Beteiligte

Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen

Landwirtschaftliche Alterskasse Niederbayern-Oberpfalz

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 5. August 1997 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1995 bis 31. Juli 1995 auf Antrag von der Versicherungs- und Beitragspflicht in der Alterssicherung der Landwirte zu befreien ist.

Die Klägerin ist seit 1982 mit einem landwirtschaftlichen Unternehmer verheiratet, der seit dem 1. Mai 1988 von der Versicherungspflicht nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) befreit ist. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Dezember 1994 die Versicherungs- und Beitragspflicht der Klägerin in der Alterssicherung der Landwirte ab 1. Januar 1995 fest. Die Klägerin beantragte daraufhin im Januar 1995 die (vorübergehende) Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG, da sie arbeitslos sei und Unterhaltsgeld nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) beziehe. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Mai 1996 idF des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 1996 ab: Mit dem in der Zeit vom 1. Januar bis 14. Juli 1995 bezogenen Unterhaltsgeld von wöchentlich DM 133,80, umgerechnet monatlich DM 579,80, werde der für die Befreiung von der Versicherungspflicht erforderliche Einkommensgrenzwert von einem Siebtel der Bezugsgröße (§ 18 Sozialgesetzbuch Viertes Buch ≪SGB IV≫; im Jahre 1995 DM 580) nicht überschritten.

Das Sozialgericht (SG) Landshut hat mit Urteil vom 5. August 1997 die Beklagte verpflichtet, die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1995 bis 31. Juli 1995 von der Versicherungspflicht zu befreien: Zwar sei nach dem Wortlaut des § 3 Abs 1 und 4 ALG die Befreiung nicht möglich; das Gesetz sei jedoch lückenausfüllend dahingehend auszulegen, daß bei Lohnersatzleistungen, während derer weiterhin Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt werden, nicht vom Zahlbetrag der Lohnersatzleistung, sondern von dem Arbeitsentgelt auszugehen sei, das der Berechnung der Lohnersatzleistung zugrunde liege. § 3 Abs 1 Nr 1 ALG ermögliche eine Befreiung von der Pflichtversicherung in der Alterssicherung der Landwirte, sobald die Geringfügigkeitsgrenze für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung überschritten werde und damit die Versicherungspflicht in einem anderen Zweig der Alterssicherung einsetze. Würden aber die Zugehörigkeit im System der gesetzlichen Rentenversicherung auch während des Bezugs von Lohnersatzleistungen aufrecht erhalten und Beiträge zu diesem System abgeführt, „entfalle eine Schutzbedürftigkeit, dem Sicherungssystem des ALG angehören zu müssen”. Von der Regelungsabsicht des Gesetzgebers her gesehen liege deshalb eine Gesetzeslücke vor. Es wäre zudem ein das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 und 2 Grundgesetz (GG) verletzender Wertungswiderspruch, nur die Erwerbstätigen, deren Arbeitsverdienst ein Siebtel der Bezugsgröße überschreite, von der Versicherungspflicht zu befreien. Deshalb sei eine am Gesetzeszweck ausgerichtete (teleologische) Gesetzeskorrektur geboten. Solange die Klägerin Unterhaltsgeld bezogen habe und Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden seien, habe die Beitragsbemessungsgrundlage für diese Beiträge monatlich DM 1.160 betragen. Dieser Betrag sei das maßgebliche Einkommen nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG. Er überschreite ein Siebtel der damaligen Bezugsgröße.

Die (Sprung-)Revision stützt die Beklagte auf eine Verletzung des § 3 Abs 1 und Abs 4 ALG: Eine Gesetzeslücke liege nicht vor. Vielmehr habe der Gesetzgeber bewußt allein auf den Zahlbetrag von Erwerbseinkommen oder Erwerbsersatzeinkommen abgestellt. Der Begriff des Erwerbsersatzeinkommens werde gleichermaßen in den §§ 28, 32 ALG und § 8 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) verwendet. Offensichtlich habe sich der Gesetzgeber an § 18a Abs 1 Nr 2 und § 18a Abs 3 SGB IV orientiert. Es müsse davon ausgegangen werden, daß ihm die Ausnahmeregelung des § 18b Abs 2 SGB IV bekannt gewesen sei; er habe jedoch bewußt darauf verzichtet, diese auf die Befreiungstatbestände nach dem ALG zu übertragen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Revisionsvorbringen für nicht überzeugend und schließt sich der Argumentation des SG an.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Beklagten ist begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG. Denn sie hat – worauf die Beklagte zu Recht abstellt – von der Arbeitsverwaltung im streitigen Zeitraum Erwerbsersatzeinkommen (Unterhaltsgeld) mit einem monatlichen Zahlbetrag von nur DM 579,80 bezogen. Damit ist ein Siebtel der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV (im Jahre 1995 DM 580) nicht überschritten.

