Beteiligte

Bundesanstalt für Arbeit

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 29. Juli 1998 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit der Leistungszeitraum ab 1. Januar 1997 betroffen ist. Soweit das Landessozialgericht den Bescheid vom 11. September 1995 abgeändert hat, wird das Urteil aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 13. Februar 1997 zurückgewiesen.

 

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Anschluß-Arbeitslosenhilfe (Alhi) der Klägerin für Bezugszeiten ab 1. Januar 1997 streitig.

Die im Jahre 1948 geborene, unverheiratete Klägerin war vom 1. September 1992 bis 31. Dezember 1993 als Bezirksleiterin bei der N V AG (N. AG) tätig und mit der Werbung und Betreuung von Sammelbestellern befaßt. Zum 1. Januar 1994 meldete sie sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg).

In den Monaten Oktober bis Dezember 1993 erzielte die Klägerin ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 9.501,68 DM bei 519 Arbeitsstunden. Der monatliche „Regellohn” betrug 2.676,00 DM. Daneben wurden jeweils monatliche Prämien in bestimmter Höhe ausbezahlt. Mit Bescheid vom 25. Februar 1994 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg ab 1. Januar 1994 in Höhe von 280,20 DM wöchentlich nach einem Bemessungsentgelt von 730,00 DM (Leistungsgruppe A). Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie machte geltend, sie habe ausweislich ihrer Verdienstbescheinigungen im Monat Dezember 1993 von ihrem Arbeitgeber zusätzlich einen umsatzbezogenen Prämienmehrbetrag für eine vorangegangene Katalogperiode in Höhe von insgesamt 9.315,70 DM erzielt. Dieser Prämienmehrbetrag setzte sich aus einer Sammelbesteller-(SB-)Neukundenprämie (225,70 DM), einer SB-Umsatzsteigerungsprämie (6.000,00 DM), einer jahresbezogenen SB-Neukundenprämie (3.000,00 DM) sowie einer SB-Folgekundenprämie (90,00 DM) zusammen. Die N. AG hatte hierzu erklärt, es habe sich um „Leistungsprämien gehandelt, die kein Einmalbezug seien”. Den Widerspruch wies die Beklagte durch bestandskräftigen Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 1994 zurück. Nach einer Beschäftigung in der Zeit vom 21. September 1994 bis 4. November 1994 meldete sich die Klägerin am 22. November 1994 erneut arbeitslos und beantragte die Wiederbewilligung von Alg. Die Beklagte bewilligte der Klägerin durch Bescheid vom 8. Dezember 1994 ab 22. November 1994 Alg für die Restanspruchsdauer von 242 Tagen in Höhe von 280,20 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt 730,00 DM). Den Widerspruch hiergegen wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 1995 zurück. Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Schwerin.

