Beteiligte

…, Klägerin und Revisionsbeklagte

AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen, Regionaldirektion Frankfurt am Main, Frankfurt, Battonnstraße 40-42, Beklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse der Klägerin 635,00 DM zu zahlen hat.

Die nicht berufstätige Klägerin ist über ihren Ehemann bei der Beklagten familienversichert. Sie hat zwei Kinder: Florian, geboren am 2. Februar 1987, und Melanie, geboren am 22. April 1990. Vom 26. August bis 2. September 1991 befand sich der Sohn Florian in stationärer Behandlung. Seine Mutter wurde in das Krankenhaus mitaufgenommen. Zur Betreuung der Tochter Melanie nahm der Ehemann unbezahlten Urlaub, um anstelle der Klägerin den Haushalt fortzuführen. Seinen Antrag auf Erstattung des ihm entgangenen Nettoarbeitsentgelts in Höhe von 635,00 DM lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 5. November 1991 und Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1993).

Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem damaligen Kläger (dem Ehemann der jetzigen Klägerin) die Kosten für eine Haushaltshilfe in der Zeit vom 26. August bis 2. September 1991 zu erstatten. Während des Berufungsverfahrens ist der bisherige Kläger aus dem Prozeß ausgeschieden, und seine Ehefrau hat die Fortführung des Rechtsstreits übernommen. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. In den Entscheidungsgründen des Landessozialgerichts (LSG) wird ua ausgeführt: Der Klägerin stehe wegen ihrer medizinisch notwendigen Mitaufnahme im Krankenhaus Eichenhof für die Zeit vom 26. August bis 2. September 1991 zur Betreuung der im Haushalt weiter zu versorgenden Tochter Melanie ein Anspruch auf Haushaltshilfe nach § 38 Abs 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) zu. Im Rahmen dieses Anspruchs sei der Verdienstausfall des Ehemanns der Klägerin zu erstatten.

Die Leistung sei nicht auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die haushaltführende Person selbst der Krankenhausbehandlung bedürfe. Das ergebe sich insbesondere aus dem Zweck der gesetzlichen Regelung. Daß eine im Haushalt lebende Person die Haushaltsführung übernommen habe, schließe den Anspruch ebenfalls nicht aus. Der Ehemann der Klägerin sei an sich durch seine Berufstätigkeit an der Haushaltsführung gehindert gewesen. Deshalb hätte die Beklagte die Klägerin nicht zumutbar auf die Möglichkeit der Weiterführung des Haushalts durch ihren Ehemann verweisen können. Ihm sei die Übernahme dieser Aufgabe nur möglich geworden, weil er unbezahlten Urlaub genommen habe. Auch die Höhe der beantragten Haushaltshilfe entspreche dem Gesetz. Nach § 38 Abs 4 SGB V seien den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe in angemessener Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse keine Haushaltshilfe stelle oder wenn - wie hier - ein Grund bestehe, davon abzusehen. Mit der Klage werde lediglich die Zahlung des entgangenen Nettoarbeitsentgelts begehrt. Der verlangte Betrag von 635,00 DM sei damit angemessen iS von § 38 Abs 4 SGB V.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 38 SGB V und macht geltend: Ein Anspruch auf Haushaltshilfe komme nur in Betracht, wenn die in ein Krankenhaus aufgenommene Person selbst stationär behandelt werden müsse. Dies folge aus § 39 SGB V, da auch § 38 SGB V den Begriff "Krankenhausbehandlung" verwende. Sei aber die Mitaufnahme einer Person keine selbständige Leistung der Krankenversicherung, sondern eine Nebenleistung, so sei die Mitaufnahme weder eine Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V noch nach § 38 SGB V. Folglich könne diese Nebenleistung, da sie von § 38 SGB V nicht erfaßt werde, auch keinen Anspruch auf Haushaltshilfe begründen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. März 1995 und das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 10. November 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II

Die Revision ist unbegründet.

Daß der Ehemann der Klägerin bei der Beklagten die Erstattung des ihm während der Weiterführung des Haushalts entgangenen Nettoarbeitsentgelts beantragt hat und ihm gegenüber der Ablehnungs- und der Widerspruchsbescheid ergangen sind, steht der Zulässigkeit der Klage nach dem im Berufungsverfahren erfolgten Parteiwechsel (Fortführung der Klage durch die Ehefrau des bisherigen Klägers) nicht entgegen. Zwar liegt darin eine Klageänderung (§ 99 Abs 1 SGG). Ein Parteiwechsel wird aber selbst noch in der Berufungsinstanz aus prozeßökonomischen Gründen für zulässig angesehen (BSGE 8, 113, 115). Da auch die Beklagte in diese Klageänderung eingewilligt hat, ergeben sich aus § 99 SGG keine Bedenken. Die Klägerin muß sich das gegenüber ihrem Ehemann durchgeführte Verwaltungsverfahren zurechnen lassen.

