Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung eines Sperrzeitbescheids

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe wegen Eintritts einer 2. Sperrzeit gemäß § 119 Abs 3 AFG setzt grundsätzlich voraus, daß der Arbeitslose in dem schriftlichen Bescheid über die 1. Sperrzeit ausreichend darüber belehrt worden ist, nach welchen Voraussetzungen das Erlöschen eintreten kann (Fortführung von BSG 22.7.1982 7 RAr 93/81 = BSGE 54, 41, 45 = SozR 4100 § 119 Nr 20).

2. Zu den Anforderungen an den Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung in dem schriftlichen Bescheid über die 1. Sperrzeit iS von § 119 Abs 3 AFG.

 

Orientierungssatz

Bindungswirkung iS des § 77 SGG kann nur für den Entscheidungssatz des Verwaltungsaktes eintreten, nicht aber für dessen Gründe (vgl BSG vom 31.5.1978 - 5 RJ 76/76 = SozR 1500 § 77 Nr 56 mwN). In bezug auf die Erlöschenswirkung des § 119 Abs 3 AFG ist der "erneute Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit" jedoch lediglich eine Tatbestandsvoraussetzung, damit ein Element der Begründung. Der Entscheidungssatz des zu erlassenden Verwaltungsaktes besteht insoweit in der Ablehnung eines Leistungsantrags oder in der Aufhebung einer bereits ausgesprochenen Leistungsbewilligung. Nur insoweit kann Bindung iS des § 77 SGG eintreten, wenn diese Entscheidung nicht oder nicht in vollem Umfange angefochten wird.

 

Normenkette

AFG § 119 Abs 3, § 146 S 2; SGG § 77

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 17.09.1985; Aktenzeichen L 7 Ar 131/85)

SG Hildesheim (Entscheidung vom 01.11.1983; Aktenzeichen S 16 Ar 104/83)

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung eines Antrags auf Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Als der Kläger im November 1977 nach Aufgabe einer Zwischenbeschäftigung die Wiederbewilligung eines im Mai 1977 erworbenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) beantragt hatte, stellte die Beklagte durch bindend gewordenen Bescheid vom 29. Dezember 1977 den Eintritt einer vierwöchigen Sperrzeit vom 9. November bis 6. Dezember 1977 fest. Für die Zeit danach bewilligte sie dem Kläger weiterhin Alg. Nach Erschöpfung dieses Alg-Anspruchs bezog der Kläger seit Mai 1978 mit verschiedentlichen Unterbrechungen Anschluß-Alhi. Am 22. November 1982 beendete der Kläger ein am 15. November 1982 begonnenes Arbeitsverhältnis durch eigene fristlose Kündigung und beantragte die Wiederbewilligung von Alhi. Die Beklagte lehnte den Alhi-Antrag mit der Begründung ab, daß der Anspruch gemäß §§ 134 Abs 3, 119 Abs 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) erloschen sei, weil der Kläger den Verlust seines Arbeitsplatzes ohne wichtigen Grund herbeigeführt und deshalb den Tatbestand einer achtwöchigen Sperrzeit verwirklicht habe sowie nach Entstehung des Anspruchs schon einmal Anlaß für den Eintritt einer Regelsperrzeit gegeben habe (Bescheid vom 21. Dezember 1982; Widerspruchsbescheid vom 14. März 1983).

Durch Urteil vom 1. November 1983 hat das Sozialgericht (SG) die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, dem Kläger Alhi ab 18. Januar 1983 zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. Juni 1984).

Auf die Revision des Klägers hat der erkennende Senat durch Urteil vom 14. März 1985 das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Als Begründung dafür wurde ausgeführt, das LSG habe bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, daß an dem Rechtsstreit der örtlich zuständige Sozialhilfeträger derart beteiligt ist, daß die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 75 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). In dem erneuten Berufungsverfahren hat das LSG die Stadt H. - Sozialamt - beigeladen und auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG vom 1. November 1983 erneut aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 17. September 1985).

Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte verweigere in den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Zahlung von Alhi. Der dem Kläger zustehende Anspruch sei nämlich gemäß § 119 Abs 3 AFG in der seit 1. Januar 1982 geltenden Fassung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) erloschen. Diese Rechtsfolge trete nach dieser Vorschrift ein, wenn der Arbeitslose nach Entstehung des Anspruchs bereits einmal Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von acht Wochen gegeben und er hierüber einen schriftlichen Bescheid erhalten habe, sobald er erneut Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von acht Wochen gebe. Aus Art 1 § 2 Nr 13 AFKG folge, daß auch eine vor dem 1. Januar 1982 eingetretene Sperrzeit von vier Wochen diese Rechtswirkung auslöse, wenn nach dem 1. Januar 1982 eine erneute Sperrzeit von acht Wochen verwirkt werde. Ein solcher Sachverhalt sei hier gegeben.

Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, daß der Kläger - in der Zeit seines Alhi-Bezuges - erneut Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von acht Wochen gegeben habe. Er habe schon im Verfahren vor dem SG seinen Klageantrag dahingehend eingeschränkt, daß er den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 1983 hinsichtlich der Sperrzeit nicht anfechten wolle und deshalb auch die Gewährung von Alhi erst ab 18. Januar 1983 begehre. Die angefochtenen Bescheide seien deshalb gemäß § 77 SGG bindend geworden, soweit sie den Eintritt einer achtwöchigen Sperrzeit feststellten. Zwischen den Beteiligten sei lediglich streitig, ob die im Alhi-Bezug eingetretene Sperrzeit vom 23. November 1982 bis 17. Januar 1983 als erneute Sperrzeit nach der im Alg-Bezug festgesetzten Sperrzeit mit der Folge angesehen werden könne, daß der Anspruch auf Anschluß-Alhi gemäß § 119 Abs 3 AFG iVm § 134 Abs 4 Satz 1, Halbsatz 2 AFG erloschen sei. Entgegen der Auffassung des SG sei diese Frage zu bejahen. Im Urteil vom 22. März 1979 (SozR 4100 § 119 Nr 8) habe das Bundessozialgericht (BSG) zwar entschieden, daß der Arbeitslose nicht nach Entstehung des Anspruchs erneut Anlaß für die Entstehung einer Sperrzeit iS des § 119 Abs 3 AFG gegeben habe, wenn die erste Sperrzeit in die Zeit des Bezuges von Alg, die zweite in die Zeit des Bezuges von Alhi falle. Seit 1. Januar 1982 bestimme jedoch § 134 Abs 4 Satz 1, Halbsatz 2 AFG idF des AFKG, daß der Anspruch auf Alg und der Anspruch auf Alhi, soweit nichts anderes bestimmt sei, als ein einheitlicher Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit gelten. Da § 119 Abs 3 AFG keine Ausnahmeregelung iS des § 134 Abs 4 Satz 1, Halbsatz 2 AFG enthalte, müßten auch der frühere Anspruch des Klägers auf Alg und sein Anspruch auf Alhi als einheitlicher Anspruch angesehen werden. Maßgebend sei dafür der Zeitpunkt des Eintritts der (zweiten) Sperrzeit. Das LSG begründet seine Auffassung des Näheren und gelangt zu dem Ergebnis, daß der Anspruch des Klägers gemäß § 119 Abs 3 AFG erloschen sei. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtsfolge bestünden nicht.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 119 Abs 3 AFG sowie Verstöße des LSG gegen Art 3, 20 des Grundgesetzes (GG). Er führt dazu mit näherer Begründung aus, daß der Auffassung des SG über die Nichtanwendbarkeit des § 119 Abs 3 AFG jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art zuzustimmen sei. Die ab 1. Januar 1982 geltende Neufassung des § 134 Abs 4 Satz 1 AFG enthalte eine benachteiligende Veränderung der Rechtslage für davon betroffene Arbeitslose und unterliege damit dem Verbot der Rückwirkung. Zudem verstoße es gegen den dem Kläger zustehenden Vertrauensschutz, wenn an die 1977 eingetretene Sperrzeit während eines 1978 abgeschlossenen Alg-Bezuges im Jahre 1982 wegen eines Alhi-Anspruchs nachteilige Rechtsfolgen geknüpft würden, die vor dem 1. Januar 1982 nicht möglich gewesen wären. Im übrigen sei der Kläger über die Möglichkeit dieser Rechtsfolgen niemals richtig belehrt worden.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 1. November 1983 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Berufungsgerichts für richtig. Ergänzend führt sie aus, daß sich der Kläger nicht auf Vertrauen in einen zum Zeitpunkt des Eintritts der ersten Sperrzeit nicht ausdrücklich gesetzlich geregelten Zustand hinsichtlich des Erlöschens des Leistungsanspruchs berufen könne. Er sei über die Folgen des Eintritts einer erneuten Sperrzeit hinreichend aufgeklärt worden, da in dem ersten Sperrzeitbescheid eine allgemeine Belehrung enthalten gewesen sei und Auswirkungen hinsichtlich eines künftigen Alhi-Anspruchs nicht davon ausgenommen worden seien.