Entgegen der Ansicht des SG besteht – ausgehend vom eindeutigen Wortlaut – keine Regelungslücke im Gesetz, die dahingehend zu schließen wäre, daß auf Antrag die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG auch dann vorgenommen werden muß, wenn zwar das Erwerbsersatzeinkommen (Abs 4) ein Siebtel der Bezugsgröße nicht übersteigt, jedoch während des Bezugs dieser Leistung weiterhin Rentenversicherungsbeiträge abgeführt werden, deren Bemessungsgrundlage über diesem Grenzwert liegt.

Eine Regelungslücke ist eine „planwidrige Unvollständigkeit” des Gesetzes (vgl Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl 1991 S 370 ff), die immer nur innerhalb des Regelungszusammenhangs des Gesetzes und ausgehend von der Regelungsabsicht des Gesetzgebers (seines „Plans”) festgestellt und geschlossen werden kann. Als Anknüpfungspunkt für die Lückenschließung kommt hier nur ein Versehen des Gesetzgebers oder das Übersehen eines Tatbestandes in Betracht (zu den Voraussetzungen und Grenzen vgl mwN Urteil des Senats vom 12. Februar 1998 – B 10 LW 2/97 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

Eine derartige Lücke im Gesetz durch ein Versehen des Gesetzgebers oder das Übersehen eines Tatbestandes ist hier nicht festzustellen. Zweierlei ist sozialrechtlich allgemeinkundig und war es auch für den Gesetzgeber: Zum einen, daß alle in § 3 Abs 4 Nr 2 ALG aufgeführten Lohnersatzleistungen stets unterhalb der Einkommen liegen, die als Bemessungsgrundlage herangezogen und nur zu einem Bruchteil ersetzt werden. Zum anderen, daß in diesen Fällen der Lohnersatzleistungen die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung weiterbesteht und hierzu Pflichtbeiträge, allerdings auf abgesenktem Niveau, weiterhin entrichtet werden (Krankengeld: Leistungshöhe §§ 47, 47a und 47b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ≪SGB V≫ mit der Versicherungspflicht in § 3 Satz 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch ≪SGB VI≫ und der Beitragshöhe in § 161 Abs 1 iVm § 166 Abs 1 Nr 2 SGB VI; Versorgungskrankengeld: Leistungshöhe §§ 16a bis 16d, 16f BVG mit der Versicherungspflicht in § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI und der Beitragshöhe in § 161 Abs 1 iVm § 166 Abs 1 Nr 2 SGB VI; Verletztengeld: Leistungshöhe § 561 Reichsversicherungsordnung mit der Versicherungspflicht in § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI und der Beitragshöhe in § 161 Abs 1 iVm § 166 Abs 1 Nr 2 SGB VI; Übergangsgeld, Arbeitslosengeld und Unterhaltsgeld nach dem AFG: Leistungshöhe § 59 Abs 2 bis 5, § 111 Abs 1, § 44 Abs 2 AFG mit der Versicherungspflicht in § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI und der Beitragshöhe in § 161 Abs 1 iVm § 166 Abs 1 Nr 2 SGB VI). Der Gesetzgeber des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG hat vor diesem Hintergrund auch dem Inhalt nach bewußt folgende Regelung getroffen: Die antragsabhängige Befreiungsmöglichkeit von der Versicherungs- und Beitragspflicht nach dem ALG entfällt von der aufgestellten Einkommensgrenze ab, und zwar ungeachtet der weiterbestehenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auch dann, wenn zwar das ursprüngliche Erwerbseinkommen als früheres Einkommen über einem Siebtel der Bezugsgröße gelegen hatte, jedoch das aktuelle Einkommen wegen der typischen Absenkungsquote des Erwerbsersatzeinkommens diesen Grenzwert nicht mehr erreicht. Bei einer solchen Ausgangslage darf das Gericht von vornherein nicht im Wege der Lückenausfüllung die Rolle des Gesetzgebers übernehmen, eine klare Regelung durch eine inhaltlich andere ersetzen und sich so seiner Bindung an Recht und Gesetz entziehen (BVerfGE 87, 273, 280). Ein Gericht hat dann nur die Möglichkeit, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nach Art 100 Abs 1 GG einzuholen, wenn es von der Verfassungswidrigkeit der Regelung überzeugt ist. Der Senat indes hält die gesetzliche Regelung für verfassungsgemäß. Denn die vom SG angeführte Planwidrigkeit des Gesetzes liegt bereits objektiv nicht vor.