In der Folgezeit ergingen hinsichtlich des Alg-Anspruchs der Klägerin weitere Bescheide vom 12. Januar 1995, 13. Januar 1995 (Dynamisierung des Bemessungsentgelts auf 750,00 DM), 20. Februar 1995 und 9. März 1995. Nach Erschöpfung des Alg-Anspruchs beantragte die Klägerin Anschluß-Alhi, die die Beklagte ab 31. August 1995 unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 750,00 DM bewilligte (Bescheid vom 11. September 1995). Im folgenden erließ die Beklagte zur Regelung des Alhi-Anspruchs Bescheide vom 10. Januar 1996, 11. Januar 1996, 10. Juli 1996, 3. Januar 1997, 9. Juli 1997 und 23. Januar 1998.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. Februar 1997). Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern das Urteil des SG abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im übrigen die Beklagte verurteilt, unter Abänderung ihrer Bescheide vom 11. September 1995, 3. Januar 1997, 9. Juli 1997 und 23. Januar 1998 der Klägerin ab 1. Januar 1997 Alhi „nach der Berechnungsweise des § 132 Abs 1 SGB III, jedoch unter Nichtanwendung des § 134 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III”, zu gewähren. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Prämienmehrbetrag von 9.315,70 DM stelle eine „wiederkehrende Zuwendung” iS des § 112 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) dar, die bei der Bemessung der Alhi außer Betracht bleibe; es habe sich um „aufgestautes Arbeitsentgelt” gehandelt, weil erst nach dem Ende der jeweiligen Katalogperiode ermittelt worden sei, ob die Umsatzbeträge über den Zielvorgaben gelegen hätten. Der Prämienmehrbetrag sei für die Arbeit in mehreren Lohnabrechnungszeiträumen in einer Summe zur Auszahlung gekommen, ohne daß eine Zuordnung zu einzelnen Monaten möglich gewesen sei. Der Prämienmehrbetrag sei folglich weder bei der Berechnung des Alg noch bei der Bemessung der Anschluß-Alhi zu berücksichtigen gewesen. Allerdings könne aufgrund des in Gesetzeskraft erwachsenen Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Januar 1995 (BVerfGE 92, 53) § 112 Abs 1 Satz 2 AFG nur bis 31. Dezember 1996 angewandt werden. Nach diesem Zeitpunkt dürften einmalige und wiederkehrende Zuwendungen bei der Bemessung des Alg nicht mehr außer Betracht bleiben. Die weitergeltende Regelung des § 112 Abs 1 AFG sei daher verfassungskonform so auszulegen, daß jedenfalls ab 1. Januar 1997 die Anschluß-Alhi „beitragsäquivalent unter Einbeziehung … des Prämienmehrbetrags” zu bemessen sei. Hierbei könne auf die klaren Formulierungen der §§ 129, 130 Abs 1 und § 132 Abs 1 SGB III zurückgegriffen werden. Allerdings finde wiederum die Ausschlußregelung des § 134 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III im Rahmen dieser verfassungskonformen Auslegung des § 112 Abs 1 AFG keine Anwendung.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 136 Abs 1, Abs 2 Satz 1 Nr 1 1. Alternative AFG iVm § 112 Abs 1 Satz 2 AFG, des § 134 Abs 4 Satz 1 AFG iVm § 112a Abs 1 und 2 AFG, des § 242v Abs 1 Satz 1 AFG, des § 136 Abs 2b AFG sowie der §§ 426 Abs 2, 200 Abs 1 Satz 1 und 201 SGB III. Das LSG habe nicht berücksichtigt, daß § 112 Abs 1 Satz 2 AFG iVm § 136 Abs 2 Satz 1 AFG für die Berechnung des Bemessungsentgelts auf den Beginn des Bezugs von Alhi im Anschluß an den Bezug von Alg abstelle. Der Beginn des Bezugs von Alhi liege im vorliegenden Fall aber vor dem 1. Januar 1997. Das dem Alg zugrundeliegende Bemessungsentgelt sei auch nach Ansicht des LSG für den Rechtsanwender bindend festgestellt gewesen. Eine verfassungskonforme Auslegung der genannten Rechtsvorschriften, wie sie das LSG vorgenommen habe, komme bei dieser Sachlage nicht in Betracht. § 112 Abs 1 Satz 2 AFG sei überhaupt nicht Gegenstand der Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 1995 (aaO) gewesen. Die in dieser Entscheidung eingeräumte Übergangsfrist bis 31. Dezember 1996 sei vielmehr hinzunehmen. Die Rechtsvorschriften des SGB III könnten auch nicht rückwirkend auf einen Sachverhalt angewandt werden, der bereits vor dem 1. Januar 1997 eingetreten sei. Schließlich sei auch nicht nachvollziehbar, wieso das LSG die Neuregelung des § 134 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III für nicht anwendbar erklärt habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 29. Juli 1998 aufzuheben, soweit der Leistungszeitraum ab 1. Januar 1997 betroffen ist, und insoweit die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Schwerin vom 13. Februar 1997 zurückzuweisen, sowie die Klage gegen die Bescheide vom 9. Juli 1997 und 23. Januar 1998 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung. Da der Gesetzgeber für sog Altfälle, bei denen die Leistungsansprüche vor dem 1. Januar 1997 entstanden seien, keine Übergangsregelung getroffen habe, sei eine verfassungskonforme Auslegung durch das LSG notwendig geworden. Die Beklagte könne sich über den 31. Dezember 1996 hinaus für die Berechnung der Höhe der Sozialleistungen nicht auf verfassungswidrige Normen berufen.

II

Das Urteil des LSG, das für Bezugszeiten bis 31. Dezember 1996 rechtskräftig ist, war aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, soweit es Alhi für Bezugszeiten ab 1. Januar 1997 betrifft. Das Urteil des LSG beruht für diesen hier noch streitigen Zeitraum auf einer Rechtsverletzung. Der Prämienmehrbetrag darf nämlich bei der Leistungsbemessung auch nicht ab 1. Januar 1997 zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden. Es fehlen jedoch ausreichende Feststellungen des LSG, die die Prüfung zulassen, ob der Klägerin aus anderen Gründen höhere Alhi zusteht (§ 170 Abs 2 Satz 2 iVm Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die den Bezug und die Höhe der Anschluß-Alhi ab 1. Januar 1997 regelnden Bescheide der Beklagten vom 3. Januar 1997, 9. Juli 1997 und 23. Januar 1998 (nicht hingegen die vor oder nach Erlaß des Berufungsurteils ergangenen weiteren Bescheide, die das LSG jedoch bei seiner erneuten Entscheidung mit einzubeziehen haben wird). Ebenfalls war Gegenstand des Revisionsverfahrens der Bescheid vom 11. September 1995, über den das LSG – wenn auch zu Unrecht – entschieden hat. Eine Aufhebung dieses Bescheides war hinsichtlich der Bewilligung einer höheren Alhi ab 1. Januar 1997 fehlerhaft, weil er lediglich eine Regelung für den Bezugszeitraum bis zum 31. Dezember 1996 getroffen hat. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits entschieden, daß bei der – hier durch den Bescheid vom 3. Januar 1997 bewilligten – Fortzahlung der Alhi nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums gemäß § 139a Abs 2 AFG eine Überprüfung aller Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach ohne jegliche Bindung an frühere Bescheide erforderlich wird (vgl zuletzt Urteil vom 16. September 1999 - B 7 AL 22/98 R –, zur Veröffentlichung vorgesehen, S 11 des Umdrucks, sowie BSG SozR 3-4100 § 136 Nr 3 S 5 ff und BSGE 82, 198, 211 = SozR 3-4100 § 136 Nr 8), so daß auch hinsichtlich des von der Beklagten in dem Bescheid vom 11. September 1995 zugrunde gelegten Bemessungsentgelts – entgegen der Rechtsansicht der Beklagten – keine Bindungswirkung für Zeiträume ab dem 1. Januar 1997 ausgehen konnte.