Die Beigeladene hat erklärt, daß sie sich den Ausführungen des Revisionsklägers vollinhaltlich anschließe, jedoch keinen eigenen Antrag stelle.

Alle Beteiligten haben erklärt, daß sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden sind (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 1983; darin lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 23. November 1982 auf Gewährung von Alhi ab. Zur Begründung führte sie aus, daß der Anspruch nach § 119 Abs 3 AFG erloschen sei, weil als Folge der Arbeitsaufgabe zum 22. November 1982 eine Sperrzeit von acht Wochen eingetreten sei und der Kläger nach Entstehung des Anspruchs (Mai 1977) schon einmal Anlaß für den Eintritt einer das Normalmaß umfassenden Sperrzeit gegeben habe. Die Beklagte verweist dazu auf den Bescheid vom 29. Dezember 1977.

Der Kläger wendet sich gegen diese Entscheidung nur insoweit, als ihm Alhi auch für die Zeit ab 18. Januar 1983 verweigert wird und verlangt im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) zulässigerweise die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Alhi von diesem Zeitpunkt an. Dieser Anspruch kann begründet sein; er ist jedenfalls nicht nach § 119 Abs 3 AFG erloschen.

Nach dieser Vorschrift erlischt ein noch zustehender Anspruch auf Alg oder Alhi (§ 134 Abs 4 Satz 1 AFG), wenn der Arbeitslose erneut Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von acht Wochen gibt und er nach Entstehung des Anspruchs zuvor bereits einmal Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von acht Wochen gegeben sowie hierüber einen schriftlichen Bescheid erhalten hat. Zu Unrecht hat das LSG im vorliegenden Falle diese Voraussetzungen als erfüllt angesehen.

