Leitsatz (redaktionell)

1. Hat ein Arbeitgeber im Einvernehmen mit seinem Arbeitnehmer von dem ausgezahlten Lohn keine Beiträge und Steuern abgeführt und wird dieses später entdeckt, so hat der Arbeitgeber außer auf den gezahlten Lohn auch auf Steuern des Arbeitnehmers (Lohn- und Kirchensteuer) Beiträge zu entrichten, soweit er Steuern nachträglich endgültig übernommen hat.

2. Hingegen ist nicht wie bei einer Nettolohnvereinbarung (§ 14 Abs 2 SGB 4) zu verfahren, der Barlohn also nicht um die Beitragsanteile des Arbeitnehmers und die Steuern zu erhöhen und zu einem Bruttolohn "hochzurechnen".

 

Orientierungssatz

Beitragsforderung bei einverständlicher Steuer und Beitragshinterziehung - Nettolohnabrede:

Nur wenn vor oder bei Auszahlung des Lohnes ausdrücklich oder wenigstens durch schlüssiges Verhalten des Arbeitgebers zu erkennen ist, daß er die Steuern und Beitragsanteile seines Beschäftigten übernimmt und damit ihm zusätzlich einen weiteren Vermögensvorteil zuwenden wollte, handelt es sich um eine Nettolohnabrede.

 

Normenkette

SGB IV § 14 Abs. 2 Fassung 1976-12-23

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 04.07.1985; Aktenzeichen L 16 Kr 45/83)

SG Duisburg (Entscheidung vom 31.01.1983; Aktenzeichen S 21 Kr 76/82)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, in welcher Höhe die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (Einzugsstelle) Beiträge fordern kann, nachdem Arbeitgeber und Arbeitnehmer einverständlich Steuern und Beiträge hinterzogen haben.

Die Klägerin betreibt einen Blumenhandel. Sie beschäftigte in der Zeit von Dezember 1970 bis Oktober 1981 die Beigeladene D. als Floristin (Blumenbinderin). Diese erhielt bis März 1976 Zahlungen zwischen 150 DM und 240 DM monatlich, von April 1976 an zwischen 400 DM und 1.588 DM (Ausnahme Februar 1977: 300 DM). Von November 1980 bis Oktober 1981 beschäftigte die Klägerin auch die Beigeladene E. als Gewerbegehilfin, der sie monatlich 600 DM zahlte. Nach Lohnaufzeichnungen erhielten Frau D. von April 1976 bis Oktober 1981 57.847,75 DM (= durchschnittlich im Monat rund 863 DM) und Frau E. von November 1980 bis Oktober 1981 7.200 DM. Beide legten im Einvernehmen mit der Klägerin dieser keine Lohnsteuerkarte vor. Gegenüber dem Finanzamt gab die Klägerin nur Löhne unter der Geringfügigkeitsgrenze an, die sie pauschal versteuerte und deren Erhalt, jedenfalls von Frau D. , monatlich auf Quittungen für pauschalversteuerte Aushilfslöhne bestätigt wurde. Bei der beklagten Einzugsstelle wurden die beiden Beschäftigten nicht gemeldet.

Nach Aufdeckung des Sachverhalts erhob das Finanzamt von der Klägerin eine Nachsteuer und ging dabei von Lohnsteuerklasse VI und einem Steuersatz von 28,2 vH aus.

Die Beklagte forderte mit Bescheid vom 23. November 1981 für die Zeit ab April 1976 von der Klägerin zunächst Gesamtsozialversicherungsbeiträge von 44.076,96DM. Zu deren Berechnung ermittelte sie aus den jeweils gezahlten Löhnen im sog Abtastverfahren ("Hochrechnung") unter Berücksichtigung von Steuern und von Arbeitnehmeranteilen an den Beiträgen Bruttolöhne von insgesamt 126.715,95 DM (D. ) und 10.877,89 DM (E. ). Auf die Bruttolöhne wandte sie die jeweils gültigen Beitragssätze an und gelangte so zu der genannten Beitragssumme (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil).

Die Klägerin erhob durch ihren Steuerberater Widerspruch. Die Hochrechnung sei eine Fiktion und völlig wirklichkeitsfremd. Bei Vorlage von Lohnsteuerkarten wären Arbeitsverhältnisse mit der gezahlten Nettovergütung niemals zustande gekommen. Die Beiträge seien nach den Bruttoentgelten zu bemessen, die das Finanzamt der Nachversteuerung zugrunde gelegt habe. Die Klägerin zahlte auf die Beitragsforderung unter Vorbehalt 25.000 DM. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16. März 1982).

Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat außer den beiden Beschäftigten D. (Beigeladene zu 3) und E. (Beigeladene zu 4) die Bundesanstalt für Arbeit -BA- (Beigeladene zu 1) und die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz (Beigeladene zu 2) zum Rechtsstreit beigeladen. Mit Urteil vom 31. Januar 1983 hat es den Bescheid aufgehoben, "soweit die Beklagte Beiträge nach einem höheren Bruttoentgelt berechnet hatte, als es vom Finanzamt der Nachversteuerung zugrunde gelegt wurde". Diese Auffassung hat das SG im Urteil näher begründet, an dessen Ende es jedoch heißt, die Beklagte werde feststellen müssen, "in welcher Höhe das Finanzamt in den einzelnen Jahren Steuern nacherhoben hat, und diese Steuerbeträge zu den tatsächlich gezahlten Entgelten hinzurechnen müssen, um das beitragspflichtige Bruttoarbeitsentgelt feststellen zu können".

