Beteiligte

Bundesanstalt für Arbeit

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 26. Oktober 1999 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) nebst Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung, die die Beklagte in der Zeit vom 1. September 1995 bis 31. Juli 1997 dem früheren Arbeitnehmer der Klägerin M. erbracht hat.

Der am 25. Juli 1937 geborene M. war vom 24. Januar 1984 bis 31. August 1995 bei der Klägerin als gewerblicher Mitarbeiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 12.000 DM durch einen „Aufhebungsvertrag” vom „22. April 1995” „mit Wirkung vom 30.04.1995 zum 31.08.1995” beendet. Die Kündigungsfrist der Klägerin betrug vier Wochen zum Monatsende. Als Gründe für die Beendigung waren im Aufhebungsvertrag betriebliche Gründe angegeben. Die Aufhebung erfolge in beiderseitigem Einverständnis. Der von M. innegehabte Arbeitsplatz sei wegen des Einsatzes einer EDV-Anlage weggefallen. M. werde aufgrund seines Alters nicht mehr in der Lage sein, sich in die Arbeit mit einer EDV-Anlage einzuarbeiten. Der Betriebsrat sei zu dieser Aufhebung angehört worden.

M. meldete sich am 8. August 1995 arbeitslos und beantragte am 19. September 1995 Alg unter den Voraussetzungen des § 105c Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Die Beklagte bewilligte M. ab 1. September 1995 Alg für 832 Tage (Bescheid vom 25. September 1995) in Höhe von zunächst 360 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt 1.030 DM; Leistungsgruppe A/0). Ab 1. Januar 1996 bezog M. Alg in Höhe von 358,80 DM, ab 2. September 1996 in Höhe von 369 DM und ab 1. Januar 1997 in Höhe von 362,40 DM wöchentlich. Seit 1. August 1997 bezieht M. Altersruhegeld von der Landesversicherungsanstalt Hannover.

Mit Bescheid vom 26. Februar 1996 stellte die Beklagte fest, die Klägerin sei verpflichtet, das dem früheren Arbeitnehmer ab 1. September 1995 gezahlte Alg einschließlich hierauf entfallender Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung für längstens 624 Tage zu erstatten. Durch einen weiteren Bescheid vom 26. Februar 1996 setzte die Beklagte für den Abrechnungszeitraum vom 1. September 1995 bis 30. November 1995 eine Erstattungsforderung von 8.161,40 DM fest. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 1996). Mit Bescheid vom 24. Juli 1996 machte die Beklagte eine Erstattungsforderung von 19.519,10 DM für 182 Leistungstage geltend.

Während des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) ersetzte die Beklagte durch Bescheide vom 10. Dezember 1998 nach Anhörung der Klägerin und des M. ihre bisherigen Zahlungsbescheide und forderte nunmehr für den Zeitraum vom 1. September 1995 bis 30. Juni 1996 die Erstattung von 27.680,50 DM und vom 1. Juli 1996 bis 31. Juli 1997 die Erstattung von 37.868,94 DM. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. März 1999).