Die Klage ist auch - wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben - begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung des ihrem Ehemann während der Weiterführung des Haushalts entgangenen Nettoarbeitsentgelts.

Der geltend gemachte Zahlungsanspruch läßt sich jedoch nicht unmittelbar aus § 38 SGB V herleiten. Zwar konnte die Klägerin den Haushalt in der Zeit vom 26. August bis 2. September 1991 nicht weiterführen. Sie war daran aber nicht "wegen Krankenhausbehandlung" gehindert. Die genannte Vorschrift verlangt nämlich, daß der Versicherte selbst im Krankenhaus behandelt wird. Diese Voraussetzung ist bei der aus medizinischen Gründen notwendigen Mitaufnahme des Versicherten als Begleitperson eines ebenfalls versicherten Dritten (vgl dazu § 11 Abs 3 SGB V; s auch BSGE 50, 72f = SozR 2200 § 184 Nr 16 S 28 f) nicht erfüllt. Obwohl § 38 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht näher bestimmt, um wessen Krankenhausbehandlung es geht, läßt der Gesetzeswortlaut keine vernünftigen Zweifel daran zu, daß nur die Krankenhausbehandlung des Versicherten gemeint sein kann. Denn die Krankenkasse braucht grundsätzlich nur für die Krankheit des Versicherten aufzukommen; eine solche liegt bei einer Mitaufnahme zur Behandlung eines Dritten nicht vor. Auch in anderen Gesetzesvorschriften (vgl zB den früheren § 185b Reichsversicherungsordnung [RVO] und § 46 SGB V) ist Anspruchsvoraussetzung eine Krankenhausbehandlung oder das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit, ohne daß das Gesetz ausdrücklich sagt, um wessen Krankenhausbehandlung oder Arbeitsunfähigkeit es sich handeln muß. Das Tatbestandsmerkmal bezieht sich in solchen Vorschriften nach ihrem Sinn stets auf den Versicherten oder Mitversicherten.

Selbst wenn die Einbeziehung der Krankenhausbehandlung eines Dritten - hier: des Kindes der Klägerin - sinnvoll erschiene, sieht sich der Senat an einer solchen extensiven Auslegung gehindert. Ein Gegenschluß aus der ausdrücklichen Erwähnung des "Behandelten" (Verletzten) in Parallelvorschriften (beispielsweise § 569a Nr 4 RVO) scheidet wegen der im übrigen sehr präzisen Fassung des § 38 Abs 1 Satz 1 SGB V aus; wenn der Gesetzgeber diesen Fall hätte mitregeln wollen, hätte er einen anderen Wortlaut gewählt. Hierfür sprechen auch die Gesetzesmaterialien (s dazu BT-Drucks 11/2237, S 177 zu § 37 und BT-Drucks 7/371 zu § 1 Nr 2 des Entwurfs des Leistungsverbesserungsgesetzes, durch das die Vorschrift über die Haushaltshilfe erstmalig in die RVO eingefügt wurde). Sie enthalten keinerlei Hinweis darauf, daß auch in Fällen der Mitaufnahme des bisher haushaltführenden Versicherten ein Anspruch auf Haushaltshilfe bestehen soll.

Gleichwohl hat die Krankenkasse auch in den Fällen der Mitaufnahme - beim Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistung - Haushaltshilfe zu gewähren. Denn es liegt eine Gesetzeslücke vor, die durch eine entsprechende Anwendung des § 38 SGB V auf die Fälle der medizinisch notwendigen Mitaufnahme des Versicherten auszufüllen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist der Richter zur Ausfüllung einer Gesetzeslücke dort berufen, wo das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, daß sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlaß des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat (so BSGE 39, 143, 146 = SozR 2200 § 1251 Nr 11 S 34; vgl auch BSGE 58, 110, 114f = SozR 5755 Art 2 § 1 Nr 6 S 21; BSGE 60, 176, 178 = SozR 2600 § 57 Nr 3 S 6). Die analoge Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfaßte Sachverhalte ist dann geboten, wenn auch der nicht geregelte Fall nach der Regelungsabsicht des Gesetzgebers wegen der Gleichheit der zugrundeliegenden Interessenlage hätte einbezogen werden müssen. Denn dieses Gebot beruht letztlich auf der Forderung normativer Gerechtigkeit, Gleichartiges gleich zu behandeln (BSGE 60, 176, 178 = SozR 2600 § 57 Nr 3 S 6; zur Lückenfüllung im Wege der Analogie siehe ferner BSGE 21, 95, 97 = SozR Nr 4 zu § 73 G 131).