Gegen das Urteil hat nur die Beklagte Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung vom 25. Mai 1983 hat sie an der Art ihrer Beitragsberechnung festgehalten, jedoch für die Beigeladene zu 3) nur noch ein Bruttoarbeitsentgelt von insgesamt 80.033,76 DM (statt bisher 126.715,95 DM) errechnet und die Höhe der gesamten Beitragsforderung auf 30.574,88 DM ermäßigt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) hat die Klägerin erklärt, ihr in erster Instanz gestellter Klageantrag sei dahin zu verstehen, daß sie die Beiträge unter Zugrundelegung der Methode berechnet sehen wollte, die das SG in seinem Urteil am Ende der Entscheidungsgründe beschrieben habe. Hiervon ausgehend sei sie der Auffassung, daß sie im erstinstanzlichen Verfahren voll obsiegt habe. Das LSG hat daraufhin die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 4. Juli 1985 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Bei der Beitragsbemessung für die versicherungs- und beitragspflichtigen Beigeladenen zu 3) und 4) könne nicht von einer Nettolohnvereinbarung (§ 14 Abs 2 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -SGB 4-) ausgegangen werden, die hier nach Ansicht der Beklagten "konkludent" getroffen worden sei. Die Klägerin habe weder ausdrücklich noch stillschweigend die Arbeitnehmeranteile und die Lohnsteuer übernommen. Hierauf lasse auch die Entrichtung einer Pauschalsteuer nicht schließen, weil der Arbeitgeber damit nur eine eigene Schuld erfülle, deren Übernahme kein Teil des Arbeitsentgelts sei (BSGE 41, 16, 21 ff). Die Beitragsabführung sei unstreitig im Einverständnis mit den Beigeladenen zu 3) und 4) unterblieben. Von der nachträglichen Entrichtung von Beiträgen sei die Klägerin zwar nicht entbunden. Für die Beitragsberechnung blieben aber die vereinbarungsgemäß brutto für netto gezahlten Barlöhne maßgebend, denn die Beteiligten seien in der Bestimmung der Entgelthöhe frei gewesen. Die Barbezüge dürften nicht über § 14 Abs 2 SGB 4 zu "Super-Bruttolöhnen" hochgerechnet werden. Sonst gelange man, gemessen an der Art der Beschäftigung, zu unverhältnismäßig hohen Beträgen; die Beigeladene zu 3) hätte dann als Blumenbinderin zeitweise sogar die Beitragsbemessungsgrenze überschritten. Im Ergebnis seien der Beitragsberechnung allein die unter Verletzung der Abführungspflicht gezahlten Löhne zugrunde zu legen. Wenn das SG die Barlöhne rechtsfehlerhaft um die nacherhobenen Steuern erhöht habe, so sei das für die Entscheidung unerheblich, weil die Klägerin keine Berufung eingelegt, sondern erklärt habe, die in den Gründen des erstinstanzlichen Urteils beschriebene Berechnungsmethode entspreche ihrem Klagebegehren. Mehr als das, was das SG der Beklagten, die ihre Beitragsforderung später durch Änderungsbescheid vom 25. Mai 1983 ermäßigt habe, zugebilligt habe, könne sie jedenfalls nicht verlangen.

Gegen das Urteil richten sich - nach Zulassung der Revision durch den erkennenden Senat - die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2).

Die Beklagte führt zur Begründung ihrer Revision im wesentlichen aus: Eine Nettolohnvereinbarung im eigentlichen Sinne liege zwar nicht vor. Den beiden Beschäftigten sei es jedoch darauf angekommen, einen bestimmten Barlohn zu erhalten. Dieser könne nur ein Nettolohn sein, weil die Beschäftigten keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge hätten zahlen wollen. Für eine Nettolohnvereinbarung fehle lediglich die Abrede, daß der Arbeitgeber die Steuern und Beiträge tragen solle. In einem solchen Fall sei § 14 Abs 2 SGB 4 analog anzuwenden. Wenn dabei das Abtastverfahren zu angeblich überhöhten Bruttoentgelten führe, so hätten das die Klägerin sowie die Beigeladenen zu 3) und 4) zu vertreten. Die Auffassung des LSG führe dazu, daß Beitragshinterziehungen legalisiert würden.

Auch die Beigeladene zu 2) räumt ein, daß eine Nettolohnvereinbarung nicht getroffen worden ist. Bei absichtlicher gemeinschaftlicher Beitragshinterziehung werde üblicherweise gerade keine Absprache darüber getroffen, ob der ausgezahlte Betrag Brutto- oder Nettoentgelt sei. Im Zeitpunkt der Auszahlung sei aber der Lohn aus der Sicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer frei von jeglichen Belastungen und daher nettoähnlich gewesen. Auf solche Bezüge müsse § 14 Abs 2 SGB 4 angewandt werden. Dieses führe nicht zu unangemessen hohen Bruttolöhnen ("Super-Bruttolöhnen"), sondern nur zu Löhnen, die auch bei ordnungsgemäßer Entrichtung von Lohnsteuer und Beiträgen vereinbart worden wären. Daß es in Ausnahmefällen zu sehr hohen Bruttolöhnen kommen könne, müsse hingenommen werden. Dabei dürften die negativen Auswirkungen der absichtlichen Beitragshinterziehung in Form der vorliegenden "modifizierten Schwarzarbeit" auf die Sozialversicherung nicht übersehen werden. Die Beigeladene zu 2) weist für ihre Auffassung auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 24. September 1986 - 3 StR 336/86 - hin.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) beantragen,

die Urteile des LSG vom 4. Juli 1985 und des SG vom 31. Januar 1983

aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 23. November 1981 in der

Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 1982 sowie des

Änderungsbescheides vom 25.Mai 1983 abzuweisen.

