Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherung - Beitragsbemessung - Arbeitsentgelt - Pauschalsteuer - geringfügig Beschäftigte

 

Leitsatz (redaktionell)

Die für geringfügig Beschäftigte vom Arbeitgeber zu tragende Pauschalsteuer ist kein Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 SGB 4 (Fortführung von BSG vom 12.11.1975 - 3/12 RK 8/74 = BSGE 41, 16 = SozR 2200 § 160 Nr 2).

 

Orientierungssatz

Die Ansicht, der pauschale Lohnsteuervorteil der Arbeitnehmer sei dem vereinbarten Bruttoentgelt zumindest im Wege einer analogen Anwendung des § 14 Abs 2 SGB 4 hinzuzurechnen, verkennt den gravierenden Unterschied des Pauschalsteuerverfahrens zu einer Nettolohnvereinbarung.

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 12.08.1992; Aktenzeichen L 3 U 293/92)

SG Gießen (Entscheidung vom 10.02.1992; Aktenzeichen S 3 U 250/91)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die von der Klägerin zu tragende Pauschalsteuer für geringfügig Beschäftigte ab 1989 zusätzlich zu den gezahlten Löhnen der Beitragspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegt.

Die Klägerin ist als Handelsunternehmen Mitglied der Beklagten. Neben sozialversicherungspflichtigen Vollzeitkräften beschäftigt sie auch geringfügig Beschäftigte, deren Löhne sie nach § 40a des Einkommensteuergesetzes (EStG) pauschal versteuert, ohne die geringfügig Beschäftigten mit dieser Steuer intern zu belasten. Mit Bescheiden vom 31. Oktober 1990 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin fest, daß die für die geringfügig Beschäftigten entrichtete pauschale Lohn- und Kirchensteuer ab 1989 beitragspflichtiges Entgelt sei (für das Jahr 1989 berechnete die Beklagte hierfür einen Beitrag in Höhe von 1.998,40 DM nach). Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 29. Januar 1991; Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 10. Februar 1992).

Das Landessozialgericht (LSG) hat die angefochtenen Bescheide sowie das Urteil des SG aufgehoben (Urteil vom 12. August 1992). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die von der Klägerin für pauschal versteuerte Aushilfskräfte abgeführte Lohn- und Kirchensteuer sei nicht beitragspflichtig. Zwar erziele der Arbeitnehmer durch das vom Arbeitgeber gewählte Pauschalsteuerverfahren in der Regel eine Ersparnis, die seiner nach persönlichen Steuermerkmalen ansonsten zu entrichtenden Steuer (§ 38 EStG) entspreche, und damit eine laufende Einnahme iS des § 14 Abs 1 des Sozialgesetzbuches - Viertes Buch - (SGB IV) sei. Diese mittelbare Steuerersparnis stelle auch eine "Zulage" oder "ähnliche Einnahme" iS des § 17 Abs 1 SGB IV dar, die der Arbeitsentgelt-Verordnung (ArEV) unterfalle. Da die auf den Lohn zu entrichtende Pauschalsteuer selbst aber nicht in die steuerrechtliche Bemessungsgrundlage eingehe, also lohnsteuerfrei sei, sei sie dem Arbeitsentgelt nach dem Grundsatz des § 1 ArEV nicht hinzuzurechnen. Eine Zurechnung zum Arbeitsentgelt finde auch in § 14 Abs 2 SGB IV keine Stütze, da die Pauschalierung nach § 40a EStG nicht als Nettolohnvereinbarung anzusehen sei (hM, vgl insbesondere BSGE 41, 16). Steuerrechtlich handele es sich bei der Pauschalsteuer nämlich um eine Steuerschuld des Arbeitgebers. Eine diesem Umfang entsprechende Steuerschuld des Arbeitnehmers habe zu keinem Zeitpunkt bestanden und könne daher auch nicht, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) meine (Urteil vom 5. August 1987, NJW 1988, 1165), vom Arbeitgeber übernommen werden. Auch scheide eine analoge Anwendung des § 14 Abs 2 SGB IV mangels Regelungslücke aus. Dem als Folge dieser Beurteilung auftretenden Ausfall an Sozialversicherungsbeiträgen könne nur durch eine Reaktion des Gesetzgebers begegnet werden.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 14 Abs 1 SGB IV. Das LSG habe verkannt, daß es sich auch bei der pauschalierten Lohnsteuer um eine Lohnsteuer des Arbeitnehmers und nicht um eine originäre Steuerschuld des Arbeitgebers handele (vgl Urteil des Bundesfinanzhofs ≪BFH≫ vom 30. November 1989, BFHE 159, 82). Dies folge auch aus dem Urteil des BAG vom 5. August 1987 (NJW 1988, 1165), in dem das BAG ausgesprochen habe, der Arbeitgeber könne die von ihm "übernommene" Pauschalsteuer im Innenverhältnis auf den Arbeitnehmer abwälzen. Übernehme der Arbeitgeber - wie hier - die Pauschalsteuer endgültig, so stelle der Verzicht auf die Abwälzung einen identischen geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers dar, der als Einnahme beitragspflichtig sei. Auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. November 1975 (BSGE 41, 16) könne sich das LSG nicht stützen, weil diesem Urteil die überholte Annahme zugrunde liege, eine Abwälzung der Pauschalsteuer auf den Arbeitnehmer sei nicht möglich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 12. August 1992

aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

Im Ergebnis zutreffend hat das LSG entschieden, daß die von der Klägerin nach § 40a EStG entrichtete pauschale Lohn- und Kirchensteuer nicht dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt der geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer hinzuzurechnen ist.

Die Höhe der von den Unternehmern gemäß § 723 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aufzubringenden Beiträge richtet sich nach dem Entgelt der Versicherten (§ 725 Abs 1 RVO). Demgemäß bestimmt § 23 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten das tatsächliche Arbeitsentgelt als Grundlage für die Beitragsbemessung. § 14 Abs 1 SGB IV definiert den Begriff des Arbeitsentgelts - als das für die Sozialversicherung relevante Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit - eigenständig und für alle Versicherungszweige einheitlich (vgl Hauck/ Haines, SGB IV, § 14 Rz 1). Danach sind Arbeitsentgelt die laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

Ausgehend von dieser Vorschrift vertritt die Beklagte die Ansicht, zum maßgeblichen beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelt (vgl hierzu ua BSGE 30, 61, 64; Hauck/Haines aaO Rz 3; Merten in GK-SGB IV, § 14 Rz 18) gehöre auch der geldwerte Vorteil, den ein Arbeitnehmer dadurch erziele, daß der Arbeitgeber die Lohn- und Kirchensteuer nach § 40a EStG pauschal übernehme, und zwar deshalb, weil der Arbeitnehmer diese Steuern ursprünglich schulde. Dieser Ansicht wird nicht gefolgt.

Der Beklagten ist zwar einzuräumen, daß die Übernahme der Pauschalsteuer durch den Arbeitgeber für den Arbeitnehmer vorteilhaft sein kann. Ein solcher Vorteil ist aber immer nur dann zu den Einnahmen iS des § 14 Abs 1 SGB IV zu zählen, wenn er individuell feststeht; denn nur tatsächlich erzielte Einnahmen gehören zum Bruttoarbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 SGB IV, nicht dagegen fiktive oder pauschalierte Vorteile. Dies folgt auch aus einem Umkehrschluß aus § 14 Abs 2 SGB IV. Diese Vorschrift, die nicht isoliert von Abs 1 betrachtet werden darf (vgl hierzu Merten aaO Rzn 18 und 19), sieht für den Fall einer Nettolohnvereinbarung eine Hochrechnung lediglich um die persönliche Steuerschuld und die auf den Arbeitnehmer konkret entfallenden Anteile zur Sozialversicherung vor.

Der individuelle Vorteil der Arbeitnehmer ist bei einer Lohnsteuerpauschalierung im Beitragsverfahren der Sozialversicherung nicht anhand des Pauschalsteuerbetrages feststellbar. Ausgangspunkt sämtlicher in diesem Zusammenhang anzustellender Überlegungen ist die Tatsache, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer - mangels anderer Vereinbarungen - einen Bruttolohn vereinbart haben, der wegen seiner geringen Höhe die Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung zuläßt (vgl Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 40a Rz A 9; Crezelius, BB 1985, 2057, 2062, 2063). Nach § 40a Abs 1 EStG (in der hier maßgeblichen Fassung des EStG 1987 vom 27. Februar 1987, BGBl I S 657) kann der Arbeitgeber unter Verzicht auf die Vorlage einer Lohnsteuerkarte bei Arbeitnehmern, die nur kurzfristig oder in geringem Umfang und gegen geringen Lohn beschäftigt werden, die Lohnsteuer mit einem Pauschalsatz von 10 vH des Arbeitslohns erheben (die Pauschalierung bei Beschäftigungen in geringem Umfang und gegen geringen Lohn ist nunmehr in § 40a Abs 2 EStG idF des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. 7. 1988 ≪BGBl I S 1093≫ mit einem Pauschalsteuersatz von 15 vH geregelt). Mit der Durchführung der Pauschalierung wird der Arbeitgeber gemäß § 40 Abs 3 Satz 2 EStG Schuldner der aus dem Bruttolohn berechneten pauschalierten Lohnsteuer. Der Arbeitslohn und die pauschale Lohnsteuer bleiben bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer und beim Lohnsteuerjahresausgleich außer Ansatz. Die Konsequenz dieses Besteuerungsverfahrens ist, daß dem Arbeitnehmer brutto für netto verbleibt.