Das ALG gewährleistet für die Alterssicherung der Landwirte nur eine Teilabsicherung, neben der auch in der gesetzlichen Rentenversicherung oder anderweitig Anwartschaften oder Vermögen zum Zwecke der Alterssicherung aufgebaut werden können und sollen. Dies ergibt sich aus den Regelungen über die Berechnung der Renten in § 23 ALG. Nach 40 voll bewerteten Beitragsjahren oder gleichgestellten Zeiten beträgt für die Zeit ab 1. Juli 1995 der Monatsbetrag der Rente wegen Alters nach dem ALG DM 854 (21,35x40x12x0,0833), wogegen zum Vergleich 40 durchschnittlich bewertete Beitragsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 1. Juli 1995 zu einer Rente wegen Alters mit einem monatlichen Zahlbetrag von DM 1.849 (40x46,23) führen (§ 4 Abs 1 und § 1 Abs 1 RAV 1995 vom 1. Juni 1995, BGBl I 772). Auf dieses abgesenkte Leistungsniveau sind auch die Regelungen zur Ermittlung des Einheitsbeitrages für die allein beitragspflichtigen Landwirte (vgl § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 ALG) zugeschnitten. Im Ergebnis führt § 68 Satz 1 ALG dazu, daß ein Beitrag in Höhe von 80 vH des Beitrags erhoben wird, der in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für eine vergleichbare Leistung zu zahlen wäre, wobei durch den Abschlag lediglich berücksichtigt wird, daß das ALG ein geringeres Leistungsspektrum aufweist als die gesetzliche Rentenversicherung (BT-Drucks 12/7599 S 12 zu § 68 des Entw). Der einheitliche Pflichtbeitrag (1995 DM 291 monatlich, § 114 Abs 1 ALG) dient deshalb zum Erwerb einer Teilversorgung von weniger als der Hälfte einer durchschnittlichen Rente in der gesetzlichen Rentenversicherung. Konsequent sah deshalb der ursprüngliche Gesetzentwurf des ASRG 1995 in § 2 Abs 1 Nr 1 die Versicherungsfreiheit erst dann vor, wenn ohne das Arbeitseinkommen aus der Land- und Forstwirtschaft das Arbeits- sowie das Erwerbsersatzeinkommen 80 vom Hundert der Bezugsgröße (das wären 1995 in den alten Bundesländern DM 3.248 monatlich) überschreitet, denn mit diesem Einkommen ist eine anderweitige ausreichende Absicherung gewährleistet (vgl BT-Drucks 12/5700 S 9, 64). Auf die Einführung einer Versicherungspflichtgrenze wurde im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zwar verzichtet (BT-Drucks 12/7599 S 8 zu § 2 ≪Versicherungsfreiheit≫), und es verblieb allein bei der fakultativen Befreiungsmöglichkeit nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG. Bei dem hier normierten Grenzwert kann aber entgegen der Auffassung des SG nicht angenommen werden, daß eine ausreichende anderweitige Absicherung im System der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt. Mit Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen von etwa einem Siebtel der Bezugsgröße (1995 DM 580 in den alten Bundesländern) wird eine gleichwertige Alterssicherung auch nicht annähernd erreicht, weder auf dem Leistungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung noch wenigstens dem aufgezeigten des ALG.

