbescheid noch nicht bestandskräftig sei, sei das Versicherungsverhältnis des Beigeladenen noch nicht erloschen. Infolgedessen ziele die Klage allein auf die Aufhebung des Bescheides und nicht auf die Wiederherstellung des Versicherungsverhältnisses ab. Jedenfalls aber sei die Berufung unbegründet. Der Beitragserstattungsbescheid “beschwere” sie, die Klägerin, iS des § 54 Abs 1 und 2 SGG. Die im Wege des Versorgungsausgleichs auszugleichenden Anwartschaften würden nämlich bereits während der Ehe und nicht erst durch die Entscheidung des Familiengerichts erworben, so daß der Beitragserstattungsbescheid als Eingriff in bereits bestehende, dem Eigentumsschutz unterfallende Anwartschaftsrechte zu werten sei. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides ergebe sich daraus, daß die Beklagte dem Erstattungsantrag nicht habe stattgeben dürfen, bevor festgestanden habe, daß ein Versorgungsausgleich nicht durchgeführt werde.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 2. April 1993 abzuändern und die Berufung der Beklagten auch insoweit als unzulässig zu verwerfen – hilfsweise zurückzuweisen –, soweit sie den Beitragserstattungsbescheid betrifft.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Urteil des LSG verstoße gegen § 144 Abs 1 Nr 1 SGG aF, soweit die Berufung als unzulässig verworfen worden sei. Bei der begehrten Auskunftserteilung handele es sich nicht um eine Leistung iS des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG aF, also eine Sozialleistung, sondern vielmehr um eine verfahrensrechtliche Verpflichtung aufgrund von zivilrechtlichen Vorschriften (§ 53b des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ≪FGG≫, § 11 VAHRG). Da somit ein sozialrechtlicher Anspruch auf Auskunftserteilung nicht bestehe, hätte die Klage auch insoweit abgewiesen werden müssen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 2. April 1993 insoweit abzuändern, als die Berufung als unzulässig verworfen worden ist, sowie das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Mai 1990 auch insoweit abzuändern, als die Beklagte verurteilt worden ist, im Versorgungsausgleichsverfahren zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main Auskünfte über die Rentenanwartschaften des Beigeladenen vor der Beitragserstattung zu erteilen, und die Klage in diesem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält insoweit das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren zur Sache nicht geaüßert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revisionen der Klägerin und der Beklagten sind zulässig und begründet.

Die Revision der Klägerin ist begründet, weil das LSG die Berufung der Beklagten, soweit sie sich gegen die Aufhebung des Beitragserstattungsbescheides durch das SG richtete, als unzulässig hätte verwerfen müssen. Die Revision der Beklagten ist begründet, weil das LSG die Berufung der Beklagten, soweit sie den Anspruch auf Auskunftserteilung betraf, nicht als unzulässig hätte verwerfen dürfen; es hätte in dieser Beziehung vielmehr sachlich entscheiden, das Urteil des SG aufheben und die Klage abweisen müssen, weil der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben ist.

1. Das LSG hat die – vom SG nicht zugelassene – Berufung, soweit sie den Beitragserstattungsbescheid betraf, zu Unrecht als zulässig angesehen. Der Berufungsausschlußgrund des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG aF greift ein.

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege (RPflEntlG) am 1. März 1993 sind die bisherigen §§ 144 bis 150 SGG aF durch die hier nicht in Betracht zu ziehenden §§ 144, 145 SGG abgelöst worden. Jedoch gelten gemäß Art 14 Abs 1 RPflEntlG (BGBl 1993 I S 50, 56) für die Zulässigkeit der Berufungen die bisherigen Vorschriften, wenn vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die mündliche Verhandlung, auf die das anzufechtende Urteil ergeht, geschlossen worden ist. So verhält es sich hier, weil die mündliche Verhandlung vor dem SG am 29. Mai 1990 geschlossen worden ist.