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung seines Urteils vom 26. Oktober 1999 hat das LSG ausgeführt, die Klägerin habe gemäß § 128 Abs 1 AFG der Beklagten das dem M. gezahlte Alg einschließlich der auf diese Leistung entfallenden Beiträge für die Zeit vom 1. September 1995 bis 31. Juli 1997 zu erstatten. Auch seien die Voraussetzungen eines der in § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 1 bis 7 AFG genannten Tatbestände, welche die Erstattungspflicht nicht entstehen ließen, nicht erfüllt. Insbesondere könne sich die Klägerin nicht auf § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG stützen, wonach die Erstattungspflicht nicht eintrete, wenn der Arbeitgeber darlege und nachweise, daß er das Arbeitsverhältnis durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung beendet habe. Dieser Tatbestand sei bereits deshalb nicht gegeben, weil das Arbeitsverhältnis des M. nicht durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung, sondern durch Aufhebungsvertrag tatsächlich beendet worden sei. Ein Aufhebungsvertrag könne den Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG nicht erfüllen. Zwar stehe fest, daß die Klägerin ihrem früheren Arbeitnehmer M. zunächst mündlich gekündigt habe. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß diese Kündigung sozial gerechtfertigt gewesen sei, weil sie aus betrieblichen Gründen zwingend erforderlich gewesen sei und ein Ausweicharbeitsplatz für M. nicht zur Verfügung gestanden habe. Auch habe M. als Zeuge vor dem SG ausgesagt, daß ihm zunächst gekündigt worden sei. M. habe nach der Kündigung von sich aus das Gespräch mit der Klägerin gesucht und versucht, eine Einigung darüber herbeizuführen, daß die Kündigung „etwas anders” zu machen sei. Die Klägerin sei diesem Wunsch des M. nachgekommen, weil das Unternehmen unter Mithilfe des M. von Anfang an aufgebaut worden sei. Deshalb habe man ihm eine Treueprämie in Höhe von 12.000 DM angeboten, ohne daß hierzu eine rechtliche Verpflichtung bestanden habe. M. habe gebeten, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses so festzuhalten, daß er nicht den Makel einer Kündigung mit sich herumtragen müsse. Dies sei der Hintergrund der schriftlichen Vereinbarung gewesen, welche in Kenntnis und unter Berücksichtigung der bereits ausgesprochenen Kündigung entsprechend abgefaßt worden sei. Eine schriftliche Vereinbarung mit Abfindungsregelungen sei nicht in Erwägung gezogen worden, denn es habe dazu kein rechtlicher oder tatsächlicher Anlaß bestanden. Auch wenn man dieses Vorbringen als tatsächlich zutreffend unterstelle, lägen die Voraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG jedoch nicht vor. Zwar könne eine Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung nicht mehr einseitig zurückgenommen werden. So lägen die Verhältnisse hier indessen nicht. Vielmehr habe sich die Klägerin auf Bitten des M. bereit gefunden, mit ihm eine Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu schließen. Diese Vereinbarung habe mithin die zuvor erklärte ordentliche Kündigung ersetzt, sie sei die Grundlage für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewesen. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Wortlaut der Vereinbarung. Es bestünden deshalb keine Bedenken, an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Aufhebungsvertrag auch für die vorliegende Konstellation festzuhalten. Hiernach sei es geboten, an äußeren Merkmalen anzuknüpfen und nicht an eine materielle Sichtweise. § 128 Abs 1 AFG begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies gelte auch dann, wenn – wie hier – der Arbeitslose von der Möglichkeit Gebrauch mache, Alg unter den erleichterten Voraussetzungen des § 105c AFG in Anspruch zu nehmen. Die Höhe der Erstattungsforderung sei im übrigen nicht zu beanstanden.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Sie rügt eine Verletzung insbesondere des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG. Es stehe hier unstreitig fest, daß dem Arbeitnehmer M. zunächst mündlich gekündigt worden sei. Diese unter entsprechender Beteiligung des Betriebsrats erfolgte Kündigung sei auch sozial gerechtfertigt im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes gewesen. Im Rahmen des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG dürfe diese Rechtstatsache der erfolgten wirksamen Kündigung nicht negiert werden. Vorliegend sei das Arbeitsverhältnis durch einseitige Willenserklärung der Klägerin – die Kündigung – beendet worden. Die vom Arbeitnehmer M. initiierte Regelung bedeute lediglich, daß ein neuer, vom Kündigungsausspruch unabhängiger, die vorangegangene Kündigung allenfalls bestätigender Rechtsakt gesetzt worden sei. In dem späteren Vertrag sei es dem Arbeitnehmer lediglich gelungen, eine Belohnung für Verdienste im Betrieb zu erhalten. In der Vereinbarung seien zudem die zur Kündigung berechtigenden Tatsachen und die erfolgte Beteiligung des Betriebsrats zur Vorbereitung der Kündigung nochmals zitiert worden. Mithin stelle sich die allgemeine Rechtsfrage, ob eine gebotene Anknüpfung an äußere Merkmale auch dann noch bejaht werden könne, wenn, wie im vorliegenden Fall, der „Aufhebungsvertrag” an die vorangegangene Zustimmung des Betriebsrats anknüpfe, weshalb hier ein lediglich deklaratorisch wirkender Abwicklungsvertrag abgeschlossen worden sei. Es müsse einen Unterschied machen, wenn der von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist zur Klageerhebung und unter Verzicht auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage den Arbeitgeber aufsuche und ihn um eine relativ geringfügige (im Verhältnis zur üblichen Abfindung) Belohnung bitte und eine solche ihm unter Formulierung eines Vertrags wie vorliegend gewährt werde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 26. Oktober 1999 und das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 16. März 1999 sowie die Bescheide der Beklagten vom 10. Dezember 1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf den Inhalt des angefochtenen Urteils, das im übrigen mit der Rechtsprechung des BSG übereinstimme.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

II

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht darüber entschieden werden, ob der Erstattungsbetrag von der Beklagten in der Höhe richtig festgesetzt worden ist. Das LSG hat hingegen zu Recht entschieden, daß eine Erstattungspflicht der Klägerin gemäß § 128 AFG eingetreten ist.