Vorliegend ist über eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und Abs 4 SGG) zu entscheiden. Dies bedeutet, daß nicht nur über einzelne Berechnungselemente (Einbeziehung des für den Monat Dezember gezahlten Prämienmehrbetrags in den Lohnfaktor des Bemessungsentgelts) zu entscheiden ist, sondern der der Klägerin zustehende Alhi-Zahlbetrag nach mehreren Kriterien zu ermitteln ist: nach dem Bemessungsentgelt (Arbeitsentgelt) iS des § 136 Abs 2 AFG (hier idF, die § 136 durch das Beschäftigungsförderungsgesetz 1994 vom 26. Juli 1994 - BGBl I 1786 – erhalten hat), wobei hierzu wiederum ua der Bemessungszeitraum gemäß § 112 Abs 2 Satz 1 AFG zu bestimmen ist, nach der Leistungsgruppe (§§ 136 Abs 3 Satz 2, 111 Abs 2 AFG), nach der Nettolohnersatzquote (§ 136 Abs 1 AFG) und nach dem zu berücksichtigenden Einkommen – § 138 Abs 2 AFG – (hier idF, die § 138 durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms ≪1. SKWPG≫ vom 21. Dezember 1993 - BGBl I 2353 – erhalten hat). Das Urteil des LSG enthält indes ausschließlich Ausführungen und tatsächliche Feststellungen zur Beurteilung des Rechtscharakters des von der Klägerin erhaltenen Prämienmehrbetrags. Der Höhenstreit im sozialgerichtlichen Verfahren ist aber grundsätzlich keiner gesonderten Entscheidung über einzelne Berechnungselemente zugänglich, wie sie § 113 Abs 2 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren eröffnet (BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 10 S 54). Hinzu kommt hier, daß bereits hinsichtlich des Bestehens des Anspruchs dem Grunde nach aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG rechtlich nicht nachvollzogen werden kann, ob die Klägerin bei der N. AG überhaupt beitragspflichtig beschäftigt war (§§ 101, 104 AFG). Hierzu wird ggf noch festzustellen sein, inwiefern die das Beschäftigungsverhältnis prägende persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten, die sich in der faktischen Verfügungsgewalt (Direktionsrecht) des Arbeitgebers und der Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb ausdrückt, vorgelegen hat (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 101 Nr 9 mwN).

Entgegen der Rechtsansicht des LSG bleibt der Prämienmehrbetrag als (einmalige oder wiederkehrende) Zuwendung iS von § 112 Abs 1 Satz 2 AFG (idF, die die Vorschrift durch das Achte Gesetz zur Änderung des AFG ≪8. AFGÄndG≫ vom 14. Dezember 1987 - BGBl I 2602 – erhalten hat) bei der Bemessung der Alhi der Klägerin auch für die Zeit ab 1. Januar 1997 außer Betracht. Insoweit bleibt die Auslegung, die die genannte Vorschrift in der bisherigen Rechtsprechung des Senats gefunden hat, auch für den vorliegenden Leistungsfall ab 1. Januar 1997 maßgeblich. Daran hat die Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 1995 (BVerfGE 92, 53) nichts geändert.

Das für die Leistungsbemessung maßgebliche Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) ist im Falle der Anschluß-Alhi nach § 136 Abs 2 Satz 1 Nr 1 AFG das Arbeitsentgelt, nach dem sich zuletzt das Alg gerichtet hat oder ohne die Vorschrift des § 112 Abs 8 AFG gerichtet hätte. Anhaltspunkte dafür, daß abweichend hiervon die Alhi im streitigen Zeitraum nach § 136 Abs 2 Satz 2 AFG hätte fiktiv bemessen werden müssen, bestehen nicht. Der Bemessung des zuletzt vor dem Alhi-Bezug bewilligten Alg liegt im vorliegenden Fall das im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielte Arbeitsentgelt nach § 111 Abs 1 AFG iVm § 112 Abs 1 AFG (idF, die die §§ 111, 112 durch das 1. SKWPG vom 21. Dezember 1993 - BGBl I 2353 erhalten haben) zugrunde. Der Bemessungszeitraum umfaßte im Falle der Klägerin, die am 31. Dezember 1993 bei der N. AG ausgeschieden ist, die zu diesem Zeitpunkt abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten drei Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen der Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt hat (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG idF des 8. AFGÄndG iVm §§ 242q Abs 7 idF des 1. SKWPG). Nach § 112 Abs 1 Satz 2 AFG bleiben bei der Ermittlung des Arbeitsentgelts Mehrarbeitszuschläge, Arbeitsentgelte, die der Arbeitslose wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erhält, sowie einmalige und wiederkehrende Zuwendungen außer Betracht. Dies gilt nach § 112 Abs 1 Satz 2 2. Halbsatz AFG auch für Zuwendungen, die anteilig gezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Fälligkeitstermin endet.