Nach der somit anzuwendenden Vorschrift des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG aF war die Berufung nicht zulässig bei Ansprüchen auf einmalige Leistungen. Bei der von der Klägerin angegriffenen Erstattung der Beiträge an den Beigeladenen aufgrund des Beitragserstattungsbescheides vom 6. März 1985 handelt es sich um eine solche einmalige Leistung. Unter Leistung iS des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG aF ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Handlung zu verstehen, die ein öffentlich-rechtlicher Leistungsträger aufgrund seiner zum Sozialrecht gehörenden Aufgaben wahrzunehmen hat und aus der für den einzelnen ein rechtlicher Vorteil erwächst (BSG, Urteile vom 25. Oktober 1984 – 11 RA 29/84 – SozR 1500 § 144 Nr 27, vom 25. Juli 1985 – 7 RAr 33/84 – SozR 1500 § 144 Nr 30, vom 14. Dezember 1988 – 9/4b RV 55/86 – SozR 1500 § 144 Nr 39 und vom 28. Juni 1991 – 2 RU 24/90 – SozR 3-1500 § 144 Nr 3). Einmalig ist eine Leistung dann, wenn sie sich ihrer Natur nach in einer bestimmten kurzen Zeitspanne abspielt und im wesentlichen in einer einzigen Gewährung erschöpft (vgl Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 4. Aufl 1991, § 144 RdNr 6 mwN). In diesem Sinne stellt die nach § 1303 RVO erfolgte Beitragserstattung eine einmalige Leistung gemäß § 144 Abs 1 Nr 1 SGG aF dar, weil sie trotz ihrer Anknüpfung an eine Mehrzahl rechtmäßig entrichteter Beiträge den Charakter einer Sozialleistung hat, die mittels eines einzigen Zahlungsvorgangs erbracht wird (Peters/Sautter/Wolff, Komm zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand Mai 1994, § 144 SGG RdNr 105; BSG, Urteil vom 23. Juli 1959 – 3 RJ 148/58 – BSGE 10, 186).

Entgegen der Auffassung des LSG bleibt es bei einer bloß “einmaligen Leistung” auch dann, wenn berücksichtigt wird, daß die Aufhebung des Beitragserstattungsbescheids – wie im vorliegenden Fall – in der Absicht erstrebt wird, die Rechtsfolgen des § 1303 Abs 7 RVO zu vermeiden. Denn unabhängig von der durch den Senat nicht zu entscheidenden Frage, ob es sich hierbei um die Wiederherstellung des Versicherungsverhältnisses oder nur bzw auch um dessen ungehinderte Weiterführung handelt, wird durch die klageweise Anfechtung des Beitragserstattungsbescheides das Versicherungsverhältnis nicht derart in das Gerichtsverfahren einbezogen, daß es zur Inhaltsbestimmung des Begriffes “einmalige Leistung” mit heranzuziehen wäre. Zwar hat der Senat im Urteil vom 15. Oktober 1981 (5b/5 RJ 90/80 – BSGE 52, 245 = SozR 2200 § 1303 Nr 22) die Auffassung vertreten, daß die Berufung zulässig sei, wenn ein Beitragserstattungsbescheid angegriffen werde. Gegenstand des Rechtsstreits sei nicht die Durchführung der Beitragserstattung als einmalige Leistung iS des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG aF, sondern die Wirksamkeit des Erstattungsbescheides und damit auch der Bestand des Versicherungsverhältnisses. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung aber nicht mehr fest. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Anspruch auf eine einmalige Leistung vorliegt, ist allein auf den Streitgegenstand des anhängig gemachten Rechtsstreits abzustellen. Streitgegenstand ist begrifflich das aufgrund eines bestimmten Sachverhaltes erhobene Klagebegehren, speziell bei sozialgerichtlichen Anfechtungsklagen die auf die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes gegründete, im Klageantrag ausformulierte Rechtsfolgenbehauptung des Klägers, die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung des Lebenssachverhalts sei nicht rechtswirksam (ähnlich Rohwer-Kahlmann, SGG-Komm, Stand Juli 1995, § 141 RdNrn 13 und 15 und Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 5. Aufl 1993, § 95 RdNrn 5 und 6, jeweils mwN). Bei der Anfechtung eines Bescheides über eine Beitragserstattung, die als solche vom BSG stets als einmalige Leistung angesehen worden ist (so schon Urteil vom 23. Juli 1959 – 3 RJ 148/58 – BSGE 10, 186), ist demzufolge Streitgegenstand nur das aus konkret bezeichneten tatsächlichen Umständen abgeleitete prozessuale Begehren des Klägers, die Anordnung der Beitragserstattung rechtlich wieder zu beseitigen. Die sich bei einem Erfolg der Anfechtungsklage darüber hinausgehenden weiteren rechtlichen Ergebnisse – wie etwa das Wiederaufleben oder zumindest die Bekräftigung des Versicherungsverhältnisses – sind in diesen gegenständlichen Bereich nicht mit einbezogen. Sie mögen sich zwar als systementsprechende Fortsetzungen eines einmal eingetretenen Rechtzustandes mit rechtlicher Notwendigkeit aus diesem ergeben, gehören aber, sofern sich der Kläger durch sie zur Klageerhebung mitbestimmen läßt, als bloße Beweggründe und insofern rechtlich nur fernere (mittelbare) Ziele des Klägers nicht zu dem vom Klageantrag gegenständlich umfaßten Gedankenkomplex. Sie sind daher nicht “Streitgegenstand”.