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur noch die Bescheide der Beklagten vom 10. Dezember 1998, die gemäß § 96 SGG bereits zum Gegenstand des Rechtsstreits vor dem SG geworden sind. Diese Bescheide sind auch – wie das LSG zutreffend festgestellt hat – nicht wegen fehlender Anhörung (§ 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) rechtswidrig, da die Beklagte der Klägerin zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat.

Die Erstattungspflicht der Klägerin für das dem Arbeitnehmer M. im Zeitraum vom 1. September 1995 bis 31. Juli 1997 gezahlte Alg folgt aus § 128 Abs 1 und Abs 4 AFG (idF, die § 128 AFG durch das Gesetz zur Änderung des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch und andere Gesetze vom 15. Dezember 1995, BGBl I 1824, erhalten hat), der im vorliegenden Fall gemäß § 431 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) iVm § 242x Abs 6 AFG (idF des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung – Arbeitsförderungsreformgesetz – vom 24. März 1997, BGBl I 594) im Dezember 1998 weiter anwendbar war. Nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt für Arbeit vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Ausnahmetatbestände von dieser – die Klägerin nach den tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG im Grundsatz treffenden – Erstattungspflicht für das Alg des Arbeitnehmers M. sind nicht gegeben. Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte vor, daß der Arbeitslose die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bis 4 AFG genannten Sozialleistungen erfüllte (§ 128 Abs 1 Satz 2 AFG). Die Revisionsführerin beschränkt ihr Vorbringen insoweit auf die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG. Der Senat kann dahinstehen lassen, inwieweit im Rahmen der Tatbestände des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 1 bis 7 AFG der zivilprozessuale Beibringungsgrundsatz Geltung beanspruchen kann, ggf mit der Folge, daß eine Rechtsprüfung sich lediglich auf die von der Klägerin jeweils geltend gemachten Ausnahmetatbestände zu beschränken hätte (vgl hierzu Urteil des 11. Senats des BSG vom 21. September 2000 – B 11 AL 7/00 R –-, BSGE 87, 132, 140 = SozR 3-4100 § 128 Nr 10), denn unabhängig hiervon sind keine Umstände erkennbar, die für eine Rechtswidrigkeit der Erstattungsbescheide der Beklagten vom 10. Dezember 1998 sprechen könnten.

Der erkennende Senat und der 11. Senat des BSG haben sich mehrfach zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen eines Erstattungsbescheides gemäß § 128 AFG geäußert (vgl die Urteile des Senats vom 15. Juni 2000 – B 7 AL 78/99 R –, BSGE 86, 187 = SozR 3-4100 § 128 Nr 8; vom 3. Dezember 1998 – B 7 AL 110/97 R –; Urteile vom 25. Juni 1998 – B 7 AL 80/97 R und B 7 AL 82/97 R –; Urteil vom 19. März 1998 – B 7 AL 20/97 R –; ferner die Urteile des 11. Senats des BSG vom 22. März 2001 – B 11 AL 50/00 R und B 11 AL 70/00 R –; vom 14. Dezember 2000 – B 11 AL 19/00 R –; Urteile vom 21. September 2000 – B 11 AL 7/00 R und B 11 AL 5/00 R – sowie Urteil vom 10. August 2000 – B 11 AL 93/99 R, SozR 3-4100 § 128 Nr 9) und hierbei klargestellt, daß die Regelung des § 128 AFG als solche nicht verfassungswidrig ist. Dies gilt insbesondere auch, soweit die Erstattungspflicht des Arbeitgebers dann besteht, wenn – wie offenbar auch im vorliegenden Falle – der Arbeitslose von der Möglichkeit Gebrauch macht, Alg unter den erleichterten Voraussetzungen des § 105c AFG in Anspruch zu nehmen (Senatsurteil vom 3. Dezember 1998 aaO mwN). Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, daß die Beklagte mit den Bescheiden vom 10. Dezember 1998 eine Erstattungsforderung für einen mehr als vierteljährlichen Zeitraum geltend gemacht hat, da § 128 Abs 1 Satz 1 AFG lediglich eine Regelung über die Fälligkeit der Erstattungsforderung trifft.