Zweifelhaft ist bereits die Frage, ob das LSG davon ausgehen durfte, zum Nachteil des Klägers sei am 23. November 1982 eine Sperrzeit von acht Wochen eingetreten. Dies wäre der Fall, wenn der Kläger sein Arbeitsverhältnis am 22. November 1982 ohne wichtigen Grund gelöst und dadurch vorsätzlich oder grobfahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt hätte (§ 119 Abs 1 Nr 1 AFG in der hier anzuwendenden Fassung des AFKG). Das LSG hat die Voraussetzungen dieses Tatbestandes nicht selbst geprüft, weil der Kläger den streitigen Bescheid insoweit nicht angefochten habe und dieser deshalb nach § 77 SGG wegen der Sperrzeit bindend geworden sei. Diese Rechtsauffassung begegnet Bedenken, weil Bindungswirkung iS des § 77 SGG nur für den Entscheidungssatz des Verwaltungsaktes eintreten kann, nicht aber für dessen Gründe (vgl BSGE 46, 236, 237 = SozR 1500 § 77 Nr 29; BSG SozR 1500 § 77 Nr 56, jeweils mwN). In bezug auf die Erlöschenswirkung des § 119 Abs 3 AFG ist der "erneute Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit" jedoch lediglich eine Tatbestandsvoraussetzung, damit ein Element der Begründung. Der Entscheidungssatz des zu erlassenden Verwaltungsaktes besteht insoweit in der Ablehnung eines Leistungsantrags - wie auch hier geschehen - oder in der Aufhebung einer bereits ausgesprochenen Leistungsbewilligung. Nur insoweit kann Bindung iS des § 77 SGG eintreten, wenn diese Entscheidung nicht oder nicht in vollem Umfange angefochten wird. Etwas anderes mag gelten, wenn der Eintritt einer Sperrzeit in Form eines Entscheidungs- oder Verfügungssatzes ausdrücklich festgestellt wird (vgl BSG SozR 4100 § 119 Nr 12). Hier ist dieser Sachverhalt jedoch nur Teil der Begründung für die Ablehnung des Leistungsantrags des Klägers geblieben. Indessen kann auf sich beruhen, welche Konsequenzen sich aus diesen Rechtsfragen für die Entscheidung des LSG ergeben. Selbst wenn nämlich davon ausgegangen werden müßte, daß der Kläger am 22. November 1982 Anlaß für den Eintritt einer erneuten Sperrzeit von acht Wochen gegeben hat und dies bindend feststände, hätte dies nicht das Erlöschen seines Anspruchs nach § 119 Abs 3 AFG zur Folge gehabt.

Ob dies schon eine Folge des Umstandes ist, daß die (erste) Sperrzeit iS des § 119 Abs 3 AFG während des Bezuges von Alg im Jahre 1977 eingetreten ist, die (zweite) Sperrzeit am 23. November 1982 während des Bezuges von Anschluß-Alhi (§ 134 Abs 1 Nr 4 Buchst a AFG) kann offenbleiben. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob der durch das AFKG seit 1. Januar 1982 in § 134 Abs 4 Satz 2 AFG eingefügte Halbsatz 2, wonach der Anspruch auf Alg und der Anspruch auf Alhi als einheitlicher Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, allgemein oder jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art für die Anwendung des § 119 Abs 3 AFG beachtlich ist (vgl zur Rechtslage vor dem 1. Januar 1982 BSGE 48, 109 = SozR 4100 § 119 Nr 8; zur Rechtslage seit 1. Januar 1982 ebenfalls offengelassen in BSGE 54, 41, 43 = SozR 4100 § 119 Nr 20). Es fehlt nämlich in jedem Falle dem (ersten) Sperrzeitbescheid vom 29. Dezember 1977 an einem iS des § 119 Abs 3 Halbsatz 1 AFG erforderlichen Inhalt.

Das Gesetz verlangt insofern unverändert, daß der Arbeitslose über den Anlaß des Eintritts einer (ersten) Sperrzeit von bestimmter Dauer, die hier mit vier Wochen ausreichen würde (Art 1 § 2 Nr 13 Satz 2 AFKG), einen schriftlichen Bescheid erhalten hat. Ein solcher Bescheid liegt zwar in Schriftform vor, wie den Feststellungen des LSG zu entnehmen ist. Es handelt sich um den Bescheid vom 29. Dezember 1977. Darin wird zunächst dem Kläger mit näherer Begründung mitgeteilt, daß sein Anspruch auf Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit als Folge unberechtigter Arbeitsaufgabe vom 9. November bis 6. Dezember 1977 ruhe und er Alg erst nach Ablauf der Sperrzeit erhalte. Am Ende des Bescheides heißt es sodann: "Bitte beachten Sie, daß Ihr Leistungsanspruch erlischt, wenn Sie in Zukunft erneut Anlaß für den Eintritt einer 4-wöchigen Sperrzeit geben (§ 119 Abs 3 AFG)."