Aus diesem Grunde vermag der erkennende Senat auch nicht mehr den Urteilen anderer Senate des BSG zu folgen, die (wie früher der erkennende Senat) beim Streit über die Aufhebung eines Erstattungsbescheides entweder die Zulässigkeit der Berufung stillschweigend bejaht oder eine einmalige Leistung wegen der sich aus der Aufhebung ergebenden Rechtsfolgen ausdrücklich verneint haben (BSG, Urteile vom 8. Juli 1972 – 11 RA 224/71, vom 30. August 1974 – 11 RA 69/73 – SozR 2200 § 1303 Nr 1, vom 13. November 1974 – 12 RJ 334/72 – BSGE 38, 207 = SozR 2200 § 1744 Nr 2, vom 14. August 1978 – 11 RA 36/77 – SozR 2200 § 1303 Nr 12, vom 9. Dezember 1981 – 1 RA 35/80 – SozR 2200 § 1303 Nr 23, vom 19. Mai 1983 – 1 RA 35/82 – SozR 2200 § 1303 Nr 26, vom 22. März 1984 – 11 RA 22/83 – SozR 1300 § 45 Nr 7 und vom 2. Dezember 1987 – 1 RA 23/87 – SozR 2200 § 1303 Nr 33). Der Senat braucht auch bei diesen Senaten nicht anzufragen, ob sie an ihrer Rechtsauffassung festhalten, um ggf den Großen Senat anzurufen (§ 41 Abs 3 SGG). Der 1. und 11. Senat sind für Streitsachen der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr zuständig. Der 12. Senat ist nur für Streitigkeiten über die Erstattung unrechtmäßig geleisteter Beiträge zuständig; hier handelt es sich dagegen um die davon zu unterscheidende Erstattung rechtmäßig geleisteter Beiträge.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten, soweit sie die Beitragserstattung an den Beigeladenen betraf, unzulässig. Auf die Revision der Klägerin war deshalb das Urteil des LSG insoweit aufzuheben, die Berufung als unzulässig zu verwerfen und damit im Ergebnis das erstinstanzliche Urteil, das die Beitragserstattung als rechtswidrig angesehen hatte, wiederherzustellen.

2. Hinsichtlich des Auskunftsbegehrens hat das LSG die Berufung der Beklagten zu Unrecht als unzulässig verworfen. Die Berufung war vielmehr zulässig und iS der Abweisung der Klage begründet, weil für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch nicht der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit offengestanden hat, die Klage also insoweit richtigerweise als unzulässig hätte abgewiesen werden müssen.