Auch die Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten Ausnahmetatbestandes des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG liegen nicht vor. Nach dieser Norm tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, daß er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat. Die Klägerin hat das Arbeitsverhältnis mit M. nicht durch sozial gerechtfertigte Kündigung iS des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG beendet. Das Arbeitsverhältnis wurde vielmehr durch den Auflösungsvertrag, den die Klägerin unter dem 22. April 1995 mit ihrem Arbeitnehmer M. abgeschlossen hat, beendet. Dieser Vertrag hat, wie vom LSG richtig erkannt, die zuvor ausgesprochene Kündigung ersetzt. Ob die Vereinbarung vom 22. April 1995 einen sog Abwicklungsvertrag darstellte (vgl hierzu zB Hümmerich, BB 1999, 1868), mit dem lediglich die Folgen der rechtlich fortbestehenden Kündigung geregelt werden sollten und wovon die Revisionsführerin ausgeht, oder ob es sich um einen Aufhebungsvertrag gehandelt hat, durch den die ursprüngliche Kündigung zurückgenommen wurde und der als neuer Rechtsgrund konstitutiv für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses war, ist abhängig von dem Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärungen. Deren Feststellung fällt in den Aufgabenbereich der Tatsachengerichte. Die Überprüfung des Revisionsgerichts bezieht sich darauf, ob die Feststellung des Inhalts rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen durch das Tatsachengericht anerkannte Auslegungsgrundsätze verletzt (BSG vom 9. November 1995 – 11 RAr 27/95 –, BSGE 77, 49, 50 f = SozR 3-4100 § 119 Nr 9 mwN). Der übereinstimmende Wille der Parteien des Aufhebungsvertrags, diese Vereinbarung zum alleinigen Rechtsgrund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu machen, ist nach den gesamten vom LSG herangezogenen Umständen festgestellt. Wenn aber ein übereinstimmender Wille der Vertragspartner festgestellt werden kann, kommt es auf andere Auslegungskriterien von vornherein nicht mehr an (s BSG vom 22. November 1994 – 8 RKn 1/93 –, SozR 3-2200 § 1265 Nr 13 S 88 f).

Das LSG hat ausgeführt, daraus, daß die Klägerin sich auf Bitten des M. bereit gefunden habe, mit ihm eine Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu schließen, und eindeutig aus dem Wortlaut der Vereinbarung ergebe sich, daß die Vereinbarung die zuvor erklärte ordentliche Kündigung ersetzen sollte. Die Vereinbarung als solche sei sodann Grundlage für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewesen. Da das LSG bei dieser Feststellung des Inhalts der rechtsgeschäftlichen Erklärungen in der Vereinbarung vom 22. April 1995 auch keine Auslegungsgrundsätze verletzt hat, ist diese den Entscheidungsgründen des LSG zugrundeliegende Auslegung auch für den Senat bindend (§ 163 SGG). Von daher kann hier dahinstehen, ob die Auslegung der rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen durch das LSG auch inhaltlich zutreffend ist, weil entgegen dem Vorbringen der Revisionsklägerin der Vertrag gerade keine Abwicklungsregelungen, insbesondere auch keine Vereinbarung über die Zahlung von 12.000 DM enthält. Ein weiteres Eingehen auf die im Tatsächlichen verbleibende Argumentation der Revision zur Auslegung der Vereinbarung verbietet sich – wie ausgeführt – schon aus revisionsrechtlichen Gründen.