Dieser Inhalt entspricht zwar der Bestimmung des § 146 Satz 2 AFG, wonach Entscheidungen über den Anspruch schriftlich bekanntzugeben sind, was auch Entscheidungen über den Anspruch als Folge des Eintritts einer Sperrzeit umfaßt (vgl Hennig/Kühl/Heuer, Komm z AFG, Erl 3 zu § 146 - Stand: April 1984). Der Inhalt des Bescheides vom 29. Dezember 1977 genügt jedoch nicht den Anforderungen an die Qualität eines schriftlichen Bescheides iS des § 119 Abs 3 Halbsatz 1 AFG. Dafür spricht schon, daß es der Regelung über den "schriftlichen Bescheid" in § 119 Abs 3 AFG nicht bedurft hätte, wenn damit lediglich dasselbe gemeint wäre, wie in § 146 Satz 2 AFG. Die demgegenüber höhere Anforderung an den Begriff des schriftlichen Bescheides iS des § 119 Abs 3 AFG folgt jedoch entscheidend aus Sinn und Zweck dieser Regelung, insbesondere ihrem Zusammenhang mit sonstigen Bestimmungen des § 119 AFG, wonach Sperrzeitfolgen nur nach ausreichenden Rechtsfolgenbelehrungen eintreten, soweit solche Belehrungen vor dem schadenstiftenden Ereignis möglich sind.

Die geltende Fassung des § 119 Abs 3 AFG beruht auf einem Vorschlag des zuständigen Bundestagsausschusses für Arbeit (vgl BT-Drucks V/4110 § 108a). Begründet wurde dieser damit, anders als nach § 83 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) und § 120 des Regierungsentwurfs eines AFG solle nur noch das Verhalten des Arbeitslosen nach Entstehung des Anspruchs, dh nach der Arbeitslosmeldung und damit nach Belehrung über die Rechtsfolgen, das Erlöschen des Anspruchs auf Alg begründen (vgl zu BT-Drucks V/4110, zu § 108a). Der Senat hat schon früher aus dieser Rechtsentwicklung gefolgert, daß es Ziel dieser Regelung war, den Verlust des Alg- oder Alhi-Anspruchs nur nach Entstehen des konkreten Anspruchs und nach einer Belehrung über die Rechtsfolgen zu ermöglichen (BSGE 47, 101, 103, 105 = SozR 4100 § 119 Nr 5).

Dieser Zielsetzung würde es nicht entsprechen, wollte man es in Fällen, in denen wegen unberechtigter Aufgabe eines Arbeitsplatzes eine (erste) Sperrzeit eingetreten ist (§ 119 Abs 1 Nr 1 AFG), für den Begriff der Schriftlichkeit des Bescheides iS des § 119 Abs 3 Halbsatz 1 AFG genügen lassen, daß lediglich diese Rechtsfolge als solche schriftlich mitgeteilt worden ist. Daraus allein wäre nämlich für den Arbeitslosen nicht erkennbar, daß ihm die Erlöschensfolge iS des § 119 Abs 3 AFG droht, wenn er erneut Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit bietet. Allenfalls wäre ihm bewußt gemacht, daß Tatbestände iS des § 119 Abs 1 AFG erneut zu einer Sperrzeit in der gesetzlich begrenzten Dauer führen können.

Das Risiko der Unwissenheit über die Folgen bestimmten Verhaltens iS des § 119 Abs 3 AFG besteht zwar nicht bei der Ablehnung von Arbeitsangeboten des Arbeitsamtes während fortbestehender Arbeitslosigkeit; denn in diesen Fällen ist das Arbeitsamt schon nach § 119 Abs 1 Nr 2 AFG ausdrücklich zu einer jeweils konkreten Rechtsfolgenbelehrung verpflichtet, die im gegebenen Falle auch die Konsequenzen nach § 119 Abs 3 AFG umfassen muß, um dessen Rechtsfolgen auszulösen (BSGE 47, 101, 105 = SozR 4100 § 119 Nr 5; BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr 18). Dasselbe gilt für Angebote gemäß § 119 Abs 1 Nr 3 AFG.

Anders ist es jedoch bei einer Sperrzeit als Folge unberechtigter Arbeitsaufgabe iS des § 119 Abs 1 Nr 1 AFG. Hier besteht für das Arbeitsamt keine Möglichkeit, den Arbeitslosen v o r der Verwirklichung des Tatbestandes auf die Folgen seines Tuns hinzuweisen. Folgerichtig erwartet das Gesetz für den Eintritt der Sperrzeit von begrenzter Dauer hier auch nicht eine vorherige Rechtsfolgenbelehrung.