Da es – wie oben ausgeführt – also dem Zweck des ALG nicht widerspricht, neben der Absicherung nach dem ALG eine zweite Anwartschaft in der Rentenversicherung aufzubauen, ist es dementsprechend systemkonform, bei Landwirten, deren Verdienst sich im Grenzbereich bewegt, die unbedingte Versicherungspflicht ohne Befreiungsmöglichkeit (und im Regelfall, der immer im Auge behalten werden muß, auch die Beitragssubvention) jedenfalls dann eingreifen zu lassen, wenn infolge des Bezugs von Erwerbsersatzeinkommen die Anwartschaften in der Rentenversicherung auf noch geringerem Niveau aufrechterhalten werden. Denn auch die Rentenversicherungsbeiträge werden, was das SG nicht berücksichtigt hat, beim Bezug der in § 3 Abs 4 Nr 2 ALG aufgeführten Lohnersatzleistungen nur in abgesenkter Höhe entrichtet (in der Regel 80 vH des der Lohnersatzleistung zugrundeliegenden Bemessungsentgelts, vgl § 166 Satz 1 Nr 2 SGB VI).

Bei dem normierten Grenzwert für die Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag handelt es sich also nur um ein Angebot des Gesetzgebers, einer möglichen doppelten Beitragslast zur gesetzlichen Alterssicherung zu entgehen, sobald das aktuell zur Verfügung stehende Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen den für alle Einkommensarten einheitlichen Grenzwert überschreitet. Dieser Grenzwert knüpft gerade nicht an eine bestehende anderweitige gleichwertige Sicherung oder die Zugehörigkeit zu einem anderen Sicherungssystem an.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß die einheitliche Entgelt-Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV speziell bei den Erwerbsersatzeinkommen eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gegriffene Größe darstellt. Mit deren Anwendung erfolgt weder eine Ausgrenzung aus dem System des ALG noch eine Zuordnung zum System der gesetzlichen Rentenversicherung, ungeachtet der Tatsache, daß in Einzelfällen wie hier weiterhin Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt werden. § 3 Abs 1 Nr 1 ALG schließt in der überwiegenden Zahl der Fallgestaltungen nicht an das Bestehen einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung an. Normiert sind vier Befreiungstatbestände (Bezug von Arbeitsentgelt, Bezug von Arbeitseinkommen, Bezug von vergleichbarem Einkommen und Bezug von Erwerbsersatzeinkommen). Nur der erste Befreiungstatbestand stimmt zwingend mit der Rentenversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung überein, weil auch die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV iVm § 5 Abs 2 Nr 1 SGB VI bei einem Siebtel der monatlichen Bezugsgröße liegt. Dieser vereinzelte Zusammenhang ist aber gesetzessystematisch die Ausnahme und nicht die Regel. Für die übrigen Befreiungstatbestände des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG ist die Geringfügigkeitsgrenze des SGB IV nur ein gegriffener, dynamisierungsfähiger Nominalbetrag. Arbeitseinkommen eines Selbständigen führt in der Regel nicht zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Für vergleichbares Einkommen (zB Provisionen) gilt dies ebenfalls. Aus der allgemeinen Definition der Erwerbsersatzeinkommen in § 3 Abs 4 Satz 1 ALG läßt sich kein Bezug zur Rentenversicherung ableiten. Die Beispielsfälle des § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 1 ALG (Renten und Versorgungsbezüge) führen nicht zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Und selbst die Beispielsfälle des § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG, die mit der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung einhergehen, sind bei „vergleichbaren Leistungen” in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei, sobald diese zB von einem Träger der Sozialhilfe erbracht werden. Ganz fern einer Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sind schließlich Erwerbsersatzeinkommen, die von einer Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden, oder Renten der betrieblichen oder überbetrieblichen Altersversorgung (§ 3 Abs 4 Satz 3 ALG).