Wird das Pauschalierungsverfahren nicht durchgeführt, bleibt der Arbeitnehmer in dem nach § 38 EStG geregelten Lohnsteuerabzugsverfahren Steuerschuldner. Die Höhe der Lohnsteuer richtet sich nach den persönlichen Steuermerkmalen des Arbeitnehmers; Bemessungsgrundlage ist der vom Arbeitgeber geschuldete Bruttolohn.

Liegt dem Arbeitsverhältnis eine echte Nettolohnvereinbarung zugrunde, so bleibt der Arbeitnehmer ebenfalls Schuldner der Lohnsteuer (vgl statt aller Schmidt/ Drenseck, EStG, § 38 Anm 2, § 39b Anm 5). Die vom Arbeitgeber übernommenen Abzugsbeträge sind zusätzlicher Arbeitslohn, so daß der vereinbarte und ausgezahlte Nettolohn für steuerliche Zwecke hochgerechnet werden muß. Der hochgerechnete Bruttolohn ist das arbeitsrechtliche Entgelt, das auch die Grundlage für den Steuerabzug bildet.

Hat der Arbeitgeber dagegen das Pauschalierungsverfahren nach § 40a EStG gewählt und mit dem Arbeitnehmer vereinbart, diesen im Innenverhältnis mit der Pauschalsteuer zu belasten, so liegt keine Nettolohnvereinbarung vor. Vielmehr liegt bei dieser Konstellation eine Bruttolohnvereinbarung vor, bei der von dem rechtlich maßgeblichen Lohn auf den tatsächlichen Auszahlungsbetrag heruntergerechnet wird (so Crezelius, aaO, S 2063).

Bei sämtlichen dargestellten Varianten erfährt der maßgebliche Bruttolohn weder in arbeitsrechtlicher noch in steuerrechtlicher Hinsicht eine Veränderung. Daß dieser Bruttolohn auch in beitragsrechtlicher Hinsicht als maßgebliches Arbeitsentgelt iS von § 14 Abs 1 SGB IV anzusehen ist, stellt auch die Beklagte jedenfalls für die Fälle nicht in Abrede, in denen die Normalbesteuerung iS von § 38 EStG durchgeführt wird, eine Nettolohnvereinbarung vorliegt oder ein Pauschalbesteuerungsverfahren mit Abwälzung der Steuerlast auf den Arbeitnehmer vereinbart ist. Sie ist lediglich der Ansicht, das Bruttoentgelt sei beitragsrechtlich in den Fällen zu erhöhen, in denen der Arbeitgeber die Pauschalsteuer auch im Innenverhältnis zum Arbeitnehmer endgültig zu tragen hat, und zwar um den Pauschalsteuerbetrag. Dem ist nicht zuzustimmen.

Zu dieser Fallgestaltung hat das BSG bereits mit Urteil vom 12. November 1975 (BSGE 41, 16) entschieden, die vom Arbeitgeber zu tragende Pauschalsteuer sei für die Arbeitnehmer kein Entgelt. Es hat diese Entscheidung in erster Linie damit begründet, daß sich der mittelbare Vorteil des Arbeitnehmers - Befreiung von der Steuerpflicht nach § 38 EStG - nicht mit der Höhe der vom Arbeitgeber übernommenen Pauschalsteuer deckt. Der tatsächlich bestehende Vorteil müßte vielmehr von Fall zu Fall aus der Lohnsteuertabelle nach der jeweils in der Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse individuell ermittelt werden. Damit würde aber auch die mit der Pauschalversteuerung bezweckte Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens, zu der auch der Verzicht auf die Vorlage einer Lohnsteuerkarte gehört, weitgehend vereitelt werden (BSG aaO S 23).