Für die Erlöschenswirkung nach § 119 Abs 3 AFG trägt das Gesetz dem jedoch konsequent Rechnung. In Fällen, in denen (erst) mit der einer Arbeitsaufgabe folgenden Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung und Antragstellung die Anwartschaft für einen Anspruch auf Alg entsteht (§§ 100, 104 AFG), kann diese Sperrzeit nämlich nicht zu einem Erlöschen des Anspruchs nach § 119 Abs 3 AFG beitragen; denn der Anlaß für den Eintritt dieser Sperrzeit liegt hier vor der Entstehung des Anspruchs iS des § 100 AFG. Der § 119 Abs 3 AFG fordert jedoch - und wie die oa Motive aufzeigen, durchaus bewußt - dafür die Verwirklichung zweier Sperrzeittatbestände n a c h der Entstehung des Anspruchs, was bedeutet "nach der Entstehung der Anwartschaftszeit" (BSGE 47, 101 = SozR 4100 § 119 Nr 5; ebenso Gagel, Komm zum AFG, RdNr 107 zu § 119; Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, Stand: März 1986, Anm 20 zu § 119; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, Anm 64 zu § 119; Gemeinschaftskommentar -GK- AFG, RdNr 91 zu § 119; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm zum AFG, Stand: August 1972, RdNr 25 zu § 119).

Bereits aus diesem mit voller Absicht herbeigeführten Inhalt des § 119 Abs 3 AFG wird deutlich, daß die für jeden Arbeitslosen einschneidende Folge des vollständigen Verlustes seines Anspruchs auf Leistungen nur eintreten soll, wenn er nach den der Verwaltung gegebenen Möglichkeiten hinreichend "vorgewarnt" worden ist. Die Regelung steht damit in systematischer Übereinstimmung mit § 119 Abs 1 Nrn 2 und 3 AFG, wonach schon für den Eintritt von Sperrzeiten als solchen vorherige Rechtsfolgebelehrungen erforderlich sind. Der schriftliche Bescheid über die nach Entstehung des Anspruchs eingetretene erste Sperrzeit iS des § 119 Abs 3 AFG liegt mithin nur dann formgerecht vor, wenn er eine ausreichende Rechtsfolgenbelehrung über das mögliche Erlöschen des Anspruchs bei erneuter Herbeiführung eines Sperrzeittatbestandes enthält (so schon BSGE 54, 41, 45 = SozR 4100 § 119 Nr 20; ebenso: Gagel, aaO, RdNrn 114 ff zu § 119; Hennig/Kühl/Heuer, aaO, Anm 21 zu § 119; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, aaO, Anm 66 zu § 119; GK-AFG, Anm 91, 92 zu § 119). Ob das Fehlen einer solchen Belehrung dann geheilt wird, wenn die zweite Sperrzeit auf Tatbeständen nach § 119 Abs 1 Nrn 2 oder 3 AFG beruht und der Arbeitslose im Zusammenhang mit Angeboten des Arbeitsamtes im Sinne dieser Regelungen rechtzeitig ausreichende Rechtsfolgenbelehrungen erhalten hat, bedarf hier keiner Entscheidung. Die dem streitigen Bescheid zugrundeliegende Arbeitsaufgabe kann allenfalls die Sperrzeitfolge nach § 119 Abs 1 Nr 1 AFG ausgelöst haben; ihr ist und konnte folglich nicht eine besondere konkrete Rechtsfolgenbelehrung vorausgehen.