Zu beachten ist schließlich, daß das ALG auch den Zweck hat, zusätzlich zu den Lasten, die der Bund bisher schon für das agrarsoziale Sicherungssystem getragen hat, durch die Umschichtung von Bundesmitteln in Form von Beitragszuschüssen und die Zunahme der Zahl der Beitragszahler zur Stabilisierung der Alterssicherung der Landwirte beizutragen (so Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines ASRG 1995, BT-Drucks 12/5889, S 2 B. Finanzierung). Den Zuschuß gemäß den §§ 32 ff ALG, der bis zu einem jährlichen Einkommen von DM 16.000 80 vH des Beitrags beträgt und um jeweils 3,2 vH der Beiträge für je DM 1.000, um die das jährliche Einkommen DM 15.001 übersteigt, gemindert wird (§ 33 Abs 1 Sätze 1 und 2 ALG), erhalten versicherungspflichtige Landwirte bis zu einem jährlichen Einkommen von DM 40.000 (§ 32 Abs 1 ALG). Auch diese Regelungen knüpfen bei der Feststellung des anrechenbaren Einkommens im Interesse der Versicherten – wenngleich nicht für die aktuellen Zeiträume (was aber verwaltungstechnische Gründe hat) – prinzipiell an das Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen an. Das ist im Hinblick auf das Subventionsziel nur dann sinnvoll, wenn das verfügbare Einkommen zugrunde gelegt wird. Wäre entsprechend der Rechtsauffassung des SG auch hier beim Bezug typischer Lohnersatzleistungen das der Bemessung des Erwerbsersatzeinkommens zugrundeliegende Einkommen maßgeblich, würde das Subventionsziel verfehlt und viele Landwirte würden keinen oder nur einen geringen Beitragszuschuß erhalten. Im Hinblick darauf, daß das Gesetz in § 3 Abs 4 ALG den Begriff Erwerbsersatzeinkommen definiert und ihn in den §§ 32 ff ALG nicht erneut mit anderem Inhalt erläutert, ist hier davon auszugehen, daß der Begriff im ALG inhaltsgleich verwendet wird.

Indes wird bei der erforderlichen Gesamtschau der Regelungen des ALG über die Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag und der Regelungen über den Beitragszuschuß deutlich, daß nur diejenigen die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragen werden, die keinen oder nur einen geringen Beitragszuschuß zu erwarten haben. Dieser Personenkreis ist mit Beiträgen belastet, deren Wert nicht besser aber auch nicht schlechter ist als der Wert der Beiträge der Pflichtversicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Erhalt eines möglichst großen Kreises auch nicht subventionierter Beitragszahler ist aber ebenfalls ein legitimes Ziel des Gesetzgebers (s auch die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines ASRG 1995, aaO). Ein weiteres Absenken der ohnehin bereits niedrig festgelegten Grenzwerte für die Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag birgt die Gefahr, daß die Beitragsbasis wegbricht und damit das Gesamtsystem der Alterssicherung der Landwirte in Frage gestellt ist.

Die Regelung des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG ist auch verfassungsgemäß. Daß zur Überschreitung des Grenzbetrags nur DM 0,21 fehlten, ist unerheblich. Die mit der Einführung von Grenzwerten im Einzelfall immer auftretenden Härten müssen im Interesse der Verwaltungspraktikabilität hingenommen werden (vgl BVerfGE 84, 348, 359 f mwN). Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Landwirten, die als Pflichtmitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung die Befreiung beantragen können, weil ihr Arbeitseinkommen ein Siebtel der Bezugsgröße überschreitet, ist deshalb nicht erkennbar. Die Gruppe der Bezieher von Arbeitseinkommen ist eine andere als die, wie dargelegt, sehr differenzierte Gruppe der Bezieher von Erwerbsersatzeinkommen. Aber auch mit Blick auf die Gruppe der Bezieher typischer rentenversicherungspflichtiger Lohnersatzleistungen, wie dem Unterhaltsgeld im vorliegenden Falle, liegt keine Ungleichbehandlung vor. Das Differenzierungskriterium des Gesetzes – das effektiv zur Verfügung stehende Einkommen – ist sachgerecht und führt zu keinem Wertungswiderspruch.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 542691

SGb 1999, 353

SozSi 1999, 263

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