Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 29.09.1998)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. September 1998 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der im Jahre 1961 geborene Kläger ist gelernter Masseur und Medizinischer Bademeister. Er leidet an Wirbelsäulenveränderungen und hochgradiger Sehschwäche und war seit 1990 arbeitsunfähig erkrankt. Seit 1991 begehrt er von der Beklagten die Förderung einer Ausbildung zum Krankengymnasten/Physiotherapeuten als Maßnahme der beruflichen Rehabilitation. Der Kläger war zuvor im Rahmen eines Rentenverfahrens bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) orthopädisch und augenärztlich begutachtet worden. Insbesondere in dem augenärztlichen Gutachten wurde sein Berufswunsch einer Umschulung zum Krankengymnasten „begrüßt”.

Die Beklagte lehnte zunächst wegen der Weigerung des Klägers, an einer arbeitsamtsärztlichen Untersuchung teilzunehmen, den Rehabilitationsantrag ab (Bescheid vom 27. Dezember 1995/Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 1996). Für die Zeit vom 25. Oktober 1995 bis 31. Oktober 1995 stellte die Beklagte den Eintritt einer Säumniszeit fest, weil der Kläger nicht zu einer arbeitsamtsärztlichen Untersuchung (am 24. Oktober 1995) erschienen war (Bescheid vom 3. November 1995/Widerspruchsbescheid vom 24. November 1995; Erstattungsbescheid für den Säumniszeitraum vom 1. Dezember 1995/Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 1995). Die gegen diese Bescheide erhobenen Klagen blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts vom 25. Juni 1996). In der Berufungsinstanz hat die Beklagte, nachdem der Kläger erklärt hatte, er sei definitiv nicht bereit, an einer medizinischen Untersuchung durch Arbeitsamtsärzte teilzunehmen, durch Bescheid vom 17. Dezember 1997 die Förderung der Umschulung zum Krankengymnasten abgelehnt, weil der Kläger für diesen Beruf gesundheitlich nicht geeignet sei. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 17. Dezember 1997 abgewiesen (Urteil vom 29. September 1998). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei bereits gesundheitlich nicht in der Lage, seinen erlernten Beruf als Masseur weiter auszuüben. Berücksichtige man die objektiven Anforderungen an das Berufsbild Physiotherapeut (Krankengymnast), so sei aufgrund der orthopädischen Einschränkungen des Klägers davon auszugehen, daß er gesundheitlich allenfalls einen Teilbereich des angestrebten Berufsfeldes abdecken könne. Die in den Gutachten für die BfA geäußerten Auffassungen über Verweisungstätigkeiten seien in einem anderen rechtlichen Kontext zu sehen (Vorliegen von Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit) und würden keine Bindungswirkung zu Lasten der Beklagten entfalten.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde. Er macht geltend, das LSG habe selbst Ermittlungen anstellen und ein „unabhängiges” Gutachten in Auftrag geben müssen. Eine solche Begutachtung „zur objektiven Feststellung seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit” sei von ihm „durchgängig seit dem Sozialgerichtsverfahren” beantragt worden. Das LSG hätte nicht die medizinische Auffassung des Arbeitsamtes ohne weitere Prüfung zugrunde legen dürfen. Das LSG habe bereits in einem früheren Prozeß des Klägers die Ansicht vertreten, daß eine zusätzliche, neutrale Begutachtung notwendig sei. Nunmehr habe es aber doch die Aktenlage für klar gehalten und die Auffassung vertreten, daß es einer weiteren Begutachtung nicht bedürfe. Auch insoweit habe das LSG die Amtsermittlungspflicht verletzt, weil es sich von der damals geäußerten Ansicht her hätte gedrängt fühlen müssen, diesen Beweis zu erheben. Schließlich gehe das LSG rechtsfehlerhaft davon aus, daß offenbar nur bei 100%iger Erfolgswahrscheinlichkeit eine Maßnahme gefördert werden könne.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die Darlegung des Verfahrensmangels fehlerhafter Sachverhaltsaufklärung durch das LSG erfordert mithin: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung hätten drängen müssen, (3) Angabe des Ergebnisses der unterbliebenen Beweiserhebung, (4) Schilderung, daß und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (BSG SozR 1500 § 160 Nrn 5 und 35 sowie § 160a Nrn 24 und 34).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung schon deshalb nicht, weil kein Beweisantrag bezeichnet ist, der für das Bundessozialgericht ohne weiteres auffindbar ist. Der Senat läßt offen, ob in Fällen mündlicher Verhandlung ein Beweisantrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur vorliegt, wenn der Beweisantrag protokolliert bzw in die Sitzungsniederschrift aufgenommen worden ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 64; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9) oder ob es genügt, daß er in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt worden ist, es sei denn, daß aus den näheren Umständen zu entnehmen ist, daß er in der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten worden ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 12). Auch wenn der Senat von der letztgenannten Auffassung ausgeht, genügt es nicht, wenn der Kläger vorträgt, er habe „durchgängig seit dem Sozialgerichtsverfahren” eine objektive Begutachtung gefordert. Er hätte insoweit den bzw die Schriftsätze konkret benennen und auch Ausführungen dazu machen müssen, daß er an seinem Antrag bis zur letzten mündlichen Verhandlung festgehalten hat. Darüber hinaus hätte er darlegen müssen, daß der Beweisantrag den Erfordernissen des § 403 ZPO iVm § 118 Abs 1 SGG genügt, dh er hätte insbesondere das Beweisthema benennen müssen, das Gegenstand des Beweisantrags war (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 160 Nr 45, S 45). Aus dem undifferenzierten Vortrag, es sei eine objektive Feststellung seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit geboten gewesen, ist für den Senat noch nicht einmal nachvollziehbar, welcher medizinischen Fachrichtung der Gutachter nach dem angeblichen Beweisantrag hätte angehören sollen.

Schließlich fehlt es auch an ausreichenden Darlegungen, warum sich das LSG – von seinem Rechtsstandpunkt aus – hätte gedrängt sehen müssen, die beantragte Beweiserhebung durchzuführen. Zu entsprechenden Darlegungen hätte insbesondere deshalb Anlaß bestanden, weil sich der Kläger im gesamten Verfahren – auch noch vor dem LSG – konstant geweigert hatte, sich von Ärzten des Arbeitsamtes ohne Nachweis der „Fachkompetenz” begutachten zu lassen und im übrigen – nach seinem eigenen Vortrag – keinen Versuch gemacht hat, sich auf Antrag gemäß § 109 SGG von bestimmten, von ihm selbst benannten Ärzten untersuchen zu lassen. Im Hinblick darauf reicht das Vorbringen des Klägers, das LSG selbst habe in einem früheren – nicht näher bezeichneten – Rechtsstreit eine objektive Begutachtung des Klägers für notwendig gehalten, nicht aus.

Entspricht die Begründung der Beschwerde sonach nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß die Beschwerde – ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter – in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; vgl auch BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175832

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