Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 15.06.1988)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 1988 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) in der Zeit vom 1. bis 10. Juni 1985 wegen der Zahlung einer Abfindung ruht.

Der Kläger meldete sich zum 1. Juni 1985 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Er war seit 1. April 1959 als kaufmännischer Angestellter bei der Firma P. W. P. W. GmbH & Co. KG in E. beschäftigt über das Vermögen dieser Firma ist am 31. Oktober 1983 das Konkursverfahren eröffnet worden. Auf Veranlassung des Gläubigerpools wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 28. Oktober 1983 die Firma P. -W. P. GmbH (P. GmbH) errichtet. Die Eintragung dieser Gesellschaft in das Handelsregister erfolgte am 31. Oktober 1983. Mit Zustimmung des Konkursverwalters übernahm sie das Betriebsvermögen der Gemeinschuldnerin und auch die immateriellen Geschäftswerte. Entsprechend begann die P. GmbH am 1. November 1983 im selben Firmengebäude und mit den Maschinen der Gemeinschuldnerin ihre Tätigkeit. Das bisherige Produktionsprogramm der Gemeinschuldnerin wurde unverändert unter dem handelsrechtlich geschützten Markenzeichen „P.” fortgeführt. Die Gemeinschuldnerin wurde vom Gläubigerpool durch Kaufvertrag vom 2. Februar 1984 an die P. GmbH verkauft.

Wegen ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeiten hatte die Gemeinschuldnerin das Arbeitsverhältnis des Klägers am 28. Oktober 1983 zum 30. Juni 1984 gekündigt. Am 14. November 1983 vereinbarten der Kläger und der Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin die Aufhebung des zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin bestehenden Arbeitsverhältnisses mit Wirkung vom 1. November 1983. Am gleichen Tage schloß die P. GmbH mit dem Kläger einen Arbeitsvertrag. Danach wurde der Kläger mit Wirkung vom 1. November 1983 als kaufmännischer Angestellter eingestellt. Nach Ziffer 4 des Arbeitsvertrages betrug für Angestellte die beiderseitige Kündigungsfrist einen Monat zum Schluß eines Kalendermonats. Die P. GmbH kündigte das Arbeitsverhältnis am 18. April 1985 aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Mai 1985. Aufgrund einer Betriebsvereinbarung erhielt der Kläger eine Abfindung in Höhe von 2.584,69 DM, dem 1,25-fachen eines Nettogehalts.

Mit Bescheid vom 4. Juni 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 1985 entschied die Beklagte, der Alg-Anspruch des Klägers ruhe bis zum 10. Juni 1985. Sein Arbeitsverhältnis sei ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden. Er habe außerdem wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung erhalten. Die ordentliche Kündigungsfrist sei von der neuen Arbeitgeberin nicht eingehalten worden, weil diese Frist wegen der über zwölfjährigen Beschäftigungsdauer des Klägers bei der Gemeinschuldnerin sechs Monate zum Schluß eines Kalendervierteljahres betragen habe. Die Kündigung hätte dem Kläger somit erst zum 31. Dezember 1985 ausgesprochen werden können. Es liege nämlich ein Betriebsübergang iS von § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor.