Die Klägerin sowie die Beigeladenen zu 3) und 4) haben sich im Revisionsverfahren zur Sache nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

Die Beigeladene zu 1) schließt sich dem Antrag der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) an. Sie rügt eine rechtsfehlerhafte Anwendung des § 14 Abs 2 SGB 4 sowie eine Verletzung des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Beklagte sei zu Recht wie bei einer Nettolohnvereinbarung verfahren. Dieses entspreche dem Zweck des § 14 Abs 2 SGB 4, Mißbräuche zum Zwecke der Beitragsersparnis zu verhindern. Auf eine Nettolohnvereinbarung müsse einmal bei den Arbeitnehmeranteilen an den Beiträgen geschlossen werden, die der Arbeitgeber nicht mehr einbehalten könne, sondern selbst tragen müsse; sie gehörten daher zum Arbeitsentgelt. Im Steuerrecht habe sie der Bundesfinanzhof (BFH) als lohnsteuerpflichtig angesehen (Urteil vom 5. April 1974, Der Betrieb -DB- 1974, 2090). Wegen der Besteuerung des Barlohns sei das LSG von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen. Das Finanzamt habe die Lohnsteuer nach § 39 b Einkommensteuergesetz (EStG) iVm Abschnitt 89 der Lohnsteuer-Richtlinien - dh wie bei einer Nettolohnvereinbarung - berechnen müssen. Die Lohnsteuer, die der Arbeitgeber aufgrund eines Haftungsbescheides oder bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung übernehme, sei Arbeitslohn, und zwar des Kalenderjahres, in dem der Verzicht des Arbeitgebers auf den Ausgleichsanspruch gegen den Arbeitnehmer erkennbar werde (Urteile des BFH vom 10. Februar 1961, Bundessteuerblatt - BStBl - III 1961, 139 und vom 24. April 1961, BStBl III 1961, 285). Übernehme wie hier der Arbeitgeber die Lohnsteuer, deren Schuldner auch bei einer Nettolohnvereinbarung der Arbeitnehmer sei und für die der Arbeitgeber als Gesamtschuldner hafte, so komme konkludent eine Nettolohnvereinbarung zustande, weil der Arbeitgeber die Lohnsteuer tatsächlich trage. Ein entsprechender Wille der Klägerin sei letztlich im Steuerhaftungsverfahren erkennbar geworden, aber auch schon ursprünglich mit Übernahme der Pauschalsteuer von angeblich geringfügigen Löhnen praktiziert worden. Damit habe die Klägerin bei jeder Lohnzahlung schlüssig zu erkennen gegeben, daß sie die Lohnsteuer übernehme. Das Finanzamt habe ungeachtet der bestehenden Rechtslage eine Pauschalversteuerung des ausgezahlten Barlohns nach Steuerklasse VI (§ 39 c EStG) mit 28,2 vH vorgenommen, und die Klägerin habe sich bereit erklärt, die Steuerabzugsbeträge in voller Höhe zu übernehmen. Dabei seien die 28,2 vH der Nettosteuersatz, der dem Bruttosteuersatz von 22 vH entspreche. Aus der Anwendung des Nettosteuersatzes könne geschlossen werden, daß das Finanzamt bei der Berechnung der Lohnsteuer § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG entsprechend angewandt habe und daß bei der vorgeschriebenen Übernahme der pauschalierten Lohnsteuer eine in Geldeswert bestehende Einnahme iS des § 8 Abs 1 EStG vorliege. Die Erhebung der Pauschalsteuer sei jedoch unzulässig gewesen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen hätten. Selbst bei ihrer Zulässigkeit müsse die Übernahme der Pauschalsteuer durch den Arbeitgeber jedoch als geldwerter Vorteil angesehen werden. Die gegenteilige Auffassung könne sich nicht auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. November 1975 (BSGE 41, 16) stützen. Diese Entscheidung sei zu einer rechtmäßigen Pauschalversteuerung nach § 40 a EStG ergangen, die hier nicht vorliege, und lasse sich außerdem nicht auf Pauschalversteuerungen nach § 40 EStG übertragen. Sie betreffe ferner nur den Rechtszustand, der bis zum 30. Juni 1976 bestanden habe. Seit dem 1. Juli 1977 sei jedoch die Transmissionswirkung des Steuerrechts auf das Sozialversicherungsrecht beseitigt. Das BSG werde sich auch mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 22. Juni 1978 (DB 1978, 2081) auseinandersetzen müssen, wonach bei einer Pauschalversteuerung zwar der Arbeitgeber alleiniger Steuerschuldner sei, arbeitsrechtlich aber der Arbeitnehmer die Pauschsteuer zu tragen habe.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) sind insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen war. Dieses hat zwar zutreffend entschieden, daß die Beklagte Beiträge nicht wie bei Vorliegen einer Nettolohnvereinbarung erheben durfte. Anscheinend hat aber die Klägerin nachträglich Steuern ihrer Beschäftigten übernommen, auf die möglicherweise Beiträge zu erheben waren. Insofern sind noch weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich.