Nach der Rechtsprechung des Senats sind unter (einmaligen oder wiederkehrenden) Zuwendungen iS des § 112 Abs 1 Satz 2 AFG – im Unterschied zum fortlaufend gezahlten Arbeitsentgelt – Lohnbestandteile zu verstehen, die als Gegenleistung für die Arbeit in mehreren Lohnabrechnungszeiträumen in einer Summe gezahlt werden, so daß der Entgeltbestandteil nicht in jedem Lohnabrechnungszeitraum, in dem er erarbeitet wurde, auch zur Verfügung steht (Urteil vom 25. Januar 1994 - 7 RAr 26/93 –, DBlR Nr 4101 zu § 112; Urteil vom 26. November 1992 - 7 RAr 28/92 –, DBlR Nr 3997 zu § 112; Urteil vom 15. Februar 1990, SozR 3-4100 § 112 Nr 1; Urteil vom 22. März 1989 - 7 RAr 104/87 –, DBlR Nr 3517 zu § 112; Urteil vom 15. Mai 1985, SozR 4100 § 112 Nr 25). Diese Rechtsprechung stellt allein auf die Zahlungsweise ab. Zuwendung meint also das für mehrere Abrechnungszeiträume einmalig (in einer Summe) gezahlte Entgelt. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob diese Lohnbestandteile dem Arbeitnehmer „anteilig zustehen” bzw bestimmten Lohnabrechnungszeiträumen zuzuordnen sind; denn das Gesetz hat als Zuwendung auch solche Lohnbestandteile bezeichnet, die anteilig gezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Fälligkeitstermin endet (vgl § 112 Abs 1 Satz 2 2. Halbsatz AFG; BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 11, S 39).

Der Prämienmehrbetrag, der der Klägerin in einer Summe für jeweils die gesamte Katalogperiode zugeflossen ist – wobei den Feststellungen des LSG nicht eindeutig entnommen werden kann, ob die Katalogperiode sechs oder drei Monate umfaßte –, kann daher weder bei der Bemessung des Alg, noch ab 1. Januar 1997 bei der Bemessung des Alhi Berücksichtigung finden.

Diese Auslegung folgt insbesondere aus der Entstehungsgeschichte des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG (idF des am 1. Januar 1982 in Kraft getretenen Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung ≪AFKG≫ vom 22. November 1981 - BGBl I 1497), der in Abweichung von früheren Fassungen dieser Regelung die Berücksichtigung von einmaligen und wiederkehrenden Zuwendungen gänzlich ausschließen wollte, und zwar unmißverständlich auch hinsichtlich derjenigen Zuwendungen, die bei vorzeitigem Ausscheiden einen Anspruch auf anteilige Auszahlung begründeten. Dies lag in der Absicht des Gesetzgebers, der in den Motiven zu § 112 Abs 2 Satz 3 AFG ausdrücklich betont hat, daß „aufgelaufenes Arbeitsentgelt” bei der Bemessung des Alg nicht mehr zu berücksichtigen sei, weil der Bemessung des Alg nunmehr – ebenso wie der Bemessung des Kurzarbeitergeldes und des Schlechtwettergeldes (§§ 68 Abs 3, 86 AFG idF des AFKG) – nur noch dasjenige laufende Arbeitsentgelt zugrunde gelegt werden soll, mit dem der Arbeitnehmer bei jeder Lohnabrechnung rechnen kann (BT-Drucks 9/966, S 79 und grundlegend hierzu BSG, SozR 4100 § 112 Nr 25, S 116 f; BSG, Urteil vom 22. März 1989 - 7 RAr 104/87 –, DBlR Nr 3517 zu § 112 AFG; BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 1, S 5). Durch das am 1. Januar 1988 in Kraft getretene 8. AFGÄndG wurde die Regelung mit geringfügigen Änderungen des Wortlauts in § 112 Abs 1 AFG übernommen, ohne daß hinsichtlich des Begriffs der Zuwendung eine Änderung beabsichtigt gewesen wäre (vgl BT-Drucks 11/800 zu Nr 29 und BT-Drucks 11/1160 und 1161 zu Nr 29; vgl dazu auch BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 11 S 40).