Durch Urteil vom 26. Juni 1986 hat das Sozialgericht (SG) die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von Alg ab 1. Juni 1985 verurteilt. Es hat die Berufung zugelassen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage mit Urteil vom 15. Juni 1988 abgewiesen. Der Kläger habe für die Zeit vom 1. bis 10. Juni 1985 keinen Anspruch auf Alg, weil dieser gemäß § 117 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ruhe. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei am 31. Mai 1985 beendet worden. Wegen der Beendigung habe der Kläger eine Abfindung von 2.584,69 DM erhalten. Zwischen der Abfindung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehe auch ein ursächlicher Zusammenhang. Wie sich aus der Betriebsvereinbarung vom 12. April 1985 ergebe, sollte die Abfindung zum Ausgleich der sozialen Nachteile dienen, die dem Arbeitnehmer durch die beabsichtigte Entlassung entstehen würden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei auch ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden. Zwar habe die letzte Arbeitgeberin die nach dem Arbeitsvertrag vom 14. November 1983 in Ziff 4 vereinbarte Kündigungsfrist von einem Monat zum Schluß eines Kalendermonats eingehalten. Jedoch handele es sich bei dieser Kündigung nicht um eine ordentliche iS von § 117 Abs. 2 AFG. Der Kläger sei bei der Gemeinschuldnerin mehr als zwölf Jahre als kaufmännischer Angestellter beschäftigt gewesen. Das habe zur Folge, daß die Kündigung vom 18. April 1985 erst zum 31. Dezember 1985 hätte wirksam werden können. Diese Kündigungsfrist müsse sich die letzte Arbeitgeberin gemäß § 613a Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Sie habe den Betrieb der Gemeinschuldnerin am 1. November 1983 übernommen und die wirtschaftliche und organisatorische Einheit der alten Firma genutzt und fortgeführt. Damit habe am 1. November 1983 ein Betriebsübergang iS von § 613a Abs. 1 BGB stattgefunden. Die neue Arbeitgeberin sei daher in das am 1. November 1983 noch bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers eingetreten. Demgemäß sei für sie die verlängerte Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsschluß maßgebend. Diese Kündigungsfrist habe gemäß § 2 Abs. 2 Angestelltenkündigungsschutzgesetz durch die Vereinbarung einer kürzeren Kündigungsfrist in dem neuen Arbeitsvertrag nicht zugunsten des Arbeitgebers abbedungen werden können. Der Auffassung des SG, die Rechtsfolge des § 117 Abs. 2 AFG trete nicht ein, wenn die Arbeitsvertragsparteien vom wirksamen Bestehen einer kürzeren Kündigungsfrist ausgegangen seien und deshalb bei deren Einhaltung nach ihrer Vorstellung die Abfindung keinen Lohnanteil enthalte, sei nicht zu folgen.

Die Beklagte habe auch den Ruhenszeitraum richtig berechnet. Aufgrund des Lebensalters des Klägers sowie der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit seien bei der Ermittlung des Ruhenszeitraums 40 vH der Abfindung, mithin 1.033,88 DM, zu berücksichtigen. Während der letzten Beschäftigungszeit habe der Kläger ein Arbeitsentgelt in Höhe von 96,57 DM kalendertäglich erzielt (Arbeitsentgelt 2.897,– DM geteilt durch 30 Kalendertage). Der zu berücksichtigende Anteil der Abfindung in Höhe von 1.033,88 DM sei durch diese Summe zu teilen. Hieraus folge, daß der Anspruch auf Alg nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für zehn volle Kalendertage ruhe.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 117 Abs. 2 AFG iVm § 613a BGB. Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß ein Betriebsübergang iS von § 613a BGB stattgefunden habe. Im Tatbestand seines Urteils gehe es selbst davon aus, daß der Kläger nur bis zum 30. Oktober 1983 bei der letzten Arbeitgeberin in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Im Tatbestand werde weiter festgestellt, daß der Kläger mit Wirkung vom 1. November 1983 bei der P. GmbH eingestellt worden sei. Bei einem solchen Sachverhalt finde § 613a BGB keine Anwendung. Im übrigen könne der einzelne Arbeitnehmer auf den gesetzlichen Schutzzweck immer dann verzichten, wenn dieser Schutzzweck dies zulasse. Dies sei bei der Hinnahme einer Kündigung der Fall, wenn diese dazu diene, ein neues Arbeitsverhältnis mit dem etwaigen Betriebsübernehmer einzugehen. Darüber hinaus seien alle Beteiligten – Arbeitgeber, Betriebsrat, Arbeitnehmer, Arbeitgeberverband und Gewerkschaft – im vorliegenden Fall übereinstimmend davon ausgegangen, daß die Arbeitsverhältnisse bei der P. GmbH nicht unter die Regelung des § 613a BGB fielen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 26. Juni 1986 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