Grundlage für die Bemessung der Beiträge, die für versicherungspflichtig Beschäftigte zur Sozialversicherung und zur BA zu entrichten sind (Gesamtsozialversicherungsbeiträge), ist das aus der Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt. Nach der gesetzlichen Umschreibung des Arbeitsentgelts in § 14 Abs 1 SGB 4 (die Vorschrift gilt auch für Beiträge zur BA, § 173a des Arbeitsförderungsgesetzes -AFG-) sind Arbeitsentgelt "alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden". Mit dieser - sehr weiten - Abgrenzung der beitragspflichtigen "Einnahmen" unterscheidet sich das Beitragsrecht der Sozialversicherung erheblich vom Lohnsteuerrecht. Dieses geht zwar ebenfalls von den "Einnahmen" der Arbeitnehmer aus, unterwirft sie jedoch nicht voll der Lohnsteuerpflicht, sondern läßt den Abzug bestimmter Aufwendungen zu; zu ihnen gehören neben den Werbungskosten auch die als Sonderausgaben abziehbaren Sozialversicherungsbeiträge (§ 10 Abs 1 Nr 2 Buchst a EStG). Demgegenüber gilt im Beitragsrecht der Sozialversicherung grundsätzlich das "Bruttoprinzip" (vgl BSGE 30, 61, 64). Für die Berechnung der Beiträge versicherungspflichtiger Arbeitnehmer ist daher ihr Bruttoarbeitsentgelt maßgebend (so ausdrücklich § 1385 Abs 3 Buchst a der Reichsversicherungsordnung -RVO-); es enthält auch die gesetzlichen Lohnabzugsbeträge, die der Arbeitgeber einzubehalten hat, insbesondere die Lohnsteuer seiner Arbeitnehmer und ihre Beitragsanteile zur Sozialversicherung. Übernimmt der Arbeitgeber aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer diese Beträge, wird also dem Arbeitnehmer ein abzugsfreier Lohn (Nettolohn) ausgezahlt, dann ist auch dieser dem Arbeitnehmer neben dem Lohn zufließende Vorteil beitragspflichtig, wie § 14 Abs 2 SGB 4 klarstellt. Danach gelten nämlich, wenn ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart ist, "als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und seines Beitrags zur Bundesanstalt für Arbeit".

Das bedeutet, daß von den übernommenen und mit zu dem Arbeitsentgelt gehörenden Steuern und Beitragsanteilen wiederum Beiträge zu entrichten sind (Beiträge von Steuern und Beiträge von Beiträgen). Entsprechendes gilt für die Entrichtung von Steuern, soweit das Steuerrecht die vom Arbeitgeber übernommenen Steuern und Beitragsanteile des Arbeitnehmers ebenfalls als steuerpflichtiges Arbeitsentgelt ansieht. Da die auf die übernommenen Steuern und Beiträge zu entrichtenden "Sekundärbeiträge" - sie muß der Arbeitgeber mitübernehmen, wenn er dem Arbeitnehmer einen lastenfreien Nettolohn zahlen will -, ihrerseits beitrags- und steuerpflichtiges Arbeitsentgelt sind, müssen auch von ihnen wieder Beiträge und Steuern entrichtet werden. Dieses Verfahren ist so lange fortzusetzen, bis ein (Brutto-)Arbeitsentgelt ermittelt ist, das nach Abzug der darauf entfallenden Steuern und Beitragsanteile das ausgezahlte Nettoentgelt ergibt ("Hochrechnung" des Nettoentgelts, was in der Verwaltungspraxis meist im sog Abtastverfahren anhand der Lohnsteuer- und Beitragstabellen geschieht). Damit werden Arbeitnehmer, mit denen der Arbeitgeber ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart hat, im Ergebnis so gestellt, als wenn sie ein in der angegebenen Weise ermitteltes Bruttoentgelt erhalten hätten, von dem entsprechende Beiträge entrichtet worden sind. Das ist vor allem für ihre Rentenversicherung von Bedeutung, deren Leistungen entscheidend von der Höhe der entrichteten Beiträge abhängen.

Nach diesen Grundsätzen ist auch die beklagte Krankenkasse bei der Berechnung ihrer - zunächst auf 44.076,96 DM festgesetzten, später auf 30.574,88 DM ermäßigten - Beitragsforderung gegen die Klägerin verfahren. Demgemäß hat sie, wie bei einer Nettolohnvereinbarung, nicht nur die den beigeladenen Arbeitnehmerinnen gezahlten Barlöhne, sondern auch die darauf entfallenden Steuern und Beitragsanteile als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt angesehen, sodann die um Steuern und Beitragsanteile erhöhten Barlöhne zu Bruttolöhnen hochgerechnet und auf sie die jeweils gültigen Beitragssätze angewendet. Zu einem solchen Verfahren war sie jedoch nicht berechtigt; denn die Klägerin hatte nicht, wie zu einer Nettolohnabrede erforderlich gewesen wäre, vor oder bei Auszahlung des Lohnes ausdrücklich oder wenigstens durch schlüssiges (konkludentes) Verhalten zu erkennen gegeben, daß sie Steuern und Beitragsanteile ihrer Beschäftigten übernehmen und ihnen damit zusätzlich zu dem ausgezahlten Barlohn einen weiteren Vermögensvorteil zuwenden wolle. Dies gilt zunächst für die Beitragsanteile der Beschäftigten.