Das Schweigen des Gesetzes zur medizinisch notwendigen Mitaufnahme des Versicherten bei stationärer Behandlung eines Dritten beruht auf einem Versehen. Die Regelung des § 11 Abs 3 SGB V für den Umfang der Leistungen bei einer aus medizinischen Gründen notwendigen Mitaufnahme einer Begleitperson ist erst auf Vorschlag des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) in den Gesetzesentwurf aufgenommen worden (vgl BT-Drucks 11/3320, S 10). Mit der Aufnahme dieser Bestimmung sollte klargestellt werden, daß die stationäre Behandlung (zB im Krankenhaus oder in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung) auch die Mitaufnahme einer Begleitperson umfassen kann. Eine Erweiterung des geltenden Rechts war damit nicht beabsichtigt. Offensichtlich hat der Gesetzgeber versäumt, den Fall der Mitaufnahme auch in § 38 SGB V zu regeln. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift muß aber davon ausgegangen werden, daß damit eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt.

Der Zweck der Regelung über die Haushaltshilfe ist darin zu sehen, daß notwendige medizinische Maßnahmen nicht aus häuslichen oder familiären Gründen unterbleiben, möglicherweise mit der Folge, daß der Gesundheitszustand des Versicherten leidet oder sich weiter verschlechtert und später eine intensivere, längere und meistens auch teurere Behandlung notwendig wird (so Mengert in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 38 RdNr 13; vgl ferner Schneider in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1 Krankenversicherungsrecht, § 22 RdNr 332; zur Entstehungsgeschichte der erstmalig durch das Leistungsverbesserungsgesetz vom 12. Dezember 1973 [BGBl I 1925] mit Wirkung vom 1. Januar 1974 in die RVO aufgenommenen Regelung s BSGE 47, 285, 286 f = SozR 2200 § 185b Nr 6 S 20 f). Dieser Gedanke gilt aber sowohl für den Fall, daß sich der haushaltführende Versicherte selbst einer stationären Krankenhausbehandlung unterziehen muß, als auch für den Fall, daß seine Mitaufnahme aus medizinischen Gründen bei der Behandlung eines Dritten notwendig wird, wenn und soweit die Krankenkasse auch für dessen Krankheitsrisiko eintreten muß. Denn auch dann, wenn der Versicherte im Hinblick auf seine häuslichen Pflichten die Mitaufnahme verweigert, kann es dazu kommen, daß die notwendige stationäre Behandlung des ebenfalls versicherten Dritten - hier des Kindes - unterbleibt oder nicht erfolgreich durchgeführt werden kann. Die sich aufgrund der häuslichen Pflichten ergebenden Hindernisse will § 38 SGB V beseitigen und damit dem Versicherten den Entschluß erleichtern, die Weiterführung des Haushalts einem anderen zu überlassen (im Ergebnis wie hier Wagner in GK-SGB V § 38 RdNr 5 unter Hinweis auf SG Hamburg, Urteil vom 8. Februar 1985 - S 22 Kr 220/85 - zu § 185b RVO; aA LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. Mai 1990 - L 5 Kr 15/89 - ebenfalls zu § 185b RVO).

Die Klägerin ist aktiv legitimiert, den Anspruch auf Haushaltshilfe geltend zu machen. Sind - wie hier - das behandelte Kind und die im Krankenhaus mitaufgenommene Person bei der gleichen Versicherung versichert, so bestehen bei der entsprechenden Anwendung des § 38 SGB V auf den Fall der Mitaufnahme keine Bedenken, die mitaufgenommene Person als Anspruchsberechtigte nach § 38 SGB V anzusehen. Ob etwas anderes gilt, wenn verschiedene Versicherungen zuständig sind, läßt der Senat offen. Gegen den Anspruch der Begleitperson in einem solchen Falle könnte sprechen, daß für die Folgen einer Krankheit - auch hinsichtlich eines möglichen Haushaltshilfeanspruchs - die Versicherung aufzukommen hat, die das Versicherungsrisiko der Krankheit des Kindes trägt (vgl BSGE 35, 102, 103 = SozR § 182 RVO Nr 54 zur Zuständigkeit für die Übernahme der Behandlungskosten eines Organspenders). Aber auch der Anspruch des behandelten Kindes ist dann nicht ohne weiteres zu begründen, denn § 11 Abs 3 SGB V regelt nur, daß die aus medizinsichen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson vom Anspruch auf stationäre Behandlung des Versicherten umfaßt wird. Die Vorschrift sagt aber nichts darüber aus, ob in einem solchen Falle dem stationär behandelten Versicherten auch der Anspruch auf die Haushaltshilfe nach § 38 SGB V zusteht. Bei Zuständigkeit nur einer Versicherung liegt es unter diesen Umständen näher, den Anspruch aus der Versicherung des Haushaltsführers abzuleiten.