Wenn aber das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag und nicht durch ordentliche Kündigung beendet wurde, greift die Ausnahme von der Eintrittspflicht nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG nicht. Das BSG hat bereits mehrfach entschieden, daß diese Regelung über ihren Wortlaut hinaus nicht auf Fälle einer einvernehmlichen (sozial gerechtfertigten) Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag oder ähnliches erstreckt werden kann (vgl Urteile vom 19. März 1998 – B 7 AL 20/97 R –; vom 25. Juni 1998 – B 7 AL 80/97 R und B 7 AL 82/97 R –; Urteil vom 7. Mai 1998 – B 11 AL 81/97 R –, BSGE 81, 259, 264 f = SozR 3-4100 § 128 Nr 5; Urteil vom 11. Mai 1999 – B 11 AL 73/99 R –, SozR 3-4100 § 128 Nr 6, S 55). Ein Aufhebungsvertrag läßt sich mithin nicht als sozial gerechtfertigte Arbeitgeberkündigung iS des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG werten, selbst wenn materiell-rechtlich – wovon das LSG auszugehen scheint – die Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte ordentliche Kündigung vorgelegen haben. Ein solches Abstellen auf die äußere Form der Aufhebung entspricht der Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts, nach der gerade in der Wahl bestimmter „Formen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen älterer, langjährig beschäftigter Arbeitnehmer” ein Indiz dafür zu sehen ist, daß die Arbeitslosigkeit in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fällt (BVerfGE 81, 156, 197 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Demgegenüber würde eine materielle, in erster Linie auf die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugrundeliegende Interessenlage abstellende Sichtweise (so etwa Brand in Niesel, AFG, 2. Aufl 1997, § 128 RdNr 33 mwN) dazu führen, die Erstattungsregelung des § 128 AFG praktisch zu entwerten. Denn der bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses älterer Arbeitnehmer häufig fehlende Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer würde die Feststellung darüber in der Regel erschweren oder unmöglich machen, ob der Arbeitgeber unabhängig von seinem formellen Beitrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch materiell die Beendigung initiiert oder gefördert hat. Sollen die mit § 128 AFG verfolgten Zwecke erreicht und Mißbrauch abgewendet werden, so muß deshalb bei der Auslegung der Befreiungstatbestände an die vom Gesetzgeber vorgegebene äußere Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses angeknüpft werden (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 6, S 55), zumal der Abschluß eines Aufhebungsvertrags regelmäßig dazu führt – und dies auch bezweckt –, die Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einer Kontrolle durch die Arbeitsgerichte zu entziehen.

Daß die Klägerin gegenüber dem Arbeitnehmer M. tatsächlich zunächst eine mündliche Kündigung ausgesprochen und diese – möglicherweise – auch sozial gerechtfertigt war, vermag schließlich auch nichts an der Kausalität des späteren Aufhebungsvertrags für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu ändern. Ebenso wie im Sperrzeitenrecht (s BSG SozR 4100 § 119 Nr 24; BSGE 77, 48, 51) kommt es auch im Rahmen des § 128 Abs 1 AFG maßgeblich auf den tatsächlichen Geschehensablauf an. Selbst wenn eine sozial gerechtfertigte Kündigung bereits ausgesprochen war, so war sie doch – wie aufgezeigt – nicht ursächlich für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dieses ist tatsächlich erst aufgrund des späteren Aufhebungsvertrags beendet worden. Hypothetische Kausalverläufe müssen im Rahmen des § 128 AFG außer Betracht bleiben.

Der Senat war jedoch nicht in der Lage, abschließend über die Rechtmäßigkeit der Höhe der Erstattungsforderung der Beklagten zu entscheiden. Es fehlt insofern an Feststellungen des LSG zu den rechtlichen Voraussetzungen des Bezugs von Alg gemäß §§ 100 ff AFG durch den Arbeitnehmer M. Dabei wird das LSG auch Feststellungen zum Beginn des Alg-Bezugs durch M. zu treffen haben, denn wenn M. – wie nach den bisherigen Feststellungen des LSG – erst am 19. September 1995 Alg beantragt hat, dürfte eine Erstattung für das ihm vom 1. bis 18. September 1995 gezahlte Alg nicht in Betracht kommen. Ebenso fehlen Feststellungen zum Verdienst des M. im Bemessungszeitraum, so daß das dem Alg zugrundeliegende Bemessungsentgelt nicht überprüfbar ist. Schließlich wird das LSG auch die Beitragsberechnung der Beklagten nach § 157 AFG iVm § 223 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) im einzelnen nachzuvollziehen und zu beurteilen haben. Die Beklagte teilt bei ihrer Berechnung entgegen dem Wortlaut der Vorschriften den Wochenbetrag des der Bemessung der Leistungen zugrundeliegenden Arbeitsentgelts (= Bemessungsentgelt) durch 6 und multipliziert dann mit der Zahl der Tage, für die Alg gezahlt worden ist. Hieraus resultiert ein – wenn auch nur in geringem Umfang – höherer Beitrag und folglich auch Erstattungsbetrag (vgl hierzu BSG Urteil vom 19. März 1998 – B 7 AL 20/97 R –, EzS 5/26 aE).

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des Ausgangs des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI662563

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