Im Beitragsrecht ist bei versicherungspflichtig Beschäftigten Schuldner der Beiträge gegenüber der Einzugsstelle allein der Arbeitgeber. Für die Krankenversicherung folgt das aus § 393 Abs 1 Satz 1 RVO. Danach sind die Arbeitgeber verpflichtet, die Beiträge einzuzahlen, und zwar sowohl die Arbeitgeber- wie die Arbeitnehmeranteile. Das galt schon vor der Neufassung dieser Vorschrift durch Art II § 1 Nr 6 SGB 4, kommt nunmehr aber auch in der Gesetzesfassung selbst zum Ausdruck. Denn nach § 393 Abs 1 Satz 1 RVO in der geltenden Fassung haben die Arbeitgeber "die Beiträge nach § 381 Abs 1" einzuzahlen, mithin auch die Hälfte, die nach § 381 Abs 1 RVO die versicherten Arbeitnehmer zu tragen haben. Diese müssen sich allerdings bei der Lohnzahlung ihre Beitragsteile vom Barlohn abziehen lassen (§ 394 Abs 1 Satz 1 RVO). Die Arbeitgeber dürfen die Beitragsteile der Versicherten nur auf diesem Wege wieder einziehen (§ 394 Abs 1 Satz 2 RVO). Sind Abzüge für eine Lohnzeit unterblieben, so dürfen sie nur bei der Lohnzahlung für die nächste Lohnzeit nachgeholt werden, wenn nicht die Beiträge ohne Verschulden des Arbeitgebers verspätet entrichtet worden sind (§ 395 Abs 2 RVO). Diese Regelungen gelten nach § 179 Nr 2 AFG für die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entsprechend. Für die Rentenversicherung finden sich Vorschriften gleicher Art in § 1396 Abs 1 Satz 1 und § 1397 Abs 1 und 3 RVO (§§ 118 Abs 1 Satz 1, 119 Abs 1 und 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes). Im Beitragsrecht wird hiernach zwischen der rechtlichen Pflicht zur Beitragszahlung gegenüber der Einzugsstelle und der wirtschaftlichen Beitragstragung (Beitragslast) unterschieden. Zahlungspflichtig und damit Beitragsschuldner gegenüber der Einzugsstelle ist allein der Arbeitgeber; eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers durch die Einzugsstelle ist - auch hinsichtlich des Arbeitnehmeranteils - im Gesetz grundsätzlich nicht vorgesehen; Ausnahmefälle (vgl §§ 398 Abs 1, 1397 Abs 5 RVO) sind besonders geregelt. Soweit der Arbeitnehmer die Hälfte des Beitrags zu tragen hat, bezieht sich das rechtlich nur auf sein Verhältnis zum Arbeitgeber. Zieht dieser den Arbeitnehmeranteil nicht vom Lohn ab und darf er den Abzug auch nicht mehr nachholen, so geht die Beitragslast hinsichtlich des Arbeitnehmeranteils kraft Gesetzes auf ihn über, so daß er nunmehr auch wirtschaftlich die gesamte Beitragslast allein zu tragen hat.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin, die gegenüber der Beklagten von Anfang an alleinige Beitragsschuldnerin war, auch den Arbeitnehmeranteil der Beiträge ihrer Beschäftigten, dh die gesamte Beitragslast zu tragen. Das beruht jedoch nicht - wie bei einer Nettolohnvereinbarung - auf einer vertraglichen Übernahme der Arbeitnehmeranteile, sondern auf gesetzlichen, eine Verschiebung der Beitragslast bewirkenden Regelungen. Wenn nämlich der Lohn der beigeladenen Arbeitnehmerinnen die zwischen April 1976 und Oktober 1981 geltenden Grenzen des § 381 Abs 1 Satz 2, § 1385 Abs 4 Buchst a RVO, § 171 Abs 1 Nr 1 AFG (ein Zehntel der jeweiligen monatlichen Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung) zeitweise nicht überstiegen haben sollte, war die Klägerin als Arbeitgeberin kraft Gesetzes mit dem gesamten Beitrag belastet; insoweit wäre eine Übernahme von Arbeitnehmeranteilen durch die Klägerin als Arbeitgeberin von vornherein nicht in Betracht gekommen. Aber auch soweit die Arbeitnehmerinnen ursprünglich die Hälfte der Beiträge selbst zu tragen hatten, ist die Beitragslast später aufgrund der genannten gesetzlichen Vorschriften -nicht durch Vereinbarung mit den Beschäftigten - auf die Klägerin übergegangen, weil sie den Lohnabzug nicht schuldlos unterlassen hatte.

Daß im letztgenannten Fall die Lastenverschiebung durch ein Verhalten (Unterlassen) der Klägerin herbeigeführt worden ist, ändert nichts. Denn dem lag weder ein ausdrücklich noch ein konkludent geäußerter Zuwendungswille der Klägerin zugrunde. Nach ihrem Willen und dem der beigeladenen Arbeitnehmerinnen sollten vielmehr Beiträge nicht abgeführt werden. Auch wenn dies rechtswidrig war, so kann dem Verhalten der Klägerin doch nicht mehr entnommen werden, als daß sie die durch ihr Verhalten kraft Gesetzes bewirkte Verschiebung der Beitragslast geschehen ließ; ein auf eine solche Verschiebung gerichteter Wille kann ihr dagegen nicht unterstellt werden. Damit ähnelt die Rechtslage den Fällen, in denen das Abführen von Beiträgen deswegen unterbleibt, weil der Arbeitgeber irrtümlich Beitragsfreiheit annimmt oder die Beiträge zu gering berechnet. Auch hier tritt - außer bei schuldlosem Verhalten, das die Nachholung des Lohnabzugs erlaubt - eine gesetzliche Verschiebung der Beitragslast auf den Arbeitgeber ein. Mit der Zahlung der von ihm dann allein zu tragenden Beiträge erfüllt er jedoch rechtlich und wirtschaftlich lediglich eine eigene Schuld, wendet also dem Arbeitnehmer - anders als bei einem vereinbarten Nettolohn - mit der Beitragszahlung nicht noch einen zusätzlichen Vorteil zu dem gezahlten Barlohn zu. Deshalb sind die in den §§ 393 bis 395 RVO und den entsprechenden Vorschriften der Rentenversicherung enthaltenen Regelungen für Fälle der vorliegenden Art in dem Sinne zu verstehen, daß Beiträge nur von gezahltem (oder geschuldetem) Arbeitsentgelt anfallen, eine Erhebung von "Beiträgen auf Beiträge", dh von Beiträgen auf nicht einbehaltene und nunmehr vom Arbeitgeber zu tragende Arbeitnehmeranteile, aber ausscheidet.