Der sonach allein maßgebende Bescheid der Beklagten vom 29. Dezember 1977 erweist sich im Sinne dieser Anforderungen als unzureichend. Er enthält zwar den oa Hinweis auf eine mögliche Erlöschenswirkung gemäß § 119 Abs 3 AFG bei erneutem Anlaß für den Eintritt einer Regelsperrzeit; dies ist jedoch nicht ausreichend. Der Hinweis beschränkt sich auf die formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes in § 119 Abs 3 AFG, der seinerseits in abstrakter Form die Tatbestände des § 119 Abs 1 AFG umfaßt. Der Senat hat schon zu den Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung iS des § 119 Abs 1 Nr 2 AFG entschieden, daß solches nicht genügt (vgl BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr 18). Selbst wenn an den Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung hier nicht dieselben Anforderungen zu stellen wären wie dort, ist zumindest erforderlich, daß sie dem Arbeitslosen konkret vor Augen führt, welches tatsächliche Verhalten in Zukunft den Anspruch zum Erlöschen bringen kann. Es muß daraus zB für Fälle der vorliegenden Art dem Arbeitslosen klar sein, daß er nach Wiederaufnahme einer Beschäftigung diese nicht ohne wichtigen Grund selbst aufgeben dürfe, wenn dies erneut und vorhersehbar seine Arbeitslosigkeit zur Folge haben würde, und er bei Nichtbeachtung dessen wegen Eintritts einer erneuten Sperrzeit mit dem gänzlichen Fortfall seines noch bestehenden Anspruchs zu rechnen habe. Daran fehlt es hier.

Zudem ist der oa Hinweis unvollständig und deshalb aus sich heraus nicht hinreichend eindeutig. Der Bescheid vom 29. Dezember 1977 betrifft lediglich den Anspruch des Klägers auf Alg und erklärt dies ausdrücklich. Wenn sich aber die Erlöschenswirkung nach Auffassung der Beklagten von vornherein auch auf einen erst zukünftigen Anspruch auf Anschluß-Alhi auswirken sollte, mußte sie das dem Kläger erklären. Dies umso mehr, als die Rechtslage im Jahre 1977 eine solche Wirkung nicht vorsah (BSGE 48, 109 = SozR 4100 § 119 Nr 8). Aus dem Inhalt des oa Hinweises ist jedoch für den Erklärungsempfänger nicht zu entnehmen, daß auch sein zukünftiges Verhalten während eines möglichen späteren Alhi-Bezuges gemeint ist, wenn ihm im Zusammenhang mit der zeitweiligen Verweigerung von Alg erklärt wird, sein Leistungsanspruch könne unter bestimmten Umständen erlöschen. Hinzu kommt, daß dem oa Hinweis die äußere Begrenzung seiner Reichweite fehlt. Die Bedeutung einer Sperrzeit nach Erfüllung der Anwartschaftszeit für das Erlöschen des Anspruchs gemäß § 119 Abs 3 AFG entfällt, sobald der Arbeitslose eine neue Anwartschaftszeit erfüllt hat, weil dann der bisherige Anspruch deshalb erlischt (§ 125 Abs 1 AFG). Eine sachgerechte Belehrung über die Folgen zukünftigen Verhaltens darf dies nicht verschweigen, weil andernfalls der Arbeitslose im Unklaren darüber bleibt, wie lange ihn noch nachteilige Folgen aus seinem bisherigen Verhalten treffen können.

Erfüllt nach allem der Bescheid vom 29. Dezember 1977 nicht die Anforderungen an den schriftlichen Inhalt, die § 119 Abs 3 Halbsatz 1 AFG verlangt, konnte die Rechtsfolge des Erlöschens des Alhi-Anspruchs ab 23. November 1982 selbst dann nicht eintreten, wenn der Kläger durch seine Arbeitsaufgabe vom 22. November 1982 Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit nach § 119 Abs 1 Nr 1 AFG gegeben haben sollte. Folglich durfte ihm mit dieser Begründung die nur noch ab 18. Januar 1983 begehrte Gewährung von Alhi nicht verweigert werden. Die entgegenstehende Entscheidung des LSG kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Da das LSG - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen nach §§ 134 ff AFG für den geltend gemachten Anspruch erfüllt, muß der Rechtsstreit zur Nachholung dessen an das LSG zurückverwiesen werden. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

BSGE, 289

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