Der vorgenannten Auslegung widerspricht es nicht, daß der für die Beitragsangelegenheiten zuständige 12. Senat und der für das Krankenversicherungsrecht zuständige 1. Senat des BSG den Terminus „einmalig gezahltes Arbeitsentgelt”, wie er seit Inkrafttreten des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 (vom 22. Dezember 1983 - BGBl I 1532) in § 385 Abs 1a Reichsversicherungsordnung (RVO) aF bzw seit 1. Januar 1989 in § 227 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) aF verwandt wurde, anders ausgelegt haben. Danach ist nicht die Zahlungsweise bzw der Zahlungszeitpunkt entscheidend, sondern es kommt darauf an, ob das gezahlte Entgelt bzw Teile dieses Entgelts Vergütung für die in einem einzelnen, dh einem bestimmten Abrechnungszeitraum geleistete Arbeit ist oder ob eine solche Beziehung zu einem bestimmten einzelnen Abrechnungszeitraum nicht besteht (insbesondere BSGE 66, 34, 42 = SozR 2200 § 385 Nr 22; BSG SozR 3-2500 § 47 Nr 5; ähnliche – nicht tragende – Überlegungen stellte auch der 11. Senat des BSG in einem Urteil vom 9. Februar 1994 - 11 RAr 43/93 –, DBlR Nr 4102 zu § 112 AFG an). Zwar haben der 7. und 11. Senat des BSG, die von inhaltlich übereinstimmenden Begriffen ausgegangen sind, wohl übersehen, daß der Begriff des „einmalig gezahlten Arbeitsentgelts” in der beitragsrechtlichen Rechtsprechung des BSG anders ausgelegt wurde als der Begriff der „Zuwendung” in § 112 AFG., Wenn sie damit von einem vermeintlich einheitlichen Begriffsverständnis ausgegangen sind (so BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 11, S 40 f; vgl auch Urteil des Senats vom 26. November 1992 - 7 RAr 28/92 –, DBlR Nr 3997 zu § 112 AFG), so bedeutet dies jedoch nicht, daß es sich insoweit um eine Abweichung von der Rechtsprechung der genannten Senate handelt (§ 41 Abs 2 SGG). Im Arbeitsförderungsrecht jedenfalls sollte der Begriff der „einmaligen und wiederkehrenden Zuwendung” nach der Gesetzesentwicklung ausschließlich nach dem Zahlungsmodus bestimmt werden. Dies entsprach dem Willen des Gesetzgebers und ist einerseits vor dem Hintergrund der nach damaliger Rechtslage kurzen Bemessungszeiträume (bis Ende 1993 drei Monate) und andererseits des damals geltenden strengen Zuflußprinzips zu sehen, wonach Arbeitsentgelt bei der Leistungsbemessung nur zu berücksichtigen war, wenn es im Bemessungszeitraum, spätestens bis zum Ausscheiden, tatsächlich zugeflossen, dh in der Regel auch ausgezahlt worden war (zur strengen Zuflußtheorie und deren Modifizierung vgl BSGE 76, 162, 164 ff = SozR 3-4100 § 112 Nr 22 und BSGE 76, 156 ff = SozR 3-4100 § 249e Nr 7). Bei kurzen Bemessungszeiträumen ergab sich hinsichtlich der Leistungsbemessung stets das Problem, wie Sonderzahlungen dem jeweils maßgebenden Bemessungszeitraum zuzuordnen waren. Unter Geltung der strengen Zuflußtheorie hätten Sonderzahlungen überhaupt nicht berücksichtigt werden dürfen, wenn sie erst später ausgezahlt wurden; wurden sie jedoch rechtzeitig ausgezahlt, hätten sie nach Maßgabe der vorgenannten Theorie an sich in vollem Umfang berücksichtigt werden müssen. Um damit verbundene Zufälligkeiten und Manipulationsmöglichkeiten zu vermeiden, hätte eine Quotelung der Sonderzahlungen und ihre anteilige Zuordnung zu den Lohnabrechnungszeiträumen des Bemessungszeitraums nahegelegen. Eine derartige Quotelung, wie sie bis zum Inkrafttreten des AFKG unter den Voraussetzungen des § 112 Abs 2 Satz 3 und 4 AFG (idF des SGB X vom 18. August 1980 - BGBl I 1489) vorgesehen war (Berücksichtigung von mindestens jährlich wiederkehrenden Zuwendungen, soweit sie bei vorzeitiger Beendigung anteilig gezahlt wurden), wollte der Gesetzgeber des AFKG gerade auch im Hinblick auf die bei kurzen Bemessungszeiträumen auftretenden Schwierigkeiten gänzlich beseitigen und nur noch das laufend ausgezahlte Arbeitsentgelt berücksichtigen. An der hierauf beruhenden Auslegung, die allein auf die Zahlungsweise abstellt, ist deshalb jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden festzuhalten, in denen der Berechnung des Alg ein dreimonatiger (oder kürzerer) Bemessungszeitraum zugrunde liegt und bei denen es für Bezugszeiten ab 1. Januar 1997 ohnehin nur um Alhi gehen kann. Denn für diese Fälle beansprucht die bisherige Auslegung des § 112 Abs 1 Satz 2 AFG ohne Einschränkung weiterhin Gültigkeit.