Der Hinweis der Beigeladenen zu 1) auf das Urteil des BFH vom 5. April 1974 (BFHE 112, 463 = BStBl II 1974, 664 = DB 1974, 2090) vermag den Senat nicht vom Gegenteil zu überzeugen. In diesem Urteil hat der BFH vom Arbeitgeber getragene, weil nicht mehr vom Lohn der Arbeitnehmer abziehbare Beitragsanteile als steuerpflichtigen Arbeitslohn angesehen. Diese Entscheidung betrifft die steuerrechtliche Beurteilung der eingetretenen Lastenverschiebung und nicht ihre beitragsrechtliche, um die es hier allein geht. Im Beitragsrecht ist jedenfalls die Annahme, die gesetzliche Lastenverschiebung nach unterbliebenem Lohnabzug sei der (freiwilligen) Übernahme der Arbeitnehmeranteile durch den Arbeitgeber vergleichbar und deshalb entsprechend zu behandeln, mit der dargelegten Unterscheidung zwischen der Pflicht zur Beitragszahlung und zur Beitragstragung sowie dem abschließenden Charakter der Regelungen zum Lohnabzug nicht vereinbar.

Bei der Beurteilung der weiteren Frage, ob die Klägerin Steuern der Beigeladenen zu 3) und 4) übernommen hat und deshalb möglicherweise Beiträge auf diese Steuern zu erheben sind, ist von den einschlägigen steuerrechtlichen Regelungen auszugehen, die von den beitragsrechtlichen erheblich abweichen. So wird zwar bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die Einkommensteuer (Lohnsteuer) ebenfalls durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (§ 38 Abs 1 Satz 1 EStG). Schuldner der Lohnsteuer ist jedoch der Arbeitnehmer (§ 38 Abs 2 Satz 1 EStG). Der Arbeitgeber hat lediglich die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs 3 Satz 1 EStG) und an das Finanzamt abzuführen (§ 41a Abs 1 Nr 2 EStG). Insofern haftet er für die Lohnsteuer (§ 42d Abs 1 Nr 1 EStG). Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer Gesamtschuldner (§ 42d Abs 3 Satz 1 EStG). Das Finanzamt kann die "Steuerschuld" (des Arbeitnehmers) oder die "Haftungsschuld" (des Arbeitgebers) nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen (§ 42d Abs 3 Satz 2 EStG). Dabei darf es den Arbeitnehmer im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft nur unter den Voraussetzungen des § 42d Abs 3 Satz 4 EStG in Anspruch nehmen, ua dann, wenn der Arbeitgeber - wie hier die Klägerin - die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten hat. Im Falle einer Pauschalierung der Lohnsteuer, die das EStG unter bestimmten Voraussetzungen zuläßt (vgl §§ 40, 40a und 40b EStG), hat der Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer zu übernehmen; er ist dann auch Schuldner der pauschalen Lohnsteuer, die bei der Veranlagung zur Einkommensteuer und beim Lohnsteuer-Jahresausgleich außer Ansatz bleibt und weder auf die Einkommensteuer noch auf die Jahreslohnsteuer anzurechnen ist (§ 40 Abs 3 EStG, der auch in den anderen Fällen einer Pauschalierung anzuwenden ist, vgl § 40a Abs 4 und § 40b Abs 3 Satz 1 EStG).

Angesichts dieser Rechtslage kann, wie das LSG zutreffend entschieden hat, nicht angenommen werden, die Klägerin habe von vornherein, dh auch für den Fall, daß die Steuerhinterziehung entdeckt würde, über die von ihr entrichtete Pauschalsteuer hinaus die nach den individuellen Verhältnissen der Beschäftigten (Lohnsteuerklassen) anfallenden Lohnsteuern übernommen. Vielmehr war und blieb bis zur Entdeckung der Hinterziehung offen, ob und in welcher Höhe das Finanzamt entweder die beigeladenen Arbeitnehmerinnen als Steuerschuldner oder aber die Arbeitgeberin als Haftungsschuldnerin in Anspruch nehmen würde und wer dann die Steuer endgültig hätte tragen müssen. Auch aus tatsächlichen Gründen war es dem Finanzamt nicht von vornherein unmöglich, sich an die Arbeitnehmerinnen zu halten, zumal es sich um nur zwei Personen handelte, deren Namen und Anschriften bekannt waren. Ob es anders wäre, wenn eine Inanspruchnahme der Arbeitnehmer etwa infolge einer Verletzung von Aufzeichnungspflichten durch den Arbeitgeber oder wegen einer großen Zahl von Arbeitnehmern von Anfang an ausgeschlossen oder besonders schwierig und damit praktisch nur der Arbeitgeber als Haftungsschuldner zu belangen gewesen wäre, kann offenbleiben.