sie als unbegründet zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Revision entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 164 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Revisionsführer sei nicht auf die Gedankenführung der Vorinstanz eingegangen und habe nicht aufgezeigt, worin die Fehlerhaftigkeit dieser Gedankenführung gesehen werde. Wenn man die Revision gleichwohl für zulässig erachten wolle, dann müsse sie als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist zulässig. Sie ist fristgerecht eingelegt und begründet worden. Ihre Begründung genügt entgegen der Auffassung der Beklagten den gesetzlichen Anforderungen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) muß die Revisionsbegründung erkennen lassen, daß der Prozeßbevollmächtigte des Rechtsmittelklägers das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel der Revision sorgfältig überprüft hat. Hierzu bedarf es nach dem Sinn und Zweck des § 164 Abs. 2 SGG der Darlegung, aus welchen Gründen und mit welchen Erwägungen die Vorentscheidung angegriffen wird (BSG SozR 1500 § 164 Nrn 5, 12 und 20). Hier hat der Kläger hinreichend aufgezeigt, worin er eine Fehlerhaftigkeit der zu dem angegriffenen Ergebnis hinführenden Gedankenlage des LSG erblickt. Er hat nämlich dargelegt, daß der Arbeitnehmer auf den Schutzzweck des § 613a BGB verzichten kann, wenn der damit verfolgte Zweck dies rechtfertigt. Das sei bei einer Hinnahme der Kündigung der Fall, wenn damit der Zweck verfolgt werde, ein neues Arbeitsverhältnis mit dem etwaigen Betriebsübernehmer einzugehen. Zu dieser Rechtsmeinung hat das LSG nicht Stellung genommen. Es genügt daher, wenn der Kläger aufzeigt, daß er in diesen Gründen die Fehlerhaftigkeit der zu den angegriffenen Ergebnissen führenden Gedankengänge des LSG erblickt (BSG SozR 1500 § 164 Nr. 20).

Die Revision ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht in den angegriffenen Bescheiden dem Kläger das Alg erst ab 11. Juni 1985 gewährt und den Anspruch für die Zeit ab 1. Juni 1985 abgelehnt. Aus den Feststellungen des LSG folgt, daß der Kläger aufgrund seiner Antragstellung zum 1. Juni 1985 dem Grunde nach einen Anspruch auf Alg hatte. Dieser Anspruch war jedoch gemäß § 117 Abs. 2 und 3 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz – AFKG – vom 22. Dezember 1981 – BGBl I 1497 –) mit der Rechtsfolge des Ruhens bis zum 10. Juni 1985 belastet. Dies hat zur Folge, daß der Kläger insoweit keinen Anspruch auf Alg hat.

Nach § 117 Abs. 2 Satz 1 AFG ruht der Anspruch auf Alg vom Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem es bei Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden wäre, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ua eine Abfindung erhalten hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist. Nach § 117 Abs. 2 Satz 2 AFG beginnt diese Frist mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die letztere Alternative scheidet hier aus. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat der bisherige Arbeitgeber – die P. GmbH – dem Kläger am 18. April 1984 gekündigt. Diese Kündigung ist der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen. Hiernach ist davon auszugehen, daß die Frist des § 117 Abs. 2 Satz 2 AFG mit dieser Kündigung beginnt und mit dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers endet. Gründe für eine berechtigte Kündigung aus wichtigem Grund liegen hier nicht vor, so daß eine entsprechende Begrenzung des Ruhenszeitraums iS von § 117 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AFG ausscheidet. Die von der P. GmbH vorgenommene Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolgte jedoch ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers iS von § 117 Abs. 2 Satz 1 AFG.

Wie das LSG zutreffend erkannt hat, beträgt die ordentliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers des Klägers – der P. GmbH – sechs Monate für den Schluß eines Kalendervierteljahres. Dies folgt aus § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Gesetzes über die Fristen für die Kündigung von Angestellten idF vom 9. Juli 1926 – AnKSchG – (RGBl I 399). Hiernach darf ein Arbeitgeber, der in der Regel mehr als zwei Angestellte, ausschließlich der Lehrlinge, beschäftigt, einem Angestellten, den er oder, im Falle einer Rechtsnachfolge, er und seine Rechtsvorgänger mindestens fünf Jahre beschäftigt haben, nur mit mindestens drei Monaten Frist für den Schluß eines Kalendervierteljahres kündigen. Die Kündigungsfrist erhöht sich auf höchstens sechs Monate bei einer Beschäftigungsdauer von zwölf Jahren. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Dienstjahre, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegen, nicht berücksichtigt. Daß der frühere Arbeitgeber des Klägers, die Gemeinschuldnerin, in der Regel mehr als zwei Angestellte beschäftigt hat, ist nicht zweifelhaft. Der im Oktober 1942 geborene Kläger hatte im Oktober 1967 sein 25. Lebensjahr vollendet und mithin eine anrechenbare Beschäftigungsdauer von zwölf Jahren im Oktober 1979 erreicht. Dem Kläger konnte daher von seinem früheren Arbeitgeber oder, im Falle einer Rechtsnachfolge, von der P. GmbH nur mit mindestens sechs Monaten Frist für den Schluß eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Eine solche Rechtsnachfolge liegt hier, wie das LSG zutreffend erkannt hat, vor.

Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der Erwerber eines Betriebes oder Betriebsteils in die Rechte und Pflichten des bisherigen Arbeitgebers ein, wenn der Übergang durch Rechtsgeschäft erfolgt ist. Das war hier der Fall. Die P. GmbH hat durch Kaufvertrag von der Gemeinschuldnerin einen Betrieb iS des § 613a Abs. 1 BGB übernommen. Damit ist auch eine wirksame Abänderung des im Zeitpunkt der Übernahme bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht erfolgt. Vielmehr ist die P. GmbH in die Rechte und Pflichten aus diesem Arbeitsverhältnis eingetreten.

Der Übergang des Betriebes der Gemeinschuldnerin auf die P. GmbH hat nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG am 1. November 1983 stattgefunden. Hierfür ist nicht der Abschluß des Kaufvertrages, der erst am 2. Februar 1984 erfolgte, maßgebend, sondern die Übernahme der tatsächlichen Leitungsmacht, aufgrund derer über den Einsatz der Produktionsmittel entschieden werden kann (BAG NZA 1988, 198, 199; BSG Urteil vom 14. März 1989 – 10 RAr 6/87 –). Wie das LSG unangefochten festgestellt hat, hat der Konkursverwalter die wesentlichen sächlichen und immateriellen Betriebsmittel der Gesamtschuldnerin am 1. November 1983 auf die P. GmbH übertragen. Diese hat von da ab mit den übertragenen Betriebsmitteln die Produktion fortgesetzt und damit die tatsächliche Leitungsmacht übernommen. Von diesem Betriebsübergang wurde auch das Arbeitsverhältnis des Klägers erfaßt. Seiner Auffassung, dem stehe entgegen, daß das LSG im Tatbestand seines Urteils – wie das SG – zunächst ausgeführt hat, der Kläger sei (nur) bis zum 30. Oktober 1983 beschäftigt gewesen, vermag der Senat nicht zu folgen. Insoweit handelt es sich um keine bindende tatsächliche Feststellung iS von § 163 SGG. Dafür spricht schon, daß das LSG an anderer Stelle des Tatbestandes (S 3 des Urteils) ausführt, daß die Gemeinschuldnerin das Arbeitsverhältnis am 28. Oktober 1983 fristgemäß zum 30. Juni 1984 gekündigt habe. Dieser Widerspruch klärt sich jedoch durch die Feststellung des LSG in den Gründen seines Urteils (S 20), die Firma P. GmbH sei „in das am 1. November 1983 noch bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers” eingetreten, auf. Daran ist der Senat gebunden, weil der Kläger in Bezug hierauf Rügen nicht erhoben hat (§ 163 SGG).

Der Wirksamkeit des Übergangs steht nicht entgegen, daß die Übertragung nicht von dem Gemeinschuldner getroffen wurde, sondern von dem Konkursverwalter. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist § 613a BGB auch dann anzuwenden, wenn über das Vermögen des bisherigen Arbeitgebers das Konkursverfahren eröffnet worden ist (BAGE 43, 13, 16 ff = AP Nr. 34 zu § 613a BGB; BAGE 47, 206, 213 f = AP Nr. 38 zu § 613a BGB; BAG EZA BGB § 613a Nr. 83). Dem hat sich der 10. Senat des BSG angeschlossen (SozR 7610 § 613a Nr. 5). Auch der erkennende Senat teilt diese Rechtsauffassung.