Der Senat läßt hierbei ausdrücklich offen, ob für Alhi- oder gar Alg-Leistungsfälle, die auf einem sechsmonatigen Bemessungszeitraum (ab 1. Januar 1994; vgl § 112 Abs 2 Satz 1 AFG idF des 1. SKWPG vom 21. Dezember 1993 - BGBl I 2353) oder auf einem 52wöchigen Bemessungszeitraum (ab 1. Januar 1998; vgl § 130 Abs 1 SGB III idF des AFG-Reformgesetzes ≪AFRG≫ vom 24. März 1997 - BGBl I 594) beruhen, eine andere Auslegung geboten wäre. Eine solche Änderung der Rechtsprechung könnte insbesondere für die Zeit ab 1. Januar 1998 naheliegen, weil bei einem Bemessungszeitraum von nunmehr 52 Wochen nicht mehr – wie unter Geltung des AFG und insbesondere bei kürzeren Bemessungszeiträumen als sechs Monaten – davon ausgegangen werden kann, daß Sonderzahlungen die Höhe der Leistung in zufälliger Weise beeinflussen können und insoweit gezielten Manipulationen seitens der Versicherten und der Arbeitgeber vorgebeugt werden muß (vgl hierzu BSGE 76, 162 = SozR 3-4100 § 112 Nr 22, S 96).

An der Maßgeblichkeit der vorgenannten Auslegung des § 112 Abs 1 Satz 2 AFG hat sich im vorliegenden Fall auch nichts durch die Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 1995 (BVerfGE 92, 53) geändert. Entgegen der Rechtsansicht des LSG kann aus dem Beschluß des BVerfG (aaO) nicht abgeleitet werden, daß für Zeiträume ab 1. Januar 1997 die der Klägerin bewilligte Anschluß-Alhi nach anderen Grundsätzen neu festzustellen bzw zu berechnen wäre. Insofern kann hier auch dahinstehen, ob das LSG überhaupt eine „verfassungskonforme Auslegung” vorgenommen hat und ob nicht – von seinem Rechtsstandpunkt aus – eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Grundgesetz (GG) geboten gewesen wäre.

Das BVerfG hat zwar am 11. Januar 1995 (aaO) ausgesprochen, daß es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) unvereinbar ist, einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu Sozialversicherungsbeiträgen heranzuziehen, ohne daß es bei der Berechnung von kurzfristigen Lohnersatzleistungen (beispielsweise Alg, Krankengeld und Übergangsgeld) berücksichtigt wird. Dem Gesetzgeber ist aufgegeben worden, diese Ungleichbehandlung bzw „Äquivalenzabweichung” entweder auf der Beitrags- oder auf der Leistungsseite zu korrigieren bzw zu beseitigen (BVerfGE 92, 53, 73). Bis zum Tätigwerden des Gesetzgebers hat es das BVerfG aber aus Gründen der „Rechtssicherheit” für notwendig erachtet, die verfassungswidrigen Vorschriften für eine Übergangszeit fortbestehen zu lassen. Bis längstens 31. Dezember 1996 konnten daher die beitragsrechtlichen Vorschriften des § 227 SGB V, der auch im Beitragsrecht des AFG entsprechend galt (§ 175 Abs 1 Satz 2 AFG aF), und § 164 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) „als Grundlage für die Heranziehung von Einmalzahlungen zu Sozialversicherungsbeiträgen … dienen” (BVerfGE 92, 53, 74).

Ob die Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 1995 für ab dem 1. Januar 1997 eingetretene erste Leistungsfälle (Alg oder Alhi), die auf einem davor eingetretenen Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit beruhen, zu einer Verfassungswidrigkeit des § 112 Abs 1 Satz 2 AFG geführt hat, kann offenbleiben. Jedenfalls kann dieser Entscheidung nicht entnommen werden, daß auch die Anschluß-Alhi der zu diesem Zeitpunkt bereits seit drei Jahren im Leistungsbezug stehenden Klägerin entsprechend neu festzustellen wäre.