Daß die Klägerin bis Oktober 1981 für die beigeladenen Arbeitnehmerinnen pauschale Lohnsteuer entrichtet hat - nach einem Pauschsteuersatz von 10 vH und absichtlich zu niedrig angegebenen Löhnen -, läßt ebenfalls nicht den Schluß zu, daß sie schon damals, dh vor Entdeckung der Steuerhinterziehung, statt der rechtswidrig abgeführten Pauschalsteuer auch bereit gewesen wäre, die rechtmäßig zu entrichtende, nach den tatsächlich gezahlten Löhnen und den individuellen Steuermerkmalen der Arbeitnehmerinnen berechnete Lohnsteuer zu übernehmen. Wenn sie nachträglich - nachdem die Steuerhinterziehung entdeckt war - anscheinend eine vom Finanzamt geschätzte Steuer übernommen hat, kann hieraus nicht schon für die Vergangenheit auf einen Willen zur Übernahme derjenigen Steuer geschlossen werden, die sich früher bei rechtmäßiger Steuerberechnung ergeben hätte. In Betracht kommt vielmehr nur eine erst später erfolgte Übernahme von Steuern der Beschäftigten durch die Klägerin.

Auch wenn eine solche nachträgliche Übernahme von Steuern einer bereits im Zeitpunkt der Lohnzahlung vereinbarten nicht gleichzustellen ist, kann andererseits nicht unberücksichtigt bleiben, daß auch hier der Arbeitgeber eine in erster Linie den Arbeitnehmer treffende Schuld freiwillig übernimmt. Damit wendet er ihm jedenfalls dann einen Vermögensvorteil zu, wenn er die Steuer mit der Absicht übernimmt, sie endgültig selbst zu tragen, den Arbeitnehmer also von ihr freizustellen, gegen ihn insbesondere keine Regreßansprüche zu erheben. Daß in einem Verzicht auf solche Ansprüche die Zuwendung eines Vermögensvorteils zum Zeitpunkt des Verzichtes liegen kann, nimmt auch der BFH an (BFHE 142, 483, 493 f = BStBl II 1985, 164, 169 f sowie BFHE 142, 494, 499 = BStBl II 1985, 170, 173). Dann erscheint es aber nur folgerichtig, diesen steuerlichen Vermögensvorteil - außer dem gezahlten Barlohn - als Teil des Arbeitsentgelts ebenfalls der Beitragspflicht zu unterwerfen.

Mit der Beitragspflicht des Barlohns und der nachträglich endgültig vom Arbeitgeber übernommenen Steuer hat es indes sein Bewenden. Es ist mithin nicht wie bei einer Nettolohnvereinbarung zu verfahren, der Barlohn also nicht um Beitragsanteile des Arbeitnehmers und die bei rechtmäßigem Verhalten angefallenen Steuern zu erhöhen und zu einem Bruttolohn "hochzurechnen". Hierfür kann sich der beigeladene Rentenversicherungsträger auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des BGH vom 24. September 1986 (BGHSt 34, 166) berufen. Diese Entscheidung ist in einer Steuerstrafsache ergangen, in der es für das Strafmaß auf die Höhe der hinterzogenen Steuer ankam. In diesem Zusammenhang - mit der Beitragsberechnung oder der Steuererhebung auf Arbeitnehmeranteile an Beiträgen befaßt sich die Entscheidung nicht - hat der BGH bei einverständlichem Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Zwecke der Lohnsteuerhinterziehung entschieden, in der Vereinbarung, daß ein bestimmtes Arbeitsentgelt voll und ohne Abzüge ausgezahlt werde, liege in der Regel eine Nettolohnabrede, wenn das Arbeitsentgelt dem Arbeitnehmer mit der Auszahlung auf Dauer ungekürzt verbleiben solle (dieser also auch im Falle einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Haftungsschuldner nicht mit Regreßansprüchen des Arbeitgebers zu rechnen braucht). Im vorliegenden Fall stand demgegenüber nicht von vornherein fest, daß die Klägerin für den Fall, daß sie vom Finanzamt als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen würde, wegen der ihr abgeforderten Lohnsteuer bei den Arbeitnehmern nicht Regreß nehmen würde oder dies schon deshalb nicht konnte, weil sie sich dazu, wie in dem vom BGH entschiedenen Fall, von Anfang an bewußt und gewollt außerstande gesetzt hatte. Im übrigen hat der BGH in seiner Entscheidung die Erhebung von "Steuer auf Steuer" lediglich insofern gebilligt, als das Tatsachengericht den Mindeststeuersatz der Lohnsteuerklasse VI von 22 vH des Bruttolohns auf 28,2 vH der Nettolohnsumme umgerechnet hatte. Mit dem gleichen Steuersatz von 28,2 vH hat nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall das Finanzamt die Steuer nacherhoben.