Diese Entscheidung ist - im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten (ebenso Dannhöfer/Goetzke BG 1989, 392) - keineswegs überholt. Dies kann weder mit dem zwischenzeitlich in Kraft getretenen SGB IV (vom 23. Dezember 1976 - BGBl I S 3845 - in Kraft getreten am 1. Juli 1977), noch mit der seither ergangenen neueren Rechtsprechung des BFH und des BAG begründet werden. Zwar ist das Urteil des BSG vom 12. November 1975 (BSG aaO) noch unter der Geltung des Gemeinsamen Erlasses (Erlaß des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers vom 10. September 1944 - AN 1944, 281 - und ergänzender Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 24. Oktober 1944 - AN 1944, 302 -) ergangen, nach dessen Abschn 1 Satz 1 die Beiträge zur Sozialversicherung grundsätzlich von dem Betrag zu berechnen waren, der für die Berechnung der Lohnsteuer maßgebend war. Auf diese Transmissionswirkung, die unter der Geltung des SGB IV nicht mehr besteht, hat sich das BSG jedoch nicht gestützt. Es hat vielmehr hervorgehoben, daß der Gemeinsame Erlaß für den Fall einer Pauschalbesteuerung beitragsrechtlich keine Regelung enthielt, so daß die Ausfüllung dieser Lücke der Rechtsprechung oblag. Die in dieser Rechtsprechung enthaltene Aussage, daß die vom Arbeitgeber zu tragende Pauschalsteuer nicht dem Bruttoentgelt hinzuzurechnen ist, weil sie sich nicht mit dem individuell zu berechnenden Steuervorteil des Arbeitnehmers deckt, ist deshalb auf § 14 Abs 1 SGB IV zu übertragen.

Soweit sich die Beklagte für ihre Ansicht auf das Urteil des BFH vom 30. November 1989 (BFHE 159, 82) beruft, ergibt sich ebenfalls keine andere Beurteilung. In jener Entscheidung, in der der BFH über die Nachforderung pauschaler Lohnkirchensteuer des Finanzamtes gegenüber einem Arbeitgeber zu befinden hatte, hat der BFH zwar ausgeführt, der Arbeitgeber sei nicht originärer Schuldner der pauschalen Lohnsteuer. Diese sei nur insoweit eine "Unternehmenssteuer", als sie aus Praktikabilitätsgründen in verfahrensrechtlich-technischer Hinsicht vom Arbeitgeber erhoben werde und der Arbeitgeber formell gesehen alleiniger Steuerschuldner sei. Materiell-rechtlich gesehen handele es sich aber um eine Steuer, die dadurch entstehe, daß der Arbeitnehmer durch die Ausübung einer nichtselbständigen Arbeit einen Besteuerungstatbestand iS des § 38 der Abgabenordnung verwirkliche. Diese Aussage zum originären Steuerschuldner hat jedoch keine Bedeutung für die hier zu beurteilende sozialversicherungsrechtliche Frage. Denn auch in der bereits mehrfach genannten Entscheidung des BSG vom 12. November 1975 ist das BSG (aaO S 21) von einer "Übernahme" der Steuerschuld durch den Arbeitgeber ausgegangen, wodurch der Arbeitnehmer von seiner Steuerschuld "befreit" werde. Bedeutsam an dem zitierten Urteil des BFH ist vielmehr, daß es sich insoweit mit der Rechtsprechung des BSG deckt, als weiter ausgeführt ist, der Arbeitgeber übernehme bei einer Pauschalierung nur dem Grunde nach die in der Person des Arbeitnehmers verwirklichte Steuerschuld, die allerdings der Höhe nach insoweit eine Veränderung erfahre, als sie nicht auf persönlichen Merkmalen des Arbeitnehmers beruhe (BFHE aaO S 85).

Das Urteil des BAG vom 5. August 1987 (NJW 1988, 1165) führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Diese Entscheidung betrifft nämlich allein eine arbeitsrechtliche Problematik, und zwar die Frage, ob ein Arbeitgeber die von ihm nach § 40a EStG übernommene pauschalierte Lohnsteuer im Innenverhältnis auf den Arbeitnehmer abwälzen darf. Das BAG hat diese Frage unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung (zuletzt BAG Urteil vom 22. Juni 1978, AP Nr 1 zu § 40a EStG) bejaht und seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß der Arbeitgeber nur im Außenverhältnis alleiniger Steuerschuldner sei. Die Arbeitsvertragsparteien könnten deshalb eine wirksame Vereinbarung über die Steuerabwälzung treffen, sofern der tarifvertragliche Bruttolohn dabei nicht unterschritten werde. Zur Höhe der Steuer, insbesondere im Verhältnis zum individuellen Steuervorteil des Arbeitnehmers, enthält das Urteil nur insofern eine Aussage, als es klarstellt, der Arbeitnehmer behalte das Recht, dem Arbeitgeber eine Lohnsteuerkarte vorzulegen und die Heranziehung zur Lohnsteuer nach persönlichen Steuermerkmalen zu verlangen. Dabei ist das BAG in seinem Urteil vom 5. August 1987 zudem davon ausgegangen, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Nettolohn-Vereinbarung getroffen hatten.