Auch die weitere in § 38 Abs 1 Satz 2 SGB V in der hier noch anwendbaren Fassung vor Änderung durch Art 1 Nr 11 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vom 20. Dezember 1991 (BGBl I 2325) enthaltene Voraussetzung, daß im Haushalt ein Kind lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das achte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist erfüllt. Neben Florian, dessen Krankenhausbehandlung zur Mitaufnahme der Klägerin geführt hatte, lebt im Haushalt der Klägerin die am 22. April 1990 geborene Melanie. Sie hatte zur Zeit der stationären Behandlung ihres Bruders noch nicht das zweite Lebensjahr vollendet.

Ferner ist der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht durch § 38 Abs 3 SGB V ausgeschlossen. Danach besteht der Anspruch auf Haushaltshilfe nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann. Der Ehemann der Klägerin lebte zwar mit im Haushalt. Er konnte diesen aber iS des Gesetzes nicht weiterführen. § 38 Abs 3 SGB V ist nämlich nicht nur erfüllt, wenn die Weiterführung des Haushalts absolut unmöglich ist, sondern es genügt, wenn die Weiterführung wegen anderer Pflichten, insbesondere Berufspflichten, der mit im Haushalt lebenden Person nicht zugemutet werden darf (vgl dazu Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Kommentar, § 38 SGB V RdNr 5; Schneider, aaO, § 22 RdNr 337).

Daß die Haushaltshilfe nicht vor der Weiterführung des Haushalts durch den Ehemann der Klägerin beantragt worden ist, schließt den Anspruch hier nicht aus. Nach § 38 Abs 4 Satz 1 SGB V sind den Versicherten, wenn die Krankenkasse keine Haushaltshilfe stellen kann oder Grund besteht, davon abzusehen, die Kosten für eine selbst beschaffte Haushaltshilfe in angemessener Höhe zu erstatten. Für Verwandte und Verschwägerte bis zum zweiten Grad werden keine Kosten erstattet; die Krankenkasse kann jedoch die erforderlichen Fahrtkosten und den Verdienstausfall erstatten, wenn die Erstattung in einem angemessenen Verhältnis zu den sonst für eine Ersatzkraft entstehenden Kosten steht (§ 34 Abs 4 Satz 2 SGB X).

Die Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Nach den Tatsachenfestellungen des LSG, an die der Senat gemäß § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebunden ist, stellt die Beklagte keine Haushaltshilfen und sieht regelmäßig von einer Vermittlung an die Träger der freien Wohlfahrtsverbände ab, wenn ein Elternteil die weitere Haushaltsführung übernimmt. Damit kam einerseits eine Sachleistung von vornherein nicht in Betracht, andererseits bestand auch - wie sich aus den Äußerungen des Vertreters der Beklagten in der Berufungsverhandlung ergibt - von vornherein ein Grund, von einer Sachleistung abzusehen. In einem solchen Falle ist es dem Berechtigten nicht zuzumuten, daß er vor Beginn der Weiterführung des Haushalts bei der Beklagten zunächst vergeblich die Gestellung einer Ersatzkraft beantragt. An dieser Annahme ist der Senat nicht durch das Urteil des BSG vom 26. März 1980 (USK 8036) gehindert. Zwar hatte der 3. Senat in der genannten Entscheidung zu der inzwischen aufgehobenen inhaltsgleichen Vorschrift des § 185b RVO für einen Kostenerstattungsanspruch auch im Rahmen der Haushaltshilfe die vorherige Antragstellung verlangt. Durch Urteil des 8. Senats des BSG vom 14. Dezember 1982 (SozR 2200 § 182 Nr 86) wurde die Pflicht zur vorherigen Antragstellung bei Kostenerstattung jedoch generell eingeschränkt. Danach ist der Erstattungsanspruch nicht ausgeschlossen, wenn der Versicherte zwar nicht versucht hat, eine Sachleistung zu erlangen, von vornherein aber festgestanden hat, daß ihm diese Leistung verweigert worden wäre. Dieser Rechtsprechung hat sich der 3. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 24. November 1987 (USK 87136) angeschlossen.