Von der Rechtsfolge des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB werden, wie bereits das BAG zutreffend entschieden hat (BAG AP Nr. 11 zu § 613a BGB), auch solche Arbeitsverhältnisse erfaßt, die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs gekündigt waren, bei denen aber, wie das bei dem Kläger zutrifft, die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen war. Der Arbeitgeberwechsel ist deshalb sinnvoll, weil dem neuen Arbeitgeber, der für Lohnrückstände gemäß § 613a Abs. 2 BGB haftet, die Haftungsgrundlage übertragen wurde. Außerdem wäre ein Recht des Arbeitnehmers auf Beschäftigung kaum durchsetzbar, wenn ein noch bestehendes Arbeitsverhältnis wegen der Kündigung vom Arbeitgeberwechsel ausgenommen würde. Hier hat sich allerdings die von der Gemeinschuldnerin zum 30. Juni 1984 ausgesprochene Kündigung nicht ausgewirkt, weil sie von der P. GmbH nicht vollzogen wurde, so daß das bisherige Arbeitsverhältnis, in das die P. GmbH kraft Rechtsnachfolge eingetreten war, weiter bestand.

Der Rechtsnachfolge steht auch nicht entgegen, daß mit dem Aufhebungsvertrag vom 14. November 1983 der Kläger mit dem Konkursverwalter vereinbart hatte, daß das Arbeitsverhältnis mit der Gemeinschuldnerin mit Wirkung vom 1. November 1983 aufgehoben wurde und der Kläger am gleichen Tage mit der P. GmbH ein neues Arbeitsverhältnis vereinbarte, wonach ua die Kündigungsfrist einen Monat zum Schluß eines Kalendermonats betrug. Ob der Konkursverwalter zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch befugt war, für die Gemeinschuldnerin einen solchen Vertrag abzuschließen, kann dahingestellt bleiben. Der Aufhebungsvertrag war nämlich ebenso wie der mit der P. GmbH geschlossene Vertrag gem § 134 BGB nichtig, soweit durch sie eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen des Klägers herbeigeführt werden sollte.

Beide Verträge verstoßen gegen das gesetzliche Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB, wonach der Übergang eines Betriebes oder eines Betriebsteils für den bisherigen Arbeitgeber oder den neuen Inhaber kein Grund zur Kündigung sein darf. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, durch ein Kündigungsverbot den Übergang der Arbeitsverhältnisse bei Betriebsübergang zu gewährleisten und Umgehungsgeschäfte, welche dieses Regelungsziel vereiteln könnten, zu verhindern (BAGE 48, 40, 49; BAG NZA 1986, 523 = AP Nr. 47 zu § 613a BGB; BAG NZA 1988, 198, 199). Verboten sind danach Aufhebungsverträge aus Anlaß des Betriebsübergangs, wenn sie vom Betriebsveräußerer oder Betriebserwerber veranlaßt werden, um dem bestehenden Kündigungsverbot auszuweichen (BAG AP Nr. 31 zu § 613a BGB; BAG NZA 1988, 198, 199 = EZA § 613a BGB Nr. 67); denn § 613a BGB ist zum Schutz der betroffenen Arbeitnehmer zwingendes Recht (BAG NJW 1977, 1168) und kann nicht durch Vertrag zwischen Gemeinschuldner und Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitnehmers abbedungen werden (Wolff in Becker/Etzel/Friedrich ua, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, 3. Aufl 1989, § 613a BGB RdNr. 5). Ebensowenig wie die Unabdingbarkeit des § 613a BGB vom Veräußerer und Erwerber durch Kündigung und Wiedereinstellung umgangen werden kann, da sonst der Schutzzweck dieser Vorschrift unterlaufen würde (BAG EZA § 613a BGB Nr. 33; Wolff aaO RdNr. 6), ist auch der Abschluß von Aufhebungsverträgen und die unmittelbar darauf folgende Einstellung durch den Betriebserwerber eine unzulässige Umgehung, wenn durch diese Rechtsgeschäfte eine Verschlechterung der bisherigen Arbeitsbedingungen für den Arbeitnehmer bewirkt wird (BAG NZA 1988, 198, 199 = EZA § 613a BGB Nr. 67; LAG Düsseldorf NZA 1986, 399; ebenso BSG Urteil vom 14. März 1989 – 10 RAr 6/87 –). Das ist hier schon deshalb der Fall, weil die Verträge vom 14. November 1983 dazu geführt hätten, daß die Kündigungsfrist zum Nachteil des Klägers verkürzt worden wäre. Daraus folgt, daß diese Rechtsgeschäfte gem § 134 BGB insoweit unwirksam sind.