Die in § 14 Abs 2 SGB 4 enthaltene Regelung zur Nettolohnvereinbarung ist hier auch nicht entsprechend anzuwenden. Dafür fehlt es an der Gleichheit von Normzweck und Interessenlage. Die Beitragserhebung knüpft an die Höhe des gezahlten oder geschuldeten Arbeitsentgelts an. Bei einer tatsächlich getroffenen Nettolohnvereinbarung rechnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Bemessung des Entgelts für die Arbeitsleistung dem Barlohn die sonstigen Vorteile (Beitragsanteile des Arbeitnehmers und Steuern) hinzu und stellen Leistung und Gegenleistung in ein entsprechendes, aus ihrer Sicht ausgewogenes Verhältnis zueinander. Der Höhe der Gegenleistung, die der Arbeitnehmer insgesamt erhält, entspricht dann auch die Höhe der nach dem "hochgerechneten" Bruttolohn zu bemessenden Beiträge. Wird dagegen, wie hier, der Arbeitnehmeranteil der Beiträge vom Arbeitgeber nicht übernommen, sondern hat er ihn lediglich infolge einer gesetzlichen Lastenverschiebung zu tragen, und ist ferner im Zeitpunkt der Lohnzahlung noch offen, wer (Arbeitnehmer oder Arbeitgeber) im Falle des Entdecktwerdens die Steuer trägt, so würde, wenn später die Beiträge wie in Fällen einer Nettolohnvereinbarung berechnet würden, ein Arbeitsentgelt zugrunde gelegt werden, das in keinem Verhältnis mehr zu dem von den Vertragspartnern angenommenen Wert der Arbeitsleistung steht. Das hätte einerseits eine Belastung des Arbeitgebers mit unverhältnismäßig hohen Beiträgen zur Folge, der andererseits eine übermäßige Vergünstigung für den Arbeitnehmer - insbesondere in der Rentenversicherung - entsprechen würde, obwohl er an der Beitragshinterziehung mitgewirkt hat. Die Unterschiede zu den Fällen mit Nettolohnvereinbarung können beitragsrechtlich nicht deswegen vernachlässigt werden, weil dem Arbeitnehmer später im Einzelfall infolge der Steuerübernahme durch den Arbeitgeber der ausgezahlte Barlohn ungeschmälert verblieben ist und die "modifizierte Schwarzarbeit" illegal war.

Ist hiernach in Fällen der vorliegenden Art neben dem Barlohn nur noch eine vom Arbeitgeber nachträglich endgültig übernommene Steuer (Lohnsteuer und evtl auch Kirchensteuer) der Beitragserhebung zugrunde zu legen, so wird das LSG hier zunächst feststellen müssen, ob die Klägerin solche Steuern übernommen und ausdrücklich oder stillschweigend auf einen Regreß bei den Arbeitnehmerinnen verzichtet hat. Sollte sich dieses ergeben, so wäre weiter zu ermitteln, wie hoch die übernommene Steuer gewesen ist. Das SG hat die Beitragspflicht der nacherhobenen Steuer nur dem Grunde nach für rechtens erkannt, die Feststellung des Betrages der nacherhobenen Steuern aber der Beklagten überlassen. Diese kann jedoch erwarten, daß die Gerichte, ohne die Beiträge im einzelnen zu berechnen, deren Berechnungsgrundlagen konkret bezeichnen und hierzu die erforderlichen Ermittlungen vornehmen. Welche Steuern nacherhoben worden sind, ist bisher nicht festgestellt. Das LSG spricht von nachversteuerten 22.038,48DM, bei denen es sich aber wohl um die Hälfte (die Arbeitnehmeranteile) der ursprünglich von der Beklagten erhobenen Beitragsforderung von 44.076,96 DM handelt, die das Finanzamt ursprünglich als einen mitzuversteuernden Teil des Arbeitsentgelts angesehen zu haben scheint, die aber kaum für eine Nachversteuerung in Betracht kommen dürften. Unklar ist auch, ob die nacherhobene Steuer von den vollen Barlöhnen erhoben und die zunächst entrichtete Pauschalsteuer hierauf angerechnet worden ist oder ob Steuern nur auf die früher nicht pauschal versteuerten Beträge nacherhoben worden sind und es im übrigen bei der ursprünglichen Pauschalversteuerung geblieben ist. Soweit die Beigeladene zu 1) wegen der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 22. Juni 1978, AP Nr 1 zu § 40a EStG = DB 1978, 2081 und neuerdings Urteil vom 5. August 1987, AP Nr 2 zu § 40a EStG = DB 1988, 182) eine Überprüfung des Urteils in BSGE 41, 16 für erforderlich hält, weist der Senat darauf hin, daß in den vom BAG entschiedenen Fällen die Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber gezahlte Pauschalsteuer im Innenverhältnis vereinbarungsgemäß übernommen hatten.

Im übrigen scheint bisher nicht geprüft worden zu sein, ob die Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung wegen der Regelung in § 169 Nr 6 iVm § 102 AFG in den zwischen 1976 und 1981 geltenden Fassungen bei beiden Beschäftigten durchgehend bestanden hat.

Das LSG wird in seiner abschließenden Entscheidung auch über die Erstattung außergerichtlicher Kosten - einschließlich des Revisionsverfahrens - zu befinden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60337

BSGE 64, 110-118 (LT1-2)

BSGE, 110

BB 1989, 1762-1764 (LT1-2)

RegNr, 18242 (BSG-Intern)

KVRS, A-3060/17 (LT1-2)

BR/Meuer SGB 4 § 14, 22-09-88, 12 RK 36/86 (LT1-2)

USK 88155 (LT1-2, OT1)

ZIP 1989, 1276

ZIP 1989, 1276-1280 (LT)

DBlR 3504a, 4/§ 14 (LT1-2)

Die Beiträge 1989, 171-183 (T)

EzS 55/107 (LT1-2, OT1)

HV-INFO 1989, 1514-1521 (LT1)

SozR 2100 § 14, Nr 22 (LT1-2)

SozSich 1989, RsprNr 4180 (LT1-2)

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