Der Anspruch auf Haushaltshilfe kann aber ebensowenig im Hinblick auf die Regelung der Kostenerstattung durch § 13 SGB V in der hier noch anwendbaren Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) verneint werden. Denn § 38 Abs 4 SGB V stellt - wie der Vergleich der beiden Vorschriften und insbesondsere die in ihnen enthaltenen unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen zeigen - gegenüber § 13 SGB V aF eine lex specialis dar, so daß die Kostenerstattung im Rahmen der Haushaltshilfe sich allein nach § 38 Abs 4 SGB V richtet.

Schließlich sind auch die besonderen Voraussetzungen des § 38 Abs 4 Satz 2 SGB V für die von der Klägerin begehrte Erstattung des ihrem Ehemann durch die Weiterführung des Haushalts entstandenen Verdienstausfalls erfüllt.

Die verlangte Erstattung steht in einem angemessenem Verhältnis zu den sonst für eine Ersatzkraft entstehenden Kosten. Denn nach den unangegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte der zeitliche Aufwand für eine Ersatzkraft etwa den gleichen Betrag ausgemacht wie das dem Ehemann der Klägerin entgangene Nettoarbeitsentgelt. Das bedeutet allerdings nicht, daß die Krankenkasse in jedem Falle den Verdienstausfall erstatten muß.

§ 38 Abs 4 Satz 2 SGB V räumt den Versicherungsträgern einen Ermessensspielraum ("kann") ein (Schneider, aaO, § 22 RdNr 352). Sie können von einer Erstattung ganz absehen oder den Verdienstausfall ganz oder nur teilweise erstatten (Mengert, aaO, § 38 SGB V RdNr 52). Im vorliegenden Fall ist jedoch nur eine Entscheidung richtig, nämlich die Erstattung des von der Klägerin verlangten Betrages. Das Ermessen der Beklagten hat sich - wie das LSG zu Recht angenommen hat - auf Null reduziert (vgl dazu BSGE 9, 232, 239; 34, 85, 88 = SozR § 1504 RVO Nr 7; Heinze in SRH B 8 RdNr 17; Kummer, DAngVers, 1988, 27, 29 mwN). Von dem Prozeßvertreter der Beklagten ist in der Berufungsverhandlung sinngemäß vorgetragen worden, daß die Krankenkasse nach ihrer bisherigen Verwaltungspraxis das Nettoarbeitsentgelt erstattet hätte, wenn sie von ihrer Leistungspflicht dem Grunde nach ausgegangen wäre. Weitere Gründe, die gegen eine Ermessensentscheidung zugunsten der Klägerin sprechen könnten, sind weder ersichtlich, noch hat die Beklagte solche Gründe vorgetragen, so daß die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung des ihrem Ehemann entgangenen Nettoarbeitsentgelts in Höhe von 635,-- DM durch die Vorinstanzen nicht zu beanstanden ist.

Allerdings mußte der Senat den Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung neu fassen. Das SG hat kein Grundurteil (§ 130 SGG), sondern ein Leistungsurteil erlassen. Das ergibt sich aus den insoweit maßgeblichen Entscheidungsgründen (vgl BSGE 4, 121, 123; 14,86, 88 = SozR § 1311 RVO Nr 3). Danach hat das SG die Beklagte zur Erstattung des dem Ehemann der Klägerin entstandenen Verdienstausfalls verurteilt. Denn in den Entscheidungsgründen ist auf S 6 ausdrücklich gesagt, daß "Anspruch auf Erstattung seines Verdienstausfalls" besteht. Der erstinstanzliche Urteilstenor war daher entsprechend zu ändern. Außerdem mußte bei der Neufassung des Tenors auf der Klägerseite der in der Berufungsinstanz erfolgte Parteiwechsel berücksichtigt werden. Die Zahlung des Erstattungsbetrages von 635,00 DM hat nunmehr an die Klägerin und nicht mehr an ihren aus dem Prozeß ausgeschiedenen Ehemann zu erfolgen.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

BSGE, 102

BB 1996, 1842

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