Unerheblich ist die Behauptung des Klägers, er sei wie die übrigen Beteiligten davon ausgegangen, daß die Bestimmungen des § 613a BGB hier nicht anzuwenden sind. Der Kläger übersieht, daß § 117 Abs. 2 AFG alle Fälle der vorzeitigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mit Ruhenswirkung erfaßt. Das Gesetz enthält damit die unwiderlegbare Vermutung, daß Abfindungen, Entschädigungen und ähnliche Leistungen, die wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt werden, in einem bestimmten, durch § 117 Abs. 3 AFG pauschalierten Umfang Arbeitsentgelt enthalten (BSGE 50, 121, 125 = SozR 4100 § 117 Nr. 3). Zur Auslegung des § 117 Abs. 2 AFG ist ferner der Grundsatz aus Abs. 1 heranzuziehen, wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 46, 20, 29 = SozR 4100 § 117 Nr. 2). Der Senat hat mit zahlreichen weiteren Nachweisen ausgeführt, daß § 117 Abs. 1 AFG den Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Alg verhindern soll und daß dieses Ziel ohne die Regelung des Abs. 2 umgangen werden könnte. In der vereinfachten und typisierten Aussage des § 117 Abs. 2 AFG wird dieser Doppelbezug (bis zu den Grenzen des Abs. 3) vermutet, solange das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wird. Das setzt begrifflich voraus, daß der Arbeitnehmer eigentlich Anspruch auf die Einhaltung einer längeren Kündigungsfrist gehabt hätte, als sie der Arbeitgeber eingehalten hat, und er – der Arbeitnehmer – die Verkürzung wie auch immer durch sein Verhalten ermöglicht und hingenommen hat (BSGE 50, 121, 125 = SozR 4100 § 117 Nr. 3). Dabei kann es aber nur auf die objektive Rechtslage ankommen und nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitnehmers. Diesen würde bereits die begriffliche Voraussetzung der Vermutung des Doppelbezuges entgegenstehen. Darüber hinaus geht die Regelung des § 117 Abs. 2 von den Kündigungsmöglichkeiten der einzelnen Arbeitsverhältnisse aus, wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 50, 121, 127 = SozR 4100 § 117 Nr. 3). Hierfür sind die einschlägigen tariflichen und gesetzlichen Regelungen maßgebend. Nach § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AnKSchG hatte der Kläger Anspruch auf die Einhaltung einer Kündigungsfrist bis zum 31. Dezember 1985. Wenn er es dennoch hingenommen hat, daß ihm bereits zum 31. Mai 1985 gekündigt wurde, hat dies zur Folge, daß die unwiderlegliche Vermutung des § 117 Abs. 2 AFG gilt.

Zu Recht hat das Berufungsgericht auch den ursächlichen Zusammenhang zwischen der erhaltenen Abfindung und der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bejaht. Nach den unwidersprochenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte der Kläger den Betrag von 2.584,69 DM nicht erhalten, wenn er die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 1985 nicht hingenommen hätte. Daß der Arbeitgeber und der Betriebsrat die Abfindung in einer Betriebsvereinbarung geregelt hatten, steht der unwiderleglichen Vermutung, daß Abfindungen bei vorzeitiger Beendigung von Arbeitsverhältnissen eine Lohnausfallentschädigung enthalten, nicht entgegen (BSG SozR 4100 § 117 Nr. 5).

Das LSG hat aufgrund seiner tatsächlichen Feststellungen auch zutreffend erkannt, daß der Anspruch des Klägers auf Alg nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für zehn Kalendertage ruhte.

Hiernach sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Das LSG hat somit zu Recht der Berufung der Beklagten stattgegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI921564

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