Entgegen der Auffassung des LSG war die Berufung zulässig, weil der Ausschließungsgrund des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG aF nicht gegeben war. Zu den Leistungen nach dieser Vorschrift zählen nicht nur Geld- und Sachleistungen, sondern – wie sich aus § 11 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) ergibt – auch Dienstleistungen, so daß grundsätzlich auch eine Auskunftserteilung Leistung in diesem Sinne sein kann. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist aber, wie oben bereits ausgeführt wurde, unter einer Leistung nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGG aF nur eine von einem öffentlichrechtlichen Leistungsträger zu bewirkende Handlung zu verstehen, die dieser aufgrund seiner zum Sozialrecht gehörenden Aufgaben vorzunehmen hat. Um eine solche Aufgabe des Sozialrechts handelt es sich vorliegend nicht. Die begehrte Auskunftserteilung bezüglich der vor der Beitragserstattung erworbenen Rentenanwartschaften des Beigeladenen ist der Beklagten nicht durch das Sozialrecht auferlegt. Rechtsgrundlage für ihre Verpflichtung zur Auskunftserteilung gegenüber dem Familiengericht sind vielmehr die Bestimmungen des § 53b Abs 2 Satz 3 FGG bzw § 11 Abs 2 Satz 2 VAHRG, die als Regelungen bezüglich des Versorgungsausgleichsverfahrens, eines FGG-Verfahrens, dem Zivilrecht unterfallen.

Die Berufung war auch begründet, weil die Klage auf Erteilung der begehrten Auskunft unzulässig war. Das SG hat zu Unrecht die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit bejaht.

Der erkennende Senat ist trotz der Änderung der einschlägigen Vorschriften (Neufassung des § 17a des Gerichtsverfassungsgesetzes ≪GVG≫ bei gleichzeitiger Streichung des § 52 SGG) durch das Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (4. VwGOÄndG) vom 17. Dezember 1990 (BGBl I S 2809) nicht an der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges gehindert. § 17a GVG, der über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, bestimmt zwar, daß die Rechtswegfrage bereits im Verfahren des ersten Rechtszuges, erforderlichenfalls durch eine in den Abs 2 bis 4 näher geregelte, beschwerdefähige Vorhabentscheidung abschließend und für alle Instanzen und Gerichtszweige verbindlich geklärt wird. Nach § 17a Abs 5 GVG in der geänderten Fassung prüft demnach das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht mehr, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Diese Vorschrift ist aber im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil § 17a Abs 5 GVG nach der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Bundesgerichtshof ≪BGH≫, Urteil vom 28. Februar 1991 – III ZR 49/90 – NVwZ 1991, 606; Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 4. November 1991 – 7 B 53/91 – NJW 1992, 2171; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Januar 1992 – 5 AZR 15/91 – BAGE 69, 204; BSG, Urteil vom 30. März 1993 – 3 RK 1/93 – BSGE 72, 148 = SozR 3-2500 § 15 Nr 1) keine Anwendung auf Streitverfahren findet, in denen der erste Rechtszug bei Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Januar 1991 bereits abgeschlossen war. Allerdings sieht das Gesetz eine derartige Einschränkung nicht ausdrücklich vor. Sie ergibt sich jedoch aus dem Zweck und der Systematik der geänderten Vorschriften. Der Beschränkung der Prüfungskompetenz der Rechtsmittelgerichte liegt die gesetzgeberische Erwägung zugrunde, daß die Rechtswegfrage bereits im erstinstanzlichen Verfahren im Wege der Vorabentscheidung abschließend zu prüfen ist (Begründung zum Regierungsentwurf des 4. VwGOÄndG, BT-Drucks 11/7030, S 36 f). Dies bedeutet, daß die Neuregelung ungeachtet des Fehlens einer entsprechenden Überleitungsvorschrift nur auf solche Verfahren erstreckt werden kann, in denen die Entscheidung im ersten Rechtszug bereits unter der Geltung der am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen Fassung des § 17a GVG ergangen ist. Denn nur in solchen Fällen war die Möglichkeit einer Überprüfung der Rechtswegentscheidung im Beschwerdeverfahren gegeben, und es bestand nicht die Gefahr, einem Prozeßbeteiligten für die Überprüfung der Zulässigkeit des von ihm beschrittenen Rechtsweges ein Rechtsmittel abzuschneiden, das bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung noch gegeben war (BSG, Urteil vom 30. März 1993, aaO). Maßgeblich für den vorliegenden Fall, in dem das erstinstanzliche Urteil am 29. Mai 1990 ergangen ist, ist somit das bisherige Recht, dh der bis zum 31. Dezember 1990 geltende § 52 SGG. Über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist demnach in jeder Lage des Verfahrens, also auch in der Rechtsmittelinstanz, zu befinden.