Soweit die Beklagte unter Berufung auf Dannhöfer und Goetzke (Die BG 1989, 392) die Meinung vertritt, der pauschale Lohnsteuervorteil der Arbeitnehmer sei dem vereinbarten Bruttoentgelt zumindest im Wege einer analogen Anwendung des § 14 Abs 2 SGB IV hinzuzurechnen, verkennt sie den gravierenden Unterschied des Pauschalsteuerverfahrens zu einer Nettolohnvereinbarung. Dieser ist nicht nur darin zu sehen, daß der Arbeitnehmer - im Gegensatz zu der hier gegebenen Rechtslage - bei einer Nettolohnvereinbarung Schuldner seiner nach persönlichen Steuermerkmalen zu entrichtenden Lohnsteuer bleibt, sondern auch darin, daß das Bruttoentgelt bei einer Nettolohnvereinbarung individuell hochgerechnet wird (im sog Abtastverfahren, vgl hierzu BSGE 64, 110, 112), wobei insbesondere auch die auf den Arbeitnehmer entfallenden gesetzlichen Beitragsanteile zur Sozialversicherung dem Nettolohn hinzuzurechnen sind. Wollte man den Analogiegedanken der Beklagten rechnerisch zu Ende führen, so ergäbe sich ein beitragspflichtiges "Bruttoentgelt", das weder dem von den Arbeitsvertragsparteien gewollten noch dem von der Beklagten begehrten entspräche. So würde sich beispielsweise bei einem der Pauschalbesteuerung zugrunde gelegten Bruttolohn von 450,-- DM (entspricht der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs 1 Nr 1 Buchst b SGB IV für das Jahr 1989), einem Pauschalsteuersatz von 10,7 vH (pauschale Lohn- und Kirchensteuer) und einem Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung von 16 vH im Abtastverfahren - analog § 14 Abs 2 SGB IV - ein Bruttoentgelt von ca 620,-- DM errechnen, während der Arbeitnehmer im Falle einer Pauschalsteuerabwälzung allenfalls eine Steuerlast von 48,15 DM zu tragen hätte (nach der Praxis der Finanzverwaltung gemäß Abschnitt 128 Abs 3 Satz 5 der Lohnsteuer-Richtlinien zu § 40a EStG sogar lediglich 43,-- DM, da die im Innenverhältnis vom Arbeitnehmer zu tragende Pauschalsteuer nicht in die Bemessungsgrundlage einfließt). Dieses Zahlenbeispiel zeigt, daß das aus einer analogen Anwendung des § 14 Abs 2 SGB IV resultierende Bruttoentgelt eine Höhe erreichen würde, die den vereinbarten Bruttolohn einschließlich des von der Beklagten angenommenen Steuervorteils bei weitem übersteigen würde.

Die Ansicht der Beklagten würde schließlich zu dem mit § 14 Abs 1 SGB IV unvereinbaren Ergebnis führen, daß die Frage der Versicherungs- bzw Beitragsfreiheit (§ 7 SGB V, § 5 Abs 2 Nr 1 SGB VI, § 169 AFG iVm § 8 Abs 1 Nr 1 Buchst b SGB IV) geringfügig Beschäftigter von der Wahl des Besteuerungsverfahrens abhinge, weil die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs 1 Nr 1 Buchst b SGB IV unter Hinzurechnung des Pauschalsteuerbetrages in vielen Fällen überschritten und damit zur Versicherungspflicht der geringfügig Beschäftigten führen würde.

Die pauschalen Steuerbeträge sind deshalb - ebenso wie nach früherem Recht - nicht dem Arbeitsentgelt hinzuzurechnen (so auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl S 310n; Bigge BG 1989, 779)).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60291

BSGE 73, 170-175 (LT1)

BSGE, 170

BB 1994, 943

BB 1994, 943-944 (LT1)

DStR 1994, 949 (K)

RegNr, 21216 (BSG-Intern)

USK, 9358 (LT1)

AP § 40a EStG (LT), Nr 3

AP § 611 BGB Nettolohn (L1), Nr 7

AP § 611 BGB Teilzeit (L1), Nr 4

AuA 1994, 219-221 (LT)

BAGUV, RdSchr 16/94 (T)

Breith 1994, 374-379 (LT1)

HV-INFO 1993, 2715-2720 (T)

NZS 1994, 137-140 (LT1)

SozR 3-2400 § 14, Nr 7 (LT1)

Breith. 1994, 374

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