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß es sich bei der Alhi um eine Sozialleistung handelt, die nur bei Bedürftigkeit des Leistungsempfängers gewährt und aus Steuermitteln finanziert wird. Deshalb kann die vom BVerfG (aaO) gerügte leistungsrechtliche Äquivalenzabweichung bei Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung (überhaupt) auf die Bezieher von Alhi nicht übertragen werden. Denn diese Leistung ist selbst nicht beitragsfinanziert, auch wenn die Höhe der Alhi – zwar mit einer abgesenkten Nettolohnersatzquote – an das (beitragspflichtige) Arbeitsentgelt anknüpft, nach dem sich zuletzt das Alg gerichtet hat (vgl § 136 Abs 2 Nr 1 AFG). Dies begründet im vorliegenden Fall schon deshalb keine andere Beurteilung, weil der Alg-Bezug vor dem 1. Januar 1997 lag und auch hinsichtlich dieser unmittelbar auf Beiträgen beruhenden Leistung Äquivalenzabweichungen bis 31. Dezember 1996 hinzunehmen sind. Deshalb kann für den daran anschließenden Alhi-Bezug, der wie das vorhergehende Alg auf dem am 1. Januar 1994 eingetretenen Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit beruht, nichts anderes gelten, auch wenn er über den 31. Dezember 1996 hinausreicht bzw Alhi ab 1. Januar 1997 wiederzubewilligen war. Hinsichtlich der ab diesem Zeitpunkt zustehenden Alhi scheitert der Gedanke einer Beitragsäquivalenz im übrigen schon daran, daß ein bestimmtes zuvor erzieltes Arbeitsentgelt, von dem Beiträge abgeführt wurden, auch gänzlich unberücksichtigt bleiben kann, etwa wenn das anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmal der Bedürftigkeit (§ 134 Abs 1 Nr 3 iVm § 137 AFG) nicht erfüllt ist. Dementsprechend hat das BSG bereits mehrfach entschieden, daß der Anspruch auf Alhi nicht unter den Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG fällt und dem Gesetzgeber hier eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zusteht (BSGE 73, 10, 17 ff = SozR 3-4100 § 118 Nr 4 mwN; zur Maßgeblichkeit des Kriteriums einer Bedürftigkeitsprüfung für die Unterschutzstellung einer Sozialleistung unter Art 14 GG vgl auch BVerfGE 4, 219, 242). Hieraus ergibt sich auch, daß bei der Alhi eine weitergehende Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein kann, als dies etwa beim Bezug von Alg der Fall wäre (hierzu BSG SozR 3-4100 § 136 Nr 6 S 31). Das BVerfG hat im übrigen in seiner Entscheidung vom 11. Januar 1995 eine Korrektur hinsichtlich der Einmalzahlungen nur beim Alg (und anderen kurzfristigen Lohnersatzleistungen) gefordert und den Anspruch auf Alhi überhaupt nicht erwähnt. Jedenfalls ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet worden, laufende Alhi-Leistungsfälle bzw Fälle der Wiederbewilligung nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes für Zeiten ab 1. Januar 1997 nach Maßgabe des dann anzuwendenden Rechts neu festzustellen. Entsprechendes kann dem Beschluß des BVerfG vom 11. Januar 1995 (aaO) nicht entnommen werden.

Das läßt sich schon daraus entnehmen, daß das BVerfG hinsichtlich der Leistungen bei Arbeitslosigkeit den Charakter der Rechtsbeziehungen zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und dem Leistungsempfänger als „Dauerschuldverhältnis” nicht thematisiert und demzufolge auch nicht Stellung genommen hat, wie Bezieher von Alhi, die den – gegenüber dem Alg abgesenkten – früheren Lebensstandard garantieren soll, künftig vom Gesetzgeber zu behandeln wären. An den hinsichtlich der Dauer befristeten Alg-Anspruch (§ 106 AFG) schließt sich – jedenfalls bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage – in vielen Fällen ein mehrjähriger Alhi-Bezug an (nach der Arbeitsstatistik 1998 – ANBA vom 27. September 1999 – standen im Jahresdurchschnitt 1998 1.439.153 Leistungsempfänger im Bezug von Anschluß-Alhi). Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 11. Januar 1995 (aaO) keinerlei Anhaltspunkte gegeben, wie der Gesetzgeber (innerhalb der ihm gesetzten Frist) auf die verfassungswidrige Rechtslage hinsichtlich bereits bestehender Leistungsfälle zu reagieren hätte. Anders etwa als in seiner Entscheidung über die Anrechnung von Ehegatteneinkommen im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung bei der Alhi (BVerfGE 87, 234, 263) hat das BVerfG keine praktischen Hinweise gegeben, ob, wie und ab welchem Zeitpunkt bereits laufende Leistungsfälle neu festzustellen bzw zu berechnen wären. Für den Fall der Nichtigerklärung einer Norm durch das BVerfG hat der Gesetzgeber die Frage der Rechtsfolgen in § 79 Abs 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz beantwortet. Im Falle der bloßen Unvereinbarerklärung (wie in BVerfGE 92, 53 geschehen; zu den Rechtsfolgen einer Unvereinbarerklärung durch das BVerfG vgl nur Schlaich, Das Bundesverfassungsgericht, 4. Aufl 1997, S 269 ff), wird es dementsprechend für ausreichend gehalten, wenn der Gesetzgeber die Verfassungswidrigkeit mit Wirkung für die Zukunft beseitigt (Schlaich, aaO, S 289 mwN). Im Hinblick hierauf hätte sich der Gesetzgeber – auch wenn er dem Auftrag des BVerfG vom 11. Januar 1995 inhaltlich in vollem Umfang Genüge getan hätte – darauf beschränken dürfen, eine Korrektur der Äquivalenzabweichung in zeitlicher Hinsicht erst für die nach dem 31. Dezember 1996 eingetretenen Versicherungs- und daraus resultierenden Leistungsfälle auszusprechen.

Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht für die Alhi-Bezugszeit ab 1. Januar 1998, die hier ebenfalls im Streit steht. Für die Wiederbewilligung der Alhi ab 1. Januar 1998 könnte für den Fall, daß die Nichtberücksichtigung von Zuwendungen bzw Einmalzahlungen ab 1. Januar 1997 verfassungswidrig wäre, eine entsprechende Neufeststellung nur dann in Betracht kommen, wenn das am 1. Januar 1998 in Kraft getretene SGB III nunmehr eine solche Neufeststellung für alle Leistungsfälle anordnete. Hilfsweise könnte für diesen Fall – falls eine Verfassungswidrigkeit nicht gegeben wäre – § 134 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III im Hinblick auf einen nunmehr 52 Wochen betragenden Bemessungszeitraum (§ 130 Abs 1 SGB III), den Wegfall einer dem § 112 Abs 1 Satz 2 2. Halbsatz AFG entsprechenden Vorschrift und der nunmehr mit dem Begriff des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts übereinstimmenden Formulierung in § 134 Abs 1 Nr 1 SGB III so auszulegen sein, daß alle Entgeltbestandteile, die bestimmten Lohnabrechnungszeiträumen anteilig zurechenbar sind, als laufendes Arbeitsentgelt in das leistungsrechtlich relevante Bemessungsentgelt einzubeziehen sind, selbst wenn diese Entgelte in einer Summe und nicht zeitlich mit dem jeweiligen Lohnabrechnungszeitraum ausbezahlt werden.

Jedoch ist vorliegend das Bemessungsentgelt nicht neu zu bestimmen. Insbesondere läßt sich § 427 Abs 5 Satz 1 SGB III (idF des AFRG vom 24. März 1997 - BGBl I 594) nicht entnehmen, daß das Bemessungsentgelt (und damit auch der Bemessungszeitraum) nach Maßgabe des SGB III immer dann neu festzusetzen wäre, wenn – wie im vorliegenden Fall – eine Wiederbewilligung der Alhi zu erfolgen hat. Nach der genannten Vorschrift ist das Bemessungsentgelt bei Leistungsansprüchen, die vor dem 1. Januar 1998 entstanden sind, nur dann neu festzusetzen, wenn die Festsetzung aufgrund eines Sachverhalts erforderlich ist, der nach dem 31. Dezember 1997 eingetreten ist. Neuer Sachverhalt in diesem Sinne ist aber nur ein solcher, der unmittelbare Auswirkungen auf das Bemessungsentgelt hat, etwa wenn wegen einer Einschränkung des Leistungsvermögens das Bemessungsentgelt für die Zeit der Leistungsbeschränkung zu mindern ist (§ 133 Abs 3 Satz 1 SGB III). Hingegen stellt einen neuen Sachverhalt iS des § 427 Abs 5 Satz 1 SGB III nicht schon jeder Wiederbewilligungstatbestand dar, der zwar bei der Alhi eine Neuprüfung der Leistungsvoraussetzungen nach Grund und Höhe verlangt (§ 190 Abs 3 Satz 2 SGB III), aber hinsichtlich der Berechnung der Leistung grundsätzlich an die Verhältnisse vor der Entstehung des Anspruchs anknüpft (§ 200 Abs 1 iVm § 130 Abs 1 SGB III). Eine Einbeziehung aller Wiederbewilligungsfälle in den Regelungsbereich des § 427 Abs 5 SGB III stünde dem Zweck dieser Regelung entgegen, die – auch unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes – gewährleisten soll, daß vor dem 1. Januar 1998 entstandene Leistungsansprüche grundsätzlich nicht neu zu bemessen sind; eine Neubemessung soll vielmehr auf die Fälle beschränkt sein, in denen nach dem Stichtag eingetretene tatsächliche oder rechtliche Änderungen unmittelbar auf das künftig zugrunde zu legende Bemessungsentgelt einwirken. Da vorliegend keine derartigen, nach dem 31. Dezember 1997 eingetretenen Sachumstände ersichtlich sind, bleiben für die Berechnung des Bemessungsentgelts der Klägerin die Vorschriften des AFG maßgeblich, die auch bisher seiner Berechnung zugrunde gelegen haben (§ 112 Abs 1 Satz 2 AFG und der dreimonatige Bemessungszeitraum gemäß § 112 Abs 2 Satz 1 AFG aF).

Die Sache war an das LSG zurückzuverweisen, das zu prüfen haben wird, ob der Klägerin ggf aus anderen Gründen ab 1. Januar 1997 ein Anspruch auf höhere Alhi zusteht. Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

 

Fundstellen

BSGE, 123

NJ 2000, 389

NZS 2000, 417

AUR 2000, 39

SozSi 2001, 200

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