Bei entsprechender Prüfung ergibt sich für einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Auskunftserteilung über die von dem Beigeladenen vor der Beitragserstattung erworbenen Rentenanwartschaften, daß der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (§ 51 Abs 1 SGG) nicht gegeben ist. Es liegt vielmehr eine Streitigkeit vor, die in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fällt (§ 13 GVG). Bei der Beurteilung der Frage, ob eine öffentlichrechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung anzunehmen ist, ist auf die Art des Klagegegenstandes, also die Rechtsnatur des erhobenen Anspruchs, abzustellen. Ergeben sich Voraussetzungen und Rechtsfolge des Anspruchs aus dem Recht der Sozialversicherung und dienen sie einem ihr eigentümlichen Zweck, so ist der Sozialrechtsweg gegeben (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluß vom 4. Juni 1974 – GmSOGB 2/73 – BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr 2). Demnach ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zB bei einem Auskunftsbegehren zu bejahen, wenn gemäß § 15 SGB I auf Auskunft über Angelegenheiten aus dem Sozialrechtsverhältnis geklagt wird (vgl Meyer-Ladewig, aaO, 5. Aufl 1993, § 51 RdNr 24 mwN). Um einen derartigen, dem Sozialrecht zuzuordnenden Anspruch handelt es sich aber im vorliegenden Falle nicht. Denn die Klägerin begehrt nicht etwa als Versicherte vom Versicherungsträger eine Auskunft aus ihrem Versicherungsverhältnis, sondern will erreichen, daß die Beklagte gegenüber dem AG – Familiengericht – zur Durchführung des Versorgungsausgleichsverfahrens (§§ 1587, 1587a, 1587b BGB) eine Auskunft aus dem Versicherungsverhältnis ihres Ehemannes, des Beigeladenen, erteilt. Eine solche Auskunft stellt einen Unterfall der amtlichen Auskunft einer Behörde dar. Sie hat keinerlei bindende Wirkung für die Entscheidung des Familiengerichts und dient lediglich als Entscheidungshilfe für den Richter im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nach § 12 FGG (BGH, Beschluß vom 23. November 1983 – IVb ZB 6/82 – BGHZ 89, 114). Die Auskunft im Rahmen des Versorgungsausgleichsverfahrens ist damit ein Beweismittel, das die Zeugenvernehmung eines in Frage kommenden Sachbearbeiters über die Grundlagen einer Versorgungsanwartschaft ersetzen soll und zudem eine rechtsgutachtliche Äußerung über die Berechnung der ehezeitlich erworbenen Rentenanwartschaften enthält (Münchener Komm-BGB-Sander, 3. Aufl 1993, § 1587a RdNr 254). Letztlich entscheidend ist aber, daß die Verpflichtung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung zur Auskunftserteilung gegenüber dem AG nicht im Sozialversicherungsrecht normiert ist, sondern sich als verfahrensrechtlicher Bestandteil des Versorgungsausgleichsverfahrens in den Vorschriften der §§ 53b Abs 2 Satz 3 FGG und 11 Abs 2 Satz 2 VAHRG findet, die der ordentlichen (dort: freiwilligen) Gerichtsbarkeit zuzuordnen sind.

Somit war auf die Revision der Beklagten hinsichtlich des Auskunftsbegehrens das Urteil des LSG ebenfalls aufzuheben, das Urteil des SG